Dtsch Med Wochenschr 2001; 126(28/29): 832
DOI: 10.1055/s-2001-15701
Fragen aus der Praxis
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Hämorrhoiden in der Schwangerschaft

C. Hasse
  • Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2001 (online)

Frage:Eine junge Frau entwickelte während ihrer ersten Schwangerschaft Hämorrhoiden, Stadium IV, die sich post partum nicht zurückbilden. Sie plant eine weitere Schwangerschaft. 1. Zu welchen Zeitpunkt würde man die Entfernung der Hämorrhoiden empfehlen/durchführen (Aktueller Therapiestand)? 2. Wie sieht die Therapieempfehlung bei Hämorrhoidalleiden Stadium IV derzeit aus? 3. Welche Abtragungsmöglichkeiten bestehen außer der Operation nach Milligan-Morgan und Parks? 4. Wird bei erhöhtem Sphinktertonus weiterhin eine Sphinkterotomie empfohlen?

Antwort Zu Frage 1: Ein Hämorrhoidalleiden IV. Grades ist definiert als der fixierte, d. h. irreponible, inkarzerierte, thrombosierte oder fibrosierte krankhaft veränderte Knoten des Corpus cavernosum recti. Die physiologischen Veränderungen insbesondere der Funktion des Rektosigmoids (Obstipation, Meteorismus...) und bestimmte prädisponierende Faktoren gelten als Grundlage dafür, dass während der Schwangerschaft das Hämorrhoidalleiden exazerbiert bzw. erstmals symptomatisch wird.

In der wissenschaftlichen Literatur findet sich keine klinische Studie, die die Frage nach dem optimalen OP-Zeitpunkt exakt beantwortet. Zahlreiche Erfahrungsberichte aus ausgewiesenen Zentren empfehlen jedoch unisono ein zunächst streng konservatives Vorgehen während der Schwangerschaft, nur bei Versagen dieses, eine chirurgische Therapie in Lokalanästhesie. Die elektive Operation sollte also im Intervall, nach der Entbindung und vor der nächsten geplanten Schwangerschaft erfolgen.

Zu Frage 2: Hämorrhoiden diesen Stadiums bedürfen operativer Therapie. Ziel ist es, dass elongierte, prolabierte Hämorrhoidalpolster vollständig abzutragen und die Integrität des Analkanals insbesondere der Mukosa zu erhalten bzw. so schnell wie möglich wiederherzustellen. Dieses kann durch eine Hämorrhoidektomie nach Parks, Ferguson oder Fansler-Arnold (modifiziert nach Müller-Lobeck), die so genannte „Läppchen-Plastik” erfolgen. Auf jeden Fall ist heutzutage neben der Resektion die simultane plastische Rekonstruktion zu fordern. Ein geringerer Schmerzmittelverbrauch, kürzere Rekonvaleszenz und eine deutlich verminderte Rate sensibler Inkontinenz sprechen für diese Verfahren.

Zu Frage 3: Bezug nehmend auf die Beantwortung der 2. Frage gibt es keine Abtragungsmöglichkeit, die nachgewiesenermaßen den genannten Verfahren, so sie von Erfahrenen durchgeführt werden, überlegen sind. Ganz sicher verbietet sich bei Hämorrhoidalleiden IV. Grades die derzeit, z. T. völlig unkritisch eingesetzte, Stapler-Hämorrhoidektomie. Diese ist nur für Hämorrhoidalleiden des Stadium III in ausgewählten Fällen II, indiziert.

Zu Frage 4: In der Vergangenheit wurde die Sphinkteromyotomie als die Therapie der Wahl bei chronischer Analfissur bzw. bei erhöhtem Sphinktertonus propagiert. Man war sogar der Meinung, es wäre durchaus zulässig, bis zu zwei Drittel des M. sphincter ani internus zu durchtrennen, ohne dass dadurch eine Störung der Kontinenz zu befürchten sei. Wir sind Hinweisen in der neueren Literatur und Erfahrungen aus der eigenen Sprechstunde nachgegangen und haben unsere Ergebnisse dahingehend überprüft. Die Daten, die derzeit zur Publikation anstehen, zeigen in Übereinstimmung mit anderen Autoren, dass im 6. und 7. Dezennium in Verbindung mit physiologischen, degenerativen Veränderungen im Bereich des analen Sphinkters sehr wohl, lange Zeit nach der, hinsichtlich der Analfissur durchaus erfolgreichen Operation, die Inkontinenz z. T. höheren Grades droht.

Erhöhter Sphinktertonus muss zunächst hinsichtlich seiner Ätiologie abgeklärt werden. Es kann diesem sowohl ein Hämorrhoidalleiden, eine Proktitis und/oder die verschiedensten Funktionsstörungen zugrunde liegen. Diese sollte man kausal therapieren. Ergänzend können Nitro- bzw. Botulinos-Toxin-Präparate ggf. auch der Analdehner eingesetzt werden. Als ultima ratio gilt die laterale Sphinkteromyotomie, die im Ergebnis analer, digitaler Manometrie sparsam, d. h. höchstens über eine Strecke eines Drittels des Internus durchgeführt werden sollte.

Literatur

Privatdozent Dr C Hasse

Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäßchirurgie

Baldingerstraß

35033 Marburg