Laryngorhinootologie 2004; 83(9): 577-578
DOI: 10.1055/s-2004-825803
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial zur Arbeit Günzel et al. „Tonsillektomienachblutungen im Zeitraum von 1985 bis 2001 und Erfahrungen bei der Anwendung der Lasertonsillotomie bei Kleinkindern”

Editorial Comment on the Paper „Postoperative Bleeding after Tonsillectomy between 1985 and 2001 and Experiences to Perform Lasertonsillotomy”W.  Draf1
  • 1Klinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Kopf-, Hals- und Plastische Gesichtschirurgie, Kommunikationsstörungen, Klinikum Fulda gAG, Akademisches Lehrkrankenhaus der Philipps-Universität Marburg (Direktor: Prof. Dr. W. Draf)
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Publication Date:
16 September 2004 (online)

Die Autoren legen eine zahlenmäßig große Auswertung zur Frage der Nachblutung nach Tonsillektomie mit insgesamt 10 052 Patienten aus einer Universitäts-HNO-Klinik (N = 7663) und aus einer HNO-Klinik der Maximalversorgung (N = 2389) vor. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Auswertung aufgrund einer Befragung der Eltern von 65 Kleinkindern nach Lasertonsillotomie vorgelegt. Auf die erhaltenen Zahlen basieren die Autoren eine Diskussion um die Möglichkeiten der Verkürzung der stationären Liegezeiten bei der Tonsillektomie.

Die Fortführung dieser kontinuierlichen Abwägung von maximalem Patientenkomfort und höchstmöglicher Sicherheit einerseits und andererseits des Wirkungsgrads im Hinblick auf den finanziellen Aufwand gewinnt nach Einführung der Bezahlung nach diagnosebezogenen Gruppen (DRG) an besonderer Bedeutung. Der Gesetzgeber übt damit einen erheblichen finanziellen Druck auf die Leistungserbringer aus, die diese zu einer Erhöhung der Patientenfrequenz bei gleichzeitig verkürzter Liegedauer zwingt. Damit ergibt sich eine spezielle Problematik zwischen der medizinischen Verantwortung des behandelnden Arztes, was das rechtzeitige Erkennen und schnellstmögliche Behandeln von Komplikationen anbetrifft und den wirtschaftlichen Zwängen. Der Gesetzgeber bürdet dem Arzt zusätzlichen ökonomischen Druck auf ohne kompensatorisch seine Haftpflicht zu lockern.

Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit der in Deutschland noch übliche Regelaufenthalt nach Tonsillektomie von 6 postoperativen Tagen infrage gestellt. Während in der Würzburger Universitäts-HNO-Klinik die behandlungsbedürftige Nachblutung bei 1,85 % auftrat und nahezu 80 % der Nachblutungen zwischen 1. und 7. postoperativen Tag lagen, ergab sich aus dem deutlich kleineren Augsburger Krankengut eine operationswürdige Nachblutungsfrequenz von 4,9 % und nur 39,8 % zwischen 1. und 7. postoperativen Tag.

Während des 8. - 15. Tages postoperativ kam es in Würzburg in 21,7 % in Augsburg in 53,9 % zur behandlungsbedürftigen Nachblutung. Eine möglicherweise sehr interessante Analyse zu diesen Unterschieden fehlt in der Arbeit. Erfreulich ist, dass weder im Patientengut der Würzburger noch der Augsburger Klinik ein Todesfall zu verzeichnen war.

Eine Auswertung der Literatur zur Frage, ob es sich bei den Todesfällen in der Mehrheit um eine Folge primärer oder sekundärer Nachblutungen handelt, ist im Manuskript nicht zu finden. Würde es sich bei der Mehrheit der Todesfälle um eine Folge primärer Nachblutung handeln, wäre das ein deutliches Indiz, dass eine längere Liegezeit keine nennenswerte Risikoverminderung erbringt.

Es ist sicher richtig, dass eine frühere Entlassung der Patienten unter Beachtung der von den Autoren angeführten Punkte zu diskutieren ist. Schwierig dürfte es jedoch werden, wenn der individuelle Wunsch des Patienten, einer Verkürzung der postoperativen Liegezeit von 6 Tagen entgegensteht. Der diesbezügliche Umdenkungsprozess hat in Deutschland zwar Fortschritte gemacht, steht jedoch noch im Anfangsstadium. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang eine juristische Hilfestellung inwieweit eine Aufklärung zu den Risiken bei früherer Entlassung den Arzt entlasten kann.

Die zusammenfassende Feststellung, „dass für den stationären Aufenthalt eines Patienten nach Tonsillektomie in der Regel 3 Tage ausreichen dürften,” ist bisher keinesfalls ausreichend durch valide Daten belegt. Hierzu müssen in der Zukunft unbedingt weitere Argumentationsparameter erarbeitet werden. Die vorliegende Arbeit ist ein interessanter Anfang.

Im letzten Teil der Publikation wird über die Auswertung von 65 Kleinkindern nach Lasertonsillotomie berichtet, bei denen in Augsburg keine Nachblutungen aufgetreten sind. Die Auswertung von an die Eltern gesandten Fragebogen ist ausgesprochen positiv verlaufen. In 92 % der Fälle wurde diese Technik von den Eltern als sehr gut bezeichnet. In der Diskussion stützen sich die Autoren auch auf die Erfahrungen der Untersuchungen von Helling u. Mitarb. aus Berlin. Bei 800 Lasertonsillotomierten am Klinikum Benjamin-Franklin, Berlin, sei nur eine Nachblutung aufgetreten.

Aufgrund der guten Erfahrungen am Augsburger Krankengut, wo jedoch in immerhin einem Fall von 65 nach 12 Monaten wegen später einsetzender rezidivierender Tonsillitiden eine konventionelle Tonsillektomie durchgeführt werden musste, kommen die Autoren zu dem Schluss, dass bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr mit symptomatischer Tonsillenhyperplasie wegen der geringen Nachblutungsgefahr lediglich eine Lasertonsillotomie durchgeführt werden sollte.

Hier ist kritisch zu hinterfragen, ob ein neues chirurgisches Instrument, nämlich die Verwendung des Lasers, eine grundsätzliche Änderung hinsichtlich der Gefahr von postoperativen Tonsillitiden bzw. Peritonsilliarabszessen, wie vor vielen Jahren, als die Tonsillotomie schon einmal propagiert wurde, mit sich bringt und die damit bedingten Gefahren wirklich reduziert.

Es ist zu befürworten, dass in entsprechenden Zentren Erfahrungen gesammelt, auch weiter histologische Untersuchungen durchgeführt werden und vor allem die Patienten wenigstens 10 Jahre nachbeobachtet werden. Nur so ist zu objektivieren, ob die Lasertonsillotomie bei symptomatischen hyperplastischen Tonsillen als Methode der Wahl anzusehen ist, da eine Nachblutung selten auftritt.

Prof. Dr. med. W. Draf

Klinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Kopf-, Hals- und Plastische Gesichtschirurgie

Klinikum Fulda gAG · Pacelliallee 4 · 36043 Fulda

Email: wdraf@aol.com

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