Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2018; 28(01): 58
DOI: 10.1055/s-0038-1625777
Sitzung 4
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Belastungsspezifische Patellar- und Achillessehnenanpassung in vivo: strukturelle Integrität oder Funktion

HP Wiesinger
1   Department of Sport Science and Kinesiology, University of Salzburg
,
F Rieder
1   Department of Sport Science and Kinesiology, University of Salzburg
2   Institute of Physical Medicine and Rehabilitation, Paracelsus Medical University, Salzburg
,
A Kösters
1   Department of Sport Science and Kinesiology, University of Salzburg
,
E Müller
1   Department of Sport Science and Kinesiology, University of Salzburg
,
O Seynnes
3   Department of Physical Performance, Norwegian School of Sport Sciences, Oslo, Norway
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
15. Februar 2018 (online)

 
 

    Sehnen übertragen Muskelkräfte, doch ihre viskoelastische Eigenschaft kann auch die Bewegungseffizienz und Muskelperformance erhöhen, oder das Verletzungsrisikos reduzieren. Diese duale Anforderung, hohen Zugkräften bei adäquater Dehnung zu widerstehen, resultiert in einem Balanceakt zwischen ihrer struktureller Integrität und Funktion. Anpassungen an veränderte mechanische Belastungen sind somit essentiell in der Aufrechterhaltung der Bewegungseffizienz sowie der Verwundbarkeit des Bindegewebes. Doch der derzeitige Kenntnisstand makroskopischer Sehnenanpassungen bleibt fragmentiert. Diese Studie zeigt anhand einer Metaanalyse i) die Dosis-Wirkung-Beziehung, ii) den zeitlichen Verlauf und iii) in einem hypothetischen Modell die relative Verteilung mechanischer, morphologischer oder materieller Anpassungen der Patellar- (PT) und Achillessehne (AT) an erhöhte mechanische Belastung. Ein Querschnittsvergleich von Top-Athleten zeigte den Einfluss jahrelang stark unterschiedlicher Belastungen hinsichtlich Sehnenfunktion und struktureller Integrität. Männliche Athleten (n = 39; 27,3 ± 5,7 Jahre), unterteilt in vier Gruppen [(Skispringer (SS), Langstreckenläufer (LL), Wasserballspieler (WBS) und Kontrollgruppe (KG)], wurden durch eine Kombination von Ultraschall, Dynamometrie, EMG und 2D Bewegungsanalyse getestet. Folgende PT und AT Parameter werden präsentiert: Steifigkeit, normalisierte Querschnittsfläche (nCSA), Hysterese und zurückgegebene Energie. Erhöhte mechanische Sehnenbelastung resultiert in einem systematischen Zuwachs der Sehnensteifigkeit. Sowohl zwischen den, als auch innerhalb der Trainingsstudien findet sich eine bedeutende Variabilität und weder die Dosis-Wirkung-Beziehung noch der zeitliche Anpassungsverlauf der verschiedenen Sehnenparameter spiegelt sich in einem klaren Anpassungsmuster wieder. Langzeittraining (Jahre) zeigte ähnlich erhöhte Steifigkeitswerte wie die Trainingsstudien (Wochen bis Monate), doch anstelle von veränderter Materialeigenschaft wurde die erhöhte Sehnensteifigkeit mit Querschnittsflächenzunahmen assoziiert. Die Querschnittsstudie zeigte kleinere nCSA in WBS als in anderen Athleten (AT und PT; -24% zu -28%) oder der KG (nur PT; -9%). Bei Läufern (nur PT; +26%) und SS (PT und AT +21% bzw. +13%) war die nCSA größer als in der KG. Allerdings, unterschied sich nur die Sehnensteifigkeit der SS von jener der KG (PT und AT; +11% bzw. +27%) und der WBS (nur AT; +23%). Die Hysterese der PT war in den SS (-33%) und den LL (-30%) geringer als in der KG. Die zurückgegebene Energie war in den SS höher als in den WBS und der KG (PT +55% bzw. +52% und AT +32% bzw. +36%) und den LL (nur PT; +40%). Die Sehne reagiert auf erhöhte mechanische Beanspruchung mit einer Änderung der Querschnittsfläche. Diese morphologische Anpassung scheint die Sehnenstärke und ihre Ermüdungsresistenz zu bewahren. Allerdings zeigte eine Entkoppelung von morphologischen und mechanischen Sehneneigenschaften, dass auch funktionelle Anforderungen adaptationsrelevant sind.


    #