Suchttherapie 2019; 20(S 01)
DOI: 10.1055/s-0039-1696218
Symposien
S35  Merkmale abhängigen und missbräuchlichen Verhaltens bei Internetbezogenen Störungen
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

ICD-11: Gibt es eine Evidenz für schädlichen Gebrauch von Online-Spielen oder sozialen Netzwerken?

D Brandt
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
A Trachte
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
B Besser
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
S Orlowski
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
A Bischof
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
G Bischof
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
HJ Rumpf
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
T Stamer
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
H Hoffmann
1   Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
,
U John
2   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
,
C Meyer
2   Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Sozialmedizin und Prävention
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
03. September 2019 (online)

 
 

    Einleitung In der elften Neuauflage der International Classification of Diseases (ICD-11) ist als verhaltensbezogene Abhängigkeit Gaming Disorder (GD) aufgenommen worden. Nicht in ICD-11 explizit genannt, aber häufig als möglicherweise ebenfalls relevant wird eine Social Network Use Disorder (SNUD) diskutiert. Eine Unterscheidung zwischen Abhängigkeit und schädlichem Gebrauch findet in der ICD-11 lediglich für substanzgebundene Störungen statt. Der Beitrag untersucht, ob bei Online-Spielen und Nutzen sozialer Netzwerke ein schädliches Gebrauchsmuster identifiziert werden kann.

    Methode Die Daten stammen aus einer allgemeinbevölkerungsbezogenen Teilstichprobe sowie zwei Stichproben, die in Arbeitsagenturen und Berufsschulen rekrutiert wurden. Teilnehmer*innen die in einem Screening mindestens 21 Punkte in der Compulsive Internet Use Scale (CIUS) erfüllten, wurden um ein telefonisches Diagnose-Interview gebeten. Mit insgesamt 341 Proband*innen, die hauptsächlich Soziale Netzwerke oder Onlinespiele nutzten, konnte das Interview, basierenden auf dem Composite International Diagnostic Interview (CIDI), realisiert werden. Sofern keine GD oder SNUD nach ICD-11 Kriterien erfüllt war, wurde bei Vorliegen mindestens einer schädlichen Verhaltensweise in den letzten 12 Monaten sowie fortgesetztem Gebrauchsmuster die Diagnose „schädlicher Gebrauch“ vergeben. Unterschieden wurden Prävalenzen bei verschiedenen Definitionen von DG und SNUD in Abhängigkeit der Schwere der Beeinträchtigung.

    Ergebnisse Wenn für die Diagnostik der Abhängigkeit eine mittlere Beeinträchtigung vorausgesetzt wurde, wiesen 8,5% Personen, die hauptsächlich Online-Spiele nutzten (n = 118), einen schädlichen Gebrauch auf. Unter den Nutzern sozialer Netzwerke (n = 223) betraf dies 5,8%. Im Falle einer Abhängigkeits-Diagnostik ohne vorliegende Beeinträchtigung reduzierte sich die schädliche Nutzung auf 7,6% bzw. 4,9%, während bei Berücksichtigung einer schweren Beeinträchtigung der schädliche Gebrauch in beiden Gruppen 8,5% betrug.

    Diskussion Die Befunde weisen darauf hin, dass auch ohne das Vorliegen einer Abhängigkeit, unter Berücksichtigung verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigung, schädliche Internet-Gebrauchsmuster vorliegen können. Insbesondere bei Nutzern von Online Spielen scheint schädliches Nutzungsverhalten häufiger aufzutreten. Demnach wäre es sinnvoll im ICD-11 auch für die Internet Gaming Disorder einen schädlichen Gebrauch aufzunehmen.


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