Gesundheitswesen 2019; 81(03): 260-261
DOI: 10.1055/s-0039-1679342
Vorträge
Fachausschuss Infektionsschutz
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kopfläuse – brauchen wir die Benachrichtigungspflicht nach §34 IfSG wirklich?

J Fritz
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
L Eichner
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
M Hofer
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
P Rück
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
,
M Eichner
2   Universität Tübingen, Institut für klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie, Tübingen, Germany
,
S Brockmann
1   Landratsamt Reutlingen/Kreisgesundheitsamt, Gesundheitsschutz, Reutlingen
› Author Affiliations
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Publication History

Publication Date:
05 April 2019 (online)

 
 

    Hintergrund:

    Kopflausbefall ist laut §34 IfSG von Gemeinschaftseinrichtungen (GEs) an das Gesundheitsamt zu melden und es besteht ein Betretungsverbot von Betroffenen für GEs bis zur Behandlung. Die Meldedaten werden nicht an die Landesbehörden übermittelt, sondern verbleiben bei den Gesundheitsämtern. Daher liegen wenig systematische Erkenntnisse über die Epidemiologie der Kopfläuse vor. Mitarbeiter der Gesundheitsämter müssen für die Verarbeitung der Meldung, die Ermittlung und Beratung viel Zeit aufwenden. Ziel dieser Untersuchung war es einen besseren Einblick in die Epidemiologie der Kopfläuse zu bekommen um die Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Benachrichtigungspflicht auf solide Beine stellen zu können.

    Material und Methoden:

    Wir erfassten systematisch alle Kopflausmeldungen aus GEs im Landkreis (Einzelfälle und Häufungen) im Zeitraum von 2011 – 2016. Die Meldedaten wurden in Bezug auf Geschlecht, Altersgruppe, Saisonalität, Vorkommen von Häufungen und Meldeverhalten der einzelnen GEs untersucht.

    Ergebnisse:

    Jährlich wurden im Untersuchungszeitraum zwischen 256 und 561 Fälle gemeldet (gesamt 2.032), Davon 638 (31%) in insgesamt 225 Häufungen (2 – 15 Fälle). 1/3 der Fälle wurden aus der vorschulischen Betreuung gemeldet. Im gesamten Meldezeitraum haben nur 60% der GEs jemals gemeldet (von durchschnittlich 408 GEs nur 246) und 19% der GEs meldeten in den 6 Jahren nur einen einzigen Fall. Die meisten Fälle (51%) traten im Alter zwischen 5 und 9 Jahren auf. Mädchen waren 3 mal so häufig betroffen wie Jungen, dies stellt sich für alle Altersgruppen ähnlich dar. Die Anzahl der Neumeldungen (Inzidenz) pro Jahr bezogen auf 10.000 Kinder in der Altersgruppe von 3 – 5 Jahren betrug 102, von 6 – 9 Jahren 131 und von 10 – 15 Jahren 64. Die Meldezahlen blieben über das Jahr (Dezember–Juli) relativ konstant. Nach der Sommerferienzeit war jeweils ein Anstieg der Fallzahlen (Sep–Nov) zu beobachten, der aber bei Winterbeginn wieder ausgeglichen wurde.

    Diskussion und Schlussfolgerung:

    Die vorliegenden Daten zeigen, dass Kopflausmeldungen häufig sind, gleichzeitig aber ein erheblicher Anteil der GEs (ca 50%) seltenst (1x in 6 Jahren) oder nie meldet. Der Grund des Anstiegs der Meldungen im Herbst (nach den Sommerferien) könnte nicht jahreszeitlich bedingt sein, sondern der Aufmerksamkeit der Einrichtungen geschuldet sein. Hierfür spricht, dass die Zahlen in den Wintermonaten Jan-März wieder fallen und ähnlich hoch sind wie die des Frühjahrs/Sommers. Da die Hälfte der GEs im Landkreis anscheinend ohne eine Meldung und Beratung bei Kopfläusen auskommt, und nicht davon auszugehen ist, dass diese GEs in einer „kopflausfreien Zone“ liegen, stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit der Benachrichtigungspflicht. Vor dem Hintergrund dass über die DEMIS Einführung in den kommenden Jahren nach unserer Einschätzung eher mit einer verbesserten Meldecompliance zu rechnen ist, sollte die Notwendigkeit der Benachrichtigungspflicht für Kopfläuse dringend diskutiert werden.


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