Gesundheitswesen 2019; 81(03): 243
DOI: 10.1055/s-0039-1679297
Vorträge
Fachausschuss Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Inanspruchnahme freiwilliger Test-und Beratungsangebote für sexuell übertragbare Krankheiten bei Sexarbeitern vor und nach Einführung der verpflichtenden Gesundheitsberatung nach §10 ProstSchG

E Thumm
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
S Minkwitz
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
L Eichner
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
S Brockmann
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
M Eichner
2   Universität Tübingen, Institut für klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, Tübingen, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
05 April 2019 (online)

 
 

    Hintergrund:

    Das Kreisgesundheitsamt Reutlingen bietet seit 2007 wöchentlich eine kostenlose anonyme Sprechstunde an, in der sich Prosituierte beraten, auf sexuell übertragbare Krankheiten untersuchen, und gegen Hepatitis B impfen lassen können (§19 IfSG). Seit Einführung des ProstSchG (2017) findet im Landkreis durch das Gesundheitsamt auch die verpflichtende Gesundheitsberatung nach §10 ProstSchG statt.

    Wir untersuchten, ob sich durch die Einführung der verpflichtenden Gesundheitsberatung nach §°10 ProstSchG die die Inanspruchnahme der anonymen Beratung nach §19 IfSG verändert hat.

    Material und Methoden:

    Die Daten der anonymen Sprechstunde nach §19 IfSG wurden von 2010 bis 2018 erfasst. Von jeder Besucherin wurde Geburtsdatum, Geburtsland und aktuelle Nationalität sowie Hepatitis B-Impfstatus erfasst. Kostenlose Untersuchungen wurden auf Gonokokken und Chlamydien, auf HIV und Syphilis sowie auf Hepatitis B (Hbs-Ag, Anti-HBc) und C (Anti-HCV) angeboten. Eine Impfung gegen Hepatitis B wurde bis zum 31.10.2017 kostenpflichtig und seit 01.11.2017 kostenlos angeboten.

    Ergebnisse:

    Im vorläufigen Untersuchungszeitraum (Stand September 2018) wurde die Sprechstunde 3.805 Mal von 623 Frauen besucht. Wir werden die erfassten Variablen graphisch darstellen und am Ende des Untersuchungszeitraums vergleichen, ob sich die erfassten Daten in den Zeiträumen vor und nach Einführung des ProstSchG signifikant unterschieden und ob es Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang mit der Einführung des ProstSchG gibt.

    Diskussion und Zusammenfassung:

    In dem vorläufigen Datensatz deutet sich an, dass sich die Anzahl der Erst- und Folgekontakte der anonymen Sprechstunde in den Jahren 2017 und 2018 nicht wesentlich von den Vorjahren unterscheidet. Es scheint, dass die Frauen, die in den vergangenen 2 Jahren die Sprechstunde besucht haben deutlich älter sind, als Frauen im Vergleichszeitraum davor. Gleichzeitig scheint das Alter aber hochgradig abhängig vom Herkunftsland der Frauen zu sein. Da sich das Herkunftsland der Besucherinnen in periodischen Zeitabständen regelmäßig ändert scheint die Veränderung beim Alter der Besucherinnen eher auf das Herkunftsland zurück führen sein (Confounder). Ferner deutet sich an, dass langjährige deutsche Sprechstundenbesucherinnen seit Einführung des ProstSchG der anonymen Sprechstunde fern bleiben. In Einzelgesprächen wurde von diesen Prosituierten berichtet, dass sowohl Bedenken bestehen, dass durch die Anzeige- und Beratungspflicht nach ProstSchG ihr soziales Umfeld von der Tätigkeit erfahren könnten und eine „Verknüpfung“ mit der Inanspruchnahme der anonymen Sprechstunde befürchtet wird.

    Die detaillierte Auswertung der bisher noch vorläufigen Zahlen soll es ermöglichen verschiedene Aspekte zu diskutieren.


    #