Gesundheitswesen 2019; 81(03): 245-246
DOI: 10.1055/s-0039-1679303
Vorträge
Fachausschuss Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Tuberkulose in Frankfurt am Main 2008 – 2016: Molekularbiologische Aspekte der Epidemiologie

S Corell
1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main, Infektiologie und Hygiene, Frankfurt am Main
,
M Merker
2   Forschungszentrum Borstel, Molekulare und experimentelle Mykobakteriologie, Borstel, Germany
,
S Niemann
2   Forschungszentrum Borstel, Molekulare und experimentelle Mykobakteriologie, Borstel, Germany
,
R Gottschalk
1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main, Infektiologie und Hygiene, Frankfurt am Main
,
U Götsch
1   Gesundheitsamt Frankfurt am Main, Infektiologie und Hygiene, Frankfurt am Main
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
05. April 2019 (online)

 
 

    Hintergrund:

    Die aktive Erkrankung an Tuberkulose entwickelt sich oft erst viele Jahre nach der Infektion. Daher ist die Ansteckungsquelle häufig schwer zu ermitteln. Clusteranalysen geben Aufschluss über Infektionsketten und können so dazu beitragen, erhöhte Übertragungsrisiken zu erkennen und Umgebungsuntersuchungen effizienter zu gestalten.

    Methoden:

    Von 2008 – 2016 wurden in Frankfurt am Main 988 Fälle von Tuberkulose gemeldet. Bei 742 Patienten (76%) lag ein kulturell positiver Befund vor. In Kooperation mit dem nationalen Referenzzentrum für Mykobakterien in Borstel wurden davon 616 Stämme (83%) mittels MIRU-VNTR (Mycobacterial interspersed repeat units-variable number tandem repeats) und Spoligotyping (spacer oligonucleotide typing) typisiert. Stämme mit gleichem Genotyp bilden sogenannte Cluster, bei denen aufgrund der engen genetischen Verwandtschaft der Mykobakterien davon auszugehen ist, dass die zugehörigen Patienten Teil einer gemeinsamen Infektionskette sind. Wir analysierten patientenbezogene Daten als Risikofaktoren für die Clusterzugehörigkeit in einer uni- und multivariaten Analyse mittels logistischer Regression.

    Ergebnisse:

    Eine Clusterzughörigkeit war bei 175 von 616 Stämmen (28,6%) nachzuweisen. Die Clustergröße variierte von 2 bis 17. Daraus ergibt sich ein Anteil rezenter Übertragungen von 18,7%. In der multivariaten Analyse waren folgende Faktoren mit einer Clusterzugehörigkeit assoziiert: intravenöser Drogenkonsum OR (odds ratio) 3,5 [95% Konfidenzintervall (KI) 1,7 – 7,1], Geburtsland Deutschland OR 2,6 [95% KI 1,5 – 5], männliches Geschlecht OR 2,2 [95% KI 1,4 – 3,3], Alter gegenüber der Referenzgruppe der > 52,5-jährigen: Altersgruppe 0 – 27,79J. OR 2,4 [95%KI 1,3 – 4,2], Altersgruppe 27,8 – 37,99J OR 1,7 [95% KI 1,0 – 3,1], Altersgruppe 38 – 52,49J. OR 2,4 [95%KI 1,4 – 3,3].

    Schlussfolgerung:

    Nur ein geringer Anteil der in Frankfurt gemeldeten Tuberkuloseerkrankungen ist Folge rezenter Übertragungen. Sie betreffen relativ häufiger in Deutschland Geborene, Männer, iv-Drogenabhängige und Jüngere. Kontaktpersonen von Tuberkulosepatienten, die eine Kombination dieser Merkmale tragen, sollten bei Nachweis einer latenten Tuberkuloseinfektion besonders dringlich auf das Erkrankungsrisiko und die Möglichkeit einer Chemoprävention hingewiesen werden. Ein relevantes Tuberkulose-Infektionsrisiko für die Frankfurter Bevölkerung durch Flüchtlinge ist nicht erkennbar.


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