Laryngorhinootologie 2023; 102(04): 316-319
DOI: 10.1055/a-2011-9592
OP-Techniken

Eingriffe an Larynx, Hypopharynx und Trachea

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Endolaryngeale Eingriffe

Endolaryngeale Eingriffe können unter Oberflächenanästhesie oder in Intubationsnarkose unter direkter operationsmikroskopischer Sicht vorgenommen werden. Die direkte Mikrolaryngoskopie in Narkose ermöglicht über den Einsatz von Winkeloptiken eine Beurteilung auch schwer zugänglicher Areale.

Indirekte endolaryngeale Eingriffe

OP-Prinzip

Vornahme umschriebener endolaryngealer Eingriffe in Oberflächenanästhesie mit abgebogenen Instrumenten unter endoskopischer Kontrolle.


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Indikation

  • Biopsien zur Dignitätsklärung auffälliger Schleimhautveränderungen

  • Abtragung begrenzter Stimmlippenveränderungen mit Möglichkeit der intraoperativen Stimmkontrolle


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Kontraindikation

  • extremer Würgereiz

  • unsichere optische Beurteilbarkeit

  • Kinder

  • Allergie gegen Oberflächenanästhetika


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Spezielle Instrumente

  • abgebogener Watteträger, Reichert-Epiglottishalter, Kehlkopf-Doppellöffel und Stanzen oder abgebogener Universalhandgriff mit verschiedenen Ansätzen

  • flexibles Larnygoskop oder Lupenlaryngoskop


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Anästhesie

  • Oberflächenanästhesie mit 4 %-Pantocain oder 10 %-Lidocain. Mundhöhle, Rachen und Kehlkopfschleimhaut werden schrittweise nacheinander besprayt, der Kehlkopf zusätzlich mit abgebogenem Watteträger unter endoskopischer Kontrolle ausgepinselt.

  • Bei extremem Würgereiz evtl. Leitungsanästhesie des N. laryngeus superior von außen und Infiltration des N. glossopharyngeus am hinteren unteren Tonsillenpol mit je 2 ml 1 %igem Lidocain.


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OP-Technik

  • Lagerung: Patient sitzt, Oberkörper etwas nach vorne geneigt, den Kopf leicht rekliniert. Hilfsperson steht ggf. hinter der linken Schulter des Patienten.

  • Vorbereitung: Passender Instrumentenansatz (Doppellöffel, schneidende Stanze); die zur Stimmlippe parallele Arbeitsrichtung des Ansatzes wird am V-förmig gespreizten Daumen und Zeigefinger der linken Hand, die die Lage der Stimmbänder simulieren, überprüft.

  • Instrumenteneinführung: Zunge wird vom Patienten oder von einer Hilfsperson von rechts her gehalten. Flexibles Larnygoskop transnasal oder Lupenlaryngoskop transoral einführen, Glottisebene einstellen, kurz phonieren lassen ([Abb. 1a]).

  • Vorgehen bei überhängender Epiglottis: Bei überhängender Epiglottis wird der Reichert-Epiglottishalter unter die Epiglottis geführt und von einer Hilfsperson vorgehalten.

  • Gewebeabtragung: Einführung des geschlossenen Instruments mit rechter Hand seitlich durch den Mund unter Sicht in den Larynx. In Respirationsstellung Anlegen des Instruments und Abtragung des Gewebes (Optimale Sicht und komplette Anästhesie absolute Voraussetzung für exaktes Arbeiten!) ([Abb. 1a–c]).

  • Blutstillung: Kontrolle der Abtragungsstelle, ggf. Nachfassen, Glättung, Blutstillung mit einem Adrenalin-getränkten Wattetriller.

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Abb. 1 Indirekte Biopsie von den Stimmbändern unter lupenlaryngoskopischer Kontrolle. a Schnittbild. Kopf rekliniert. Zunge weit vorgezogen. b Anlegen des geöffneten Doppellöffels in Respirationsstellung. c Instrumentenführung mit rechter Hand vom Mundwinkel her, Führung des Lupenlaryngoskops mit linker Hand.
Risiken und Komplikationen
  • bleibende Heiserkeit durch Gewebedefekte, Stimmlippenverletzung, narbige Stimmlippenveränderungen, Synechiebildung

  • Larynxschwellung mit Dyspnoe; bei vorbestehender Stenose (Tumor o. Ä.) kann ggf. eine Tracheotomie notwendig werden

  • Misserfolg, Rezidivbildung


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Nachbehandlung

  • Stimmschonung für 3–7 Tage, Nikotinkarenz

  • Nahrungsaufnahme frühestens 2 Stunden nach Beendigung des Eingriffs

  • Inhalationen; bei Hustenreiz Antitussiva

  • bei Ödembildung und/oder enger Glottis stationäre Überwachung, ggf. Kortikoide


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Alternativen

direkte Laryngoskopie


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Direkte endolaryngeale Eingriffe

Direkte endolaryngeale Eingriffe werden grundsätzlich in Narkose vorgenommen, in aller Regel als sog. direkte Stützlaryngoskopie.


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Direkte Stützlaryngoskopie in Beatmungsnarkose (Mikrolaryngoskopie)

OP-Prinzip

Nach Intubation mit relativ dünnem Tubus (Männer: 6,5 mm, Frauen: 5,5 mm Innendurchmesser) Einsetzen eines Zahnschutzes, erst danach Einführung eines größtmöglichen Endoskoprohrs über die Mundhöhle in den Endolarynx vor die Glottisebene. An das Endoskop wird eine Stangenfixierung angebracht, deren kaudales Ende auf einer Tellerstütze in Höhe der Brust fixiert wird. Unter mikroskopischer Kontrolle können feine Manipulationen bimanuell unter laufender Beatmung vorgenommen werden. Inspektion der Wandungen und des Sinus Morgagni mit Winkeloptiken.


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Indikation

  • Biopsien, Klärung der Tumorausdehnung bei Malignomen

  • Abtragung benigner Veränderungen wie Leukoplakien, Hyperkeratosen, Polypen, Fibrome, Papillome, Reinke-Ödeme

  • Resektion von Narben, Synechien, Diaphragmen

  • Reposition bei Aryknorpelluxation

  • endolaryngeale Arytenoidektomie; Stimmlippenaugmentation oder Lateralisation, Glottiserweiterung

  • endolaryngeal vorgenommene Resektion von Larynx- und Hypopharynxmalignomen

  • Injektion von Material zur Verengung der Stimmritze

  • Glottoplastik zur Veränderung der Stimmlage („pitch“)


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Kontraindikation

  • Allgemeinerkrankungen, nicht vertretbares Narkoserisiko

  • anatomische Veränderungen der Halswirbelsäule, die eine (ausreichende) Reklination des Kopfes verhindern (Morbus Bechterew, Frakturen, erhebliche Osteochondrose), oder Bandscheibenvorfall im Halswirbelbereich, Retrogenie, weit vorspringende Oberkieferzähne

  • Kieferklemme

  • Unmöglichkeit der Exposition


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Spezielle Patientenaufklärung

Mikrolaryngoskopie/Hypopharyngoskopie, starre Tracheobronchoskopie:

  • Zahnschäden, Zahnverlust

  • Schleimhautverletzung, Ernährung über nasogastrale Sonde

  • Schluckstörung

  • Heiserkeit bis Stimmverlust

  • Luftnot, Tracheotomie mit Einlage einer Trachealkanüle

  • Pneumonie, Pneumothorax

  • Mediastinitis

  • Druckschädigung bis Funktionsausfall von N. lingualis, N. hypoglossus und N. glossopharyngeus

  • erneutes Auftreten der Erkrankung


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Spezielle Instrumente und Implantate

  • Operationslaryngoskope unterschiedlicher Größe mit Bruststütze und Fiberglaslichtträger, Spreizlaryngoskop, Glottisspreizer

  • Instrumentensatz für Larynxmikrochirurgie mit in verschiedenen Richtungen gebogenen Doppellöffelzangen und Scherchen, Nadelhalter, Sichelmesser, Schälmesser, Saugrohre und Koagulationssonde

  • Operationslaryngoskope und Instrumentarium jeweils mit Absaugrohren zur Laserchirurgie

  • Operationsmikroskop, Winkeloptiken


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Anästhesie

  • Intubation mit Woodbridge- oder Einmaltubus (Männer: 6,5 mm, Frauen: 5,5 mm Innendurchmesser), beim Kind altersadaptierter Durchmesser

  • alternativ Jet-Ventilationsnarkose oder intermittierende Beatmung mit Möglichkeit zur operativen Intervention in Apnoe


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OP-Technik

  • Lagerung: Flaches Kissen unter die Schulter, Kopfreklination in kleinem Gummiring oder Kopfschale. Zahnprothesen entfernen, sofern noch nicht geschehen. Einsetzen eines Zahnschutzes (vorzugsweise Metallzahnschutz, da dieser nicht disloziert).

  • Exposition: Kopf mit linker Hand reklinieren. Lippe zur Seite halten und vom rechten Mundwinkel her Laryngoskop einführen – die Zunge nach links drängen – und auf dem Tubus als Führung tiefer gleiten lassen ([Abb. 2]). Die Rohrspitze lädt dabei die Epiglottis auf; sie wird unter Sicht so weit in den Larynx geführt, bis die Stimmlippen gut sichtbar sind.

  • Endoskopfixierung: In dieser Position Fixation des Endoskops durch Ansetzen der Stütze auf dem Halteteller ([Abb. 3], [4]). Bei schwieriger Einführung oder ungenügendem Überblick kann das Rohr auch schräg im Mundwinkel oder in einer Zahnlücke liegen, außerdem geht man auf ein kleineres Rohrkaliber zurück.

  • Optimierung der Exposition: Durch Spannen der Stellschraube wird der Einblick auf die vordere Kommissur verbessert und gleichzeitig die Stütze fixiert, dabei Vorsicht wegen des steigenden Drucks auf die Schneidezähne. Auch Gegendruck von außen auf den Kehlkopf verbessert den Einblick in den vorderen Larynx ([Abb. 4]).

  • Exposition der hinteren Kommissur: Die hintere Kommissur wird erst nach Aufladung des Tubus mit dem Laryngoskop oder vorheriger (passagerer) Extubation sichtbar. Bei Überdeckung der Stimmbänder durch die Taschenfalten das Rohr etwas vorschieben; zu tief eingeführtes Endoskop führt zur Überspreizung und gelegentlich auch Verletzung der Stimmlippen.

  • Inspektion von Subglottis und Sinus Morgagni: Auch bei optimaler Übersicht können der subglottische Raum und der Sinus Morgagni nicht komplett eingesehen werden und müssen deshalb mit Winkeloptiken inspiziert werden.

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Abb. 2 Direkte Stützlaryngoskopie. 1. Schritt: Einführen des Laryngoskopierohrs in Mundhöhle und Oropharynx.
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Abb. 3 Direkte Stützlaryngoskopie. 2. Schritt: Nach Exposition der Glottisebene Positionierung der Stütze über den Brustkorb.
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Abb. 4 Direkte Stützlaryngoskopie. 3. Schritt: Über eine Stellschraube kann die Ausrichtung von Stütze und Laryngoskopierohr reguliert werden.
Regeln, Tipps und Tricks

Untersuchung der Ventrikel kann durch Druck von der Seite sowie durch Pressen der Laryngoskopspitze gegen die Taschenfalte nach lateral optimiert werden.

Risiken und Komplikationen
  • Zahnschäden (Schmelzabsplitterungen, Zahnhalsfrakturen oder Zahnlockerungen, Zahnextraktionen)

  • Kiefergelenkbeschwerden durch Überdehnung

  • Hämatome und Abschürfungen im Bereich von Gaumenbögen, Tonsille und Zungengrund

  • extrem selten dehnungs- oder durckbedingte Schädigung von N. hypoglossus, N. lingualis bzw. N. glossopharyngeus mit Gefühls- und Bewegungsstörungen

  • Ödembildungen im Kehlkopf, bei vorbestehender Stenose mit Gefahr der Dyspnoe

  • Heiserkeit oder Zunahme vorbestehender Heiserkeit, Narben- und Synechiebildung mit Beeinträchtigung der Stimme

  • bei Injektorbeatmung Pneumothorax nach Ruptur einer Emphysemblase


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Nachbehandlung

  • Stimmschonung, Dauer abhängig von der vorgenommenen endolaryngealen Maßnahme, ggf. auch logopädische Übungsbehandlung; tägliche Inhalationen können angezeigt sein

  • zur Unterdrückung eines Reizhustens ggf. Antitussiva, bei Ödemgefahr Kortikosteroide

  • laryngoskopische Befundkontrollen


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Alternativen zum Eingriff mit Intubation

Die Jet-Ventilation erlaubt eine intubationsfreie Relaxationsnarkose bei engen Larynxverhältnissen oder bei Veränderungen im dorsalen Kehlkopfbereich. Rasches Einsetzen des Operationslaryngoskops oder der Beatmungssonde, Anschließen der Injektorkanüle an das Beatmungsgerät; sorgfältige Überwachung der Sauerstoffversorgung. Kommt es zu stärkeren Blutungen, z. B. im Rahmen von Karzinomresektionen, ist eine zügige Intubation indiziert, gefolgt von einer Tracheobronchoskopie zur Blutabsaugung, sofern die Blutung nicht umgehend gestoppt werden kann.

Aus: Rettinger G, Hosemann W, Huttenbrink KW, Werner JA. HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. 5., vollstandig uberarbeitete Auflage


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Publication History

Article published online:
11 April 2023

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