Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2018; 53(S 01): S13-S14
DOI: 10.1055/s-0038-1675499
Abstracts
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

„Wenn ein Zebra auf der ICU vorbeischaut“ Hämophagozytierende Lymphohistiozytose (HLH) – als wichtige Differentialdiagnose auf der ICU

S Semmelrock
1   Abteilung Anästhesiologie und Intensivmedizin Klinikum Klagenfurt am Wörthersee
,
B Milla
1   Abteilung Anästhesiologie und Intensivmedizin Klinikum Klagenfurt am Wörthersee
,
R Likar
1   Abteilung Anästhesiologie und Intensivmedizin Klinikum Klagenfurt am Wörthersee
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Publication History

Publication Date:
14 November 2018 (online)

 
 

    Hintergrund:

    Ein Multiorganversagen bei Sepsis ist eine häufige Diagnose auf einer anästhesiologischen Intensivstation. Aber auch seltenere Krankheitsbilder, welche als schwere Infektion imponieren können, muss man als Differentialdiagnose berücksichtigen, damit keine lebensrettende Therapie verabsäumt wird.

    Patient:

    Alter: 18/Geschlecht: weiblich/Arbeitsdiagnose: akutes Leberversagen bei Sepsis/Zuweisung von der internistischen Abteilung.

    Falldarstellung:

    Allgemeinzustand: Die Patientin präsentierte sich wach, orientiert, normoton mit einer Herzfrequenz von 100/min, tachypnoisch mit Sauerstoffbedarf.

    Sonografie: Hier zeigten sich beidseitige Pleuraergüsse, ein geringgradiger Perikarderguss, Aszites sowie eine Hepatosplenomegalie.

    Aufnahmelabor: Neben erhöhten Entzündungsparametern, Herz- und Leberenzymen wurden auch eine Panzytopenie, sowie ein derangierter Gerinnungsstatus festgestellt. Die Werte waren vereinbar mit einem septischen Zustandsbild.

    Widersprüchlich zur Arbeitsdiagnose zeigte sich die erweiterte Anamnese mit einer vor zweieinhalb Monaten durchgemachten EBV Infektion und seither rezidivierenden Fieberepisoden mit Lymphknotenschwellung ohne Fokus. Eine schon erfolgte Lymphknotenbiopsie war unauffällig. Zur Diagnosefindung wurden daher eine erweiterte Labordiagnostik inklusive Antikörperstatus, Eisenstatus, VirusPCR, sowie Knochenmarks- und Leberbiopsie veranlasst. Aufgrund der bestehenden Klinik und einem massiv erhöhten Ferritinspiegel > 40.000 ng/ml gemeinsam mit einer Hypertriglyceridämie und Panzytopenie wurde die Patientin mit der Verdachtsdiagnose HLH an die Kinderonkologische Abteilung der Universitätsklinik Innsbruck verlegt. Die ausstehenden Befunde (löslicher Interleukin-2 Rezeptor/Biopsieergebnisse) konnten die klinische Verdachtsdiagnose bestätigen. Alle acht Punkte der Diagnosekriterien wurden erreicht [1]. Aufgrund des Alters wird eine erworbene Form (EBV-Infektion getriggert) vermutet. Die genetische Abklärung ist derzeit noch ausständig. Unter Therapie gemäß „HLH-94 Therapieprotokoll“ kam es zu einer raschen Besserung des Allgemeinzustandes, sowie einem Rücklauf sämtlicher Laborparameter.

    Diskussion:

    Die Hämophagozytierende Lymphohistiozytose ist eine genetisch bedingte oder erworbene lebensbedrohliche Erkrankung, bei der es zu einer überschießenden Immunreaktion kommt. Sie betrifft größtenteils Kinder, kann aber in jedem Alter auftreten. Das klinische Bild ist sehr variabel und kann das einer Sepsis imitieren. Charakteristisch sind die Symptomentrias: prolongiertes Fieber, Hepatosplenomegalie, Panzytopenie. Unbehandelt besteht eine hohe Mortalität. Daher haben ein rasches Erkennen und eine spezifische Behandlung Priorität. Unter Therapie kann die Überlebensrate auf durchschnittlich 58% gesteigert werden. [2,3]

    Schlussfolgerung:

    Auch seltene Differentialdiagnosen müssen berücksichtigt werden, um lebensrettende Therapien rechtzeitig anzubieten.

    Literatur:

    [1] Henter JI, Horne A, Arico M, Egeler RM, Filipovich AH, Imashuku S, et al. HLH-2004: Diagnostic and therapeutic guidelines for hemophagocytic lymphohistiocytosis. Pediatr Blood Cancer 2007;48:124 – 31.

    [2] Henter Jl, Elinder G, Söder O. Incidence in Sweden and clinical features of familial hemophagocytic lymphohistiozytosis. Acta Paediatr Scand 1991; 80:428.

    [3] Riviere S, Galicier L, Coppo P, et al. Reactive hemophagocytic syndrome in adults: a retrospective analysis of 162 patients. AM J Med 2014; 127:1118


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