Laryngorhinootologie 1981; 60(12): 601-608
DOI: 10.1055/s-2007-1008800
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Pathophysiologie und Klinik des Morbus Menière

Pathophysiology and Clinic of Menière's DiseaseW. Arnold*
  • Hals-Nasen-Ohrenklinik und Poliklinik der Universität München, Klinikum Großhadern (Direktor: Prof. Dr. H. H. Naumann)
* Mit Unterstützung der DFG Ar 120/4
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Histologische Untersuchungen an Felsenbeinen von Patienten mit Morbus Menière zeigen als typische Veränderungen eine hydropsartige Erweiterung bestimmter Anteile des Endolymphschlauches. Die Ursache dieser endolymphathischen Flüssigkeitsansammlung liegt mit großer Wahrscheinlichkeit darin, dass das Hauptresorptionsorgan für die Endolymphe, nämlich der Saccus endolymphaticus durch eine Atrophie funktionell ausfällt. Die morphologischen Kennzeichen dieser Atrophie bestehen in einer Fibrosierung der perisacculären Gewebsschichten, einem Verlust an Kapillaren und/oder in einer fibrotischen bis knöchernen Obliteration des Ductus endolymphaticus. Stria vascularis und Planum semilunatum liefern weiterhin Kalium in die Endolymphe, was einen Anstieg des osmotischen Drukkes innerhalb der Endolymphräume hervorrufen muß. Die Entstehung des Hydrops könnte nun so erklärt werden, dass Wasser aus der Umgebung (z.B. Perilymphe) so lange in die Endolymphräume einströmt, bis kein osmotisches Druckgefälle mehr besteht. Abhängig von der Elastizitätskapazität der endolymphatischen Grenzmembranen (Reissnersche Membran, Sacculuswand, Utriculuswand) kommt es irgendwann zu einer Ruptur dieser Wandstrukturen, kaliumreiche Endolymphe strömt in die Perilymphräume ein und führt zu einer Intoxikation der dort frei und ungeschützt verlaufenden Axone. Da derartige Rupturen überall im Bereich der Cochlea und des Vestibularorgans vorkommen können, erklären sich daraus das uneinheitliche audiometrische Muster und die wechselnden vestibulären Zeichen. Die Hypothese von der osmotisch bedingten Wasseransammlung in den Endolymphräumen wird gestützt durch die Beobachtung der sich verändernden klinischen Symptomatik bei Gabe von Glyzerin. Während der Pathomechanismus der Hydropsentstehung und, daraus sich ableitend, das unterschiedliche klinische Bild des Morbus Menière sich heute erahnen lassen, so bleibt doch die Ätiologie und Pathogenese dieses klinischen Syndroms völlig unklar. Nur unter diesen Aspekten ist auch der nie voraussagbare Erfolg einer nach wie vor polypragmatischen konservativen oder chirurgischen Therapie beim Morbus Menière verständlich.

Summary

The most prominent changes in temporal bone histopathology of Menière's disease are hydrops-like extensions of the endolymphatic spaces. The endolymphatic hydrops seems to be the consequence of a diminished function or complete atrophy of the endolymphatic sac. The etiology or pathomechanism of perisaccular fibrosis or saccular degeneration is unknown. But as a consequence of experimental datas obtained by animal studies the pathogenesis of the endolymphatic hydrops can be explained by osmotic active forces which develope within the endolymphatic spaces after blockage of the endolymphatic aqueduct or sac: An increasing concentration of osmotic active endolymphatic components cause an influx of water from the perilymphatic (extracellular) environment so that the limiting membranes of the endolymphatic space have to extend (e.g. Reissner's membrane, saccular membrane). At any topographic location of the endolymphatic spaces these membranes can rupture followed by intermixing of potassium-rich endolymph with sodium rich perilymph. This leads to an acute or chronic intoxication of those sensory nerve elements which have close contact to perilymphatic fluid. The hypothesis of an osmotic induced accumulation of “water” during endolymphatic hydrops is supported by sometimes striking results of the glycerol test. Nevertheless, the pathogenesis and etiology of Menière's disease remains obscure, as indicated by the diverging spectrum of the different conservative or surgical therapeutic methods in use.

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