Laryngorhinootologie 1998; 77(12): 700-708
DOI: 10.1055/s-2007-997227
Phoniatrie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Perzeptive und apparative Untersuchung der Stimmqualität bei Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten

Perceptive and Apparative Evaluation of Voice Quality in Cleft Palate PatientsT. Bressmann1 , R. Sader1 , M. Merk2 , W. Ziegler3 , R. Busch4 , H.-F. Zeilhofer1 , H.-H. Horch1
  • 1Klinik und Poliklinik für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Technischen Universität München (Direktor: Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. H.-H. Horch), Klinikum rechts der Isar, München
  • 2Institut für Nachrichtentechnik, Universität der Bundeswehr, München
  • 3Entwicklungsgruppe für Klinische Neuropsychologie, Städtisches Krankenhaus München-Bogenhausen
  • 4Institut für medizinische Statistik und Epidemiologie der Technischen Universität München, Klinikum rechts der Isar, München
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Publication History

Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: In der anglo-amerikanischen Literatur werden Häufigkeiten von Stimmstörungen bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalt-(LKG)-Patienten von bis zu 41% beschrieben. Aufgrund der erheblichen Variabilität der Ergebnisse und da für den deutschen Sprachraum bisher keine vergleichbare Untersuchung existiert, wurde eine Screening-Untersuchung durchgeführt. Methode: Untersucht wurden 154 Patienten mit LKG. Die perzeptive Beurteilung der Stimmqualität der Patienten wurde nach dem rbh-System (Rauhigkeit, Behauchtheit, Heiserkeit) vorgenommen. Zusätzlich wurden Suprasegmentalia und nasale Resonanz auditiv bewertet. Mit einem neuen Computerprogramm für die apparative Stimmqualitätsanalyse wurden Stimmgrundfrequenz, Lautstärke und Signalpertubationsquotienten (Jitter und Shimmer) für 4 gehaltene Vokale ermittelt. Ergebnisse: Aufgrund der perzeptiven Analyse fanden wir, dass die Prävalenz von schweren Stimmstörungen bei den LKG-Patienten mit 6,5% deutlich niedriger war, als in den meisten anderen Studien berichtet. Stimmstörungen treten damit bei Patienten mit LKG numerisch nur geringfügig häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Die akustischen Maße bestätigten die Ergebnisse der perzeptiven Analyse. Vor dem Hintergrund der geringen Auftretenshäufigkeit schwerer Dysphonien differenzierte keiner der verwendeten Pertubationsquotienten deutlich zwischen modalen und gestörten Stimmen. Nur für den Jitterquotienten zeigte sich ein schwacher statistischer Zusammenhang mit den Heiserkeitsratings. Schlußfolgerung: 1.Während aufgrund der speziellen Problematik bei LKG-Patienten von einer potentiell erhöhten Vulnerabilität für Stimmstörungen ausgegangen werden muß, ist die tatsächliche Prävalenz von Stimmstörungen in der untersuchten Population gegenüber der Normalbevölkerung nur geringgradig erhöht. 2. Beim Vorliegen einer Dysphonie ist die apparative Stimmqualitätsanalyse eine sinnvolle und praktikable Ergänzung der perzeptiven Analyse, die es ermöglicht, für jeden Patienten ein individuelles Leistungsprofil zu erstellen und therapeutische Entscheidungen zu erleichtern.

Summary

Background: In Anglo-American literature, prevalences as high as 41% are reported for voice disorders in cleft lip and palate (CLP) patients. Because of considerable variability in the reported findings and because no prevalence data are available for the German-speaking area, a screening study was conducted. Method: 154 patients with CLP were examined. Voice quality was assessed perceptively according to the rbh-system (roughness, breathiness, hoarseness). Suprasegmentals and nasal resonance were also assessed. Using a new computer programme for the apparative analysis of voice quality, data for pitch, intensity and pertubation (jitter and shimmer) were obtained for 4 sustained vowels. Results: Based on perceptual analysis, we found that the prevalence of severe voice disorders in CLP patients was 6.5% which is lower than reported in most other studies. The incidence of voice disorders in CLP patients is numerically only slightly higher than in the normal population. The acoustic measurements confirm the results of perceptual analysis. Since the prevalence of severe voice disorders was low, none of the pertubation quotients differentiated between modal and disordered voices. A weak correlation was found between jitter and the ratings for hoarseness. Conclusions: 1. While it is appropriate to assume a higher potential risk for vocal dysfunction in CLP patients the actual prevalence in the patients examined is numerically only slightly higher than in normals. 2. For patients with voice disorders, apparative diagnostics of voice quality is a useful and practical adjunct to perceptual analysis which helps profiling individual patients and helps the professional to make decisions for therapy.

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