Diabetologie und Stoffwechsel 2013; 8(6): 415-416
DOI: 10.1055/s-0033-1362218
Laudatio
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Zum 90. Geburtstag von Professor Günther Panzram

H. Schmechel
,
Rainer Lundershausen
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Publication Date:
06 February 2014 (online)

Am 23.12.2013 begeht Prof. Dr. med. Günther Panzram, emeritierter Hochschullehrer und ehemaliger Direktor der Poliklinik für Innere Medizin an der nach der Einheit Deutschlands vom Land Thüringen geschlossenen Medizinischen Hochschule Erfurt seinen 90. Geburtstag.

Prof. Panzram gehört zu jener Generation der Diabetologen in Deutschland, die frühzeitig im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg die Bedeutung des Diabetes mellitus als sich entwickelnde Volkskrankheit parallel zur Stabilisierung der Ernährungsgrundlage erkannten.

Im Osten Deutschlands gehört er zu den Begründern der klinisch-wissenschaftlichen Diabetologie und führenden Epidemiologen mit internationaler Ausstrahlung.

Im thüringischen Artern geboren und in Erfurt aufgewachsen studierte er von 1942–1944 in Berlin und Würzburg Medizin. Im letzten Kriegsjahr des Zweiten Weltkrieges wurde er als Sanitäter zur Wehrmacht einberufen und konnte sein Medizinstudium erst 1950 in Jena beenden. Im gleichen Jahr folgte er Prof. August Sundermann an die Medizinische Klinik des Städtischen Krankenhauses Erfurt als Assistent zur Facharztausbildung, die er 1957 abschloss. Mit der 1954 erfolgten Gründung der Medizinischen Akademie Erfurt mit allen Rechten und Pflichten einer Hochschule ergab sich für Günther Panzram die Möglichkeit im Team seines Lehrers August Sundermann am Aufbau der medizinischen Hochschule mitzuwirken und persönlich eine akademische Laufbahn zu vollziehen. Nach der Habilitation und Dozentur 1960 folgten 1965 die Professur mit Lehrauftrag und 1965 die Berufung auf den Lehrstuhl II für Innere Medizin und Berufung als Direktor der neu etablierten Medizinischen Poliklinik an der Hochschule.

Bis zu seiner Emeritierung im September 1989 baute Prof. Panzram in 24-jähriger Tätigkeit als Direktor eine poliklinische Hochschuleinrichtung auf, die allen Ansprüchen einer akademischen Institution in Lehre, Forschung und medizinischer Betreuung gerecht wurde.

Die Medizinische Poliklinik mit zwei angeschlossenen Stationen als diagnostische Beobachtungsstation und spezielle Behandlungsstation entwickelte sich zu einem zentralen Anlauf- und Konsultationszentrum für die Patienten der ärztlichen Grundbetreuung der Stadt Erfurt und Thüringens. Mit der Etablierung zahlreicher Spezialsprechstunden – teilweise in Kooperation mit der Medizinischen Klinik für die internistischen Teilgebiete Kardiologie , Hypertensiologie, Endokrinologie / Diabetologie, Rheumatologie, Nephrologie , Hämostaseologie und Onkologie wurde auf höchstem fachlichen Niveau ein breites subdisziplinäres Betreuungsangebot etabliert.

Mit der Berufung zum Kreis- und Bezirksdiabetologen 1954 parallel zu seiner Hochschultätigkeit baute Prof. Panzram mit Unterstützung der regionalen Ärzteschaft in den Kreisstädten des damaligen Bezirkes Erfurt ein flächendeckendes qualifiziertes diabetologisches Betreuungssystem auf, dessen Grundprinzip der spezia-lisierten Behandlung von DiabetesPatienten nach der politischen Einheit Deutschlands die Voraussetzung für die Versorgung in diabetologischen Schwerpunktpraxen auf vertragsärztlicher Basis wurde.

Als engagierter Hochschullehrer las Prof. Panzram das diabetologische Kolleg und die internistische Differentialdiagnose unter dem Aspekt der klinischen Leitsymptome. Hierbei stellte er hohe Ansprüche an sich und seine Zuhörer. Seine Vorlesungen waren gekennzeichnet durch eine didaktisch hervorragende Aufbereitung, einen präzisen sprachlichen Ausdruck und eine klare Sachinformation, die er andererseits bei der Abfrage studentischen Wissens wieder einforderte.

Erforderte die Erfüllung der Aufgaben als poliklinischer Hochschullehrer den generalistisch orientierten Internisten, so bedurfte seine wissenschaftliche Tätigkeit einer rechtzeitigen Spezialisierung. Es zeugt von seinem wissenschaftlichen Weitblick, frühzeitig erkannt zu haben, dass das staatlicherseits in der damaligen DDR auf Bezirks- und Landesebene eingeführte zentrale Diabetes-Register in Verbindung mit dem Aufbau von Diabetikerberatungsstellen eine originäre wissenschafts-methodische Grundlage für eine langfristig angelegte epidemiologische Diabetes-Forschung darstellt. Durch die geschickte Vernetzung von Querschnittsstudien auf Kohorten und Populationsbasis mit anschließenden Langzeit-Verlaufsstudien konnten bis heute gültige Erkenntnisse zu Verlauf und Prognose des Diabetes mellitus gewonnen werden.

Volkskrankheiten mit sozialmedizinischer Relevanz benötigen einer permanenten Analyse zur Verlaufsbeurteilung und Eruierung von Präventionsmaßnahmen. So konnte bereits 1962 für den damaligen Bezirk Erfurt auf der Basis des zentralen Diabetes-Register für den Zeitraum von 1956–61 der Anstieg der Diabetes-Prävalenz um den Faktor 2, 5 nachgewiesen werden und im weiteren Verlauf die Wertigkeit der Früherfassung des Diabetes durch Screening-Untersuchungen analysiert werden.

Schwerpunkte der Panzramschen Arbeiten waren die Gewinnung grundsätzlicher Erkenntnisse zu Häufigkeit, natürlichem Verlauf und Prognose bei Diabetes mellitus, einschließlich der prognostisch relevanten Einflussfaktoren. Wichtige Erkenntnisse hierzu lieferten die Längsschnittstudie an Diabetes-Patienten mit mindestens 20-jähriger Diabetes-Dauer wie auch die DDR-weite Querschnittanalyse bei mehr als 45-jährigem Krankheitsverlauf zur Erfassung prognostisch benefizieller Faktoren.

Die auf dem zentralen Diabetes-Register beruhende lückenlose Erfassung aller Diabetes-Erkrankungen in einer geschlossenen Population erbrachte erstmals prognose-relevante Daten zur Chronopathologie des Diabetes mellitus in den metabolischen wie vaskulären Auswirkungen. So konnte eindeutig populationsbezogen die kardiovaskuläre Exzessmortalität belegt werden. Frühzeitig wurde auch die Atherogenese als parallel oder beschleunigt zur Diabetogenese ablaufender vaskulärer Prozess erkannt und herausgestellt.

Zahlreiche weitere Themenkomplexe wurden von Prof. Panzram und seinen Mitarbeitern bearbeitet, wie die Rolle der Hyperkoagulabilität bei diabetischen Angiopathien, der Lipidstoffwechsel bei Kurz- und Langzeitdiabetes, die vielfältige Manifestation der autonomen Neuropathie und ihre diagnostische Nachweisbarkeit sowie der MODY-Diabetes, dessen nosologische Heterogenität klar herausgestellt wurde. Frühzeitig und fast parallel zu Keen (1966) wurde auch das Merkmal der physiologischen Proteinurie als Frühsymptom einer diabetischen Nephropathie erkannt und untersucht.

Die vielfältige wissenschaftliche Kreativität von Prof. Panzram umfasst die Publikation von 170 wissenschaftlichen Arbeiten, 3 Monographie-Beiträgen, die Anzahl von über 300 wissenschaftlichen Vorträgen, 60 betreuten Promotionen sowie 13 Habilitationen seiner ehemaligen Mitarbeiter. Drei erhielten eine ordentliche oder ausserordentliche Professur.

Eine solche hier nur begrenzt darstellbare akademische und wissenschaftliche Aktivität findet folgerichtig in Ehrungen und ehrenvolle Mitgliedschaften ihre Anerkennung. Genannt seien hier die Mitgliedschaft im Council der EASD von 1983–1987 sowie in der NIDDM-Policy-Group der EASD 1987 und die Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina 1977. Ferner die Verleihung der Gerhardt-Katsch-Medaille und der Selmar-Asheim Medaille (1988) durch medizinisch-wissenschaftliche Gesellschaften der damaligen DDR sowie der Paul-Langerhans-Plakette der Deutschen Diabetes Gesellschaft 1994. Gemeinsam mit Eric Mogensen wurde ihm 2000 der Hellmut-Mehnert-Preis der Deutschen Diabetes Union verliehen. Die Medizinische Akademie Erfurt anerkannte seine Verdienste als Hochschullehrer durch die Ernennung zum Ehrensenator 1992.

Ein kreativer Geist ist immer in Bewegung mit unterschiedlichem Radius. So nimmt Professor Panzram geistig aufgeschlossen Anteil an der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung sowie an neuen medizinischen wie naturwissenschaftlichen Entdeckungen.

Die intellektuelle Verarbeitung und philosophische Interpretation eines langen, erfahrungsreichen und von persönlichen Schicksalsschlägen nicht freien Lebens beschäftigt ihn und lässt ihn von Zeit zu Zeit schriftlich oder mündlich dazu Stellung beziehen.

Seine Mitarbeiter von einst wünschen dem Jubilar zu seinem Ehrentag eine stabile Gesundheit und weitere frohe Jahre neben seiner Frau Gertrud, die ihm stets den Rücken frei hielt für seine nach außen gerichtete Kreativität und jetzt im Alter dankbar seine Fürsorge entgegen nimmt.