Laryngorhinootologie 1998; 77(12): 709-714
DOI: 10.1055/s-2007-997228
Phoniatrie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Auditorische sprachevozierte Hirnrindenpotentiale bei Patienten mit Stottersyndromen

Auditory Speech-Evoked Cortical Potentials in StutterersF. Rosanowski1 , U. Hoppe2 , Th. Hies1 , M. Moser1 , U. Pröschel3 , U. Eysholdt1
  • 1Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie (Vorstand: Prof. Dr. Dr. U. Eysholdt), Klinikum der Universität Erlangen-Nürnberg
  • 2Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (Direktor: Prof. Dr. H. Iro), Universität des Saarlandes
  • 3Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie (Direktorin: Prof. Dr. U. Pröschel), Klinikum der Universität Heidelberg
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Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: Die Ätiologie und die Pathogenese des Stotterns sind nur ungenügend aufgeklärt. In der Klinik hat sich die Annahme einer multifaktoriellen Genese mit organischen, psychischen und sozialen Komponenten bewährt. Als mögliche organische Ursache des Stotterns gilt eine gestörte zerebrale Hemisphärendominanz, andere Theorien fokussieren mehr auf sprachmotorische Defizite. Aktuelle Untersuchungen mit funktionell bildgebenden Verfahren stützen die Organtheorien zur Stottergenese. Gegenstand dieser Untersuchung ist die Frage, ob bei Stotterern die sprachevozierten Hirnrindenpotentiale gegenüber Gesunden verändert sind und ob damit ein elektrophysiologisches Korrelat der gestörten rezeptiven Sprachfunktion bei den betroffenen Patienten gefunden werden kann. Patienten und Methode: Es wurden 10 junge Erwachsene im Alter von 16 bis 43 Jahren mit einem seit dem Kleinkindalter bestehenden Stottersyndrom untersucht. Durch Ton-, Wort- und Rauschreize evozierte kortikale Potentiale wurden nach einer bereits andernorts ausführlich beschriebenen Methode abgeleitet und ausgewertet. Ergebnisse: Es bestand keine Korrelation zwischen der klinischen Symptomatik und den abgeleiteten Potentialen. Nur in einem Fall war das Potentialbild unauffällig, in allen anderen Fällen wurden sehr heterogene elektrophysiologische Befunde erhoben. Sie betrafen in unterschiedlichem Ausmalß sowohl die Ton- wie auch die Wort- und die Rauschreizantworten ohne eine eindeutige Tendenz. Auch Seitenunterschiede zwischen beiden Hemisphären wurden gesehen. Schlußfolgerung: In Übereinstimmung mit den Ergebnissen anderer Untersuchungsverfahren lassen die erhobenen Befunde den Schluß zu, dass dem Stottern eine organische, zentralnervöse Ursache zu Grunde liegt. Offenbar finden sich organische Stotteräquivalente in Projektion auf motorische und rezeptive Hirnareale. Das Stottern sollte daher nicht mehr nur als eine isolierte Redeflußstörung angesehen werden, sondern als eine wahrscheinlich auf einer hirnorganischen Störung beruhende komplexe Sprachstörung. Die besonderen psychosomatischen Aspekte bei der Krankheitsbewältigung durch die betroffenen Patienten bleiben davon unberührt.

Summary

Background: The cause of stuttering is unknown. For clinical purposes it proved to be useful to assume a multifactorial genesis with organic psychological and social aspects. A longstanding organic theory focussed on the failure to develop left-hemispheric dominance for speech, whereas others favoured deficits of the speech motor system. Positron emission tomography (PET) studies support organic theories for the development of stuttering. The purpose of this study was to find out whether in stutterers auditory cortical potentials evoked by pure tones, noise and words are different to those of healthy controls. Patients and Methods: 10 young adults having suffered from stuttering since infancy were examined. The potentials were measured and analysed as previously described. Results: No correlation of clinical and electrophysiological findings were found. In one case the evoked potentials were normal, in all other patients heterogeneous results were obtained in respect of tone-evoked and both noise- and speech-evoked potentials. Cortical hemispheric differences could be detected. Conclusions: In agreement with PET findings reported in the literature the data obtained in this study indicate an organic, central nervous cause of stuttering. Obviously both speech motoric components and perception elements are affected. These facts have to be taken into account whenever a psychological cause of stuttering is suspected. Nevertheless, psychosomatic aspects of the disturbances must be considered since they influence the patients' ability to cope with their symptom.

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