Hamostaseologie 2019; 39(S 02): S01-S10
DOI: 10.1055/s-0039-3400726
Hämophilie Teil II
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Indizien für systemisch bedingte Interessenskonflikte zwischen unterschiedlichen Stakeholdern zum Thema Adhärenz

Sylvia von Mackensen
1   Institut für Medizinische Psychologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Deutschland
,
Yves Douma
2   Coagulation Research Centre GmbH, Duisburg, Deutschland
,
Susan Halimeh
2   Coagulation Research Centre GmbH, Duisburg, Deutschland
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Publication Date:
20 November 2019 (online)

 
 

    Fur eine erfolgreiche Prophylaxe braucht es neben wirksamer und sicherer Faktorkonzentrate vor allem eine hohe Adhärenz seitens der Personen mit Hämophilie (PWH). Laut WHO kann Adhärenz durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, z. B. Sozioökonomie, Therapie, Patienten, Erkrankung und Gesundheitssystem. Sechs Fokusgruppen wurden mit PWH (Erwachsene, Jugendliche, Eltern von hämophilen Kindern), Hämophilie-Behandlern (HCP: Internisten, Pädiater) sowie Vertretern gesetzlicher Krankenkassen (HIC: Health Insurance Company) durchgeführt. Mithilfe semi-strukturierter Interviews wurden die Teilnehmer (TN) zu folgenden Themen befragt: Rahmenbedingungen, Barrieren bzw. Verstärker, mögliche Interventionen, Verständnis des Adhärenz Begriffes und Behandlungssituation. Darüber hinaus hatten die TN die Möglichkeit, Vorschlage für Fragen für einen neu zu entwickelnden Adhärenz-Fragebogen zu machen. Weitere 50 PWH und 25 HCP wurden gebeten, Fragen zum Thema Adhärenz schriftlich zu formulieren. Alle Beitrage wurden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse und des Mindmappings geclustert und ausgewertet. Insgesamt nahmen 42 TN (13 HCP, 26 PWH, 3 HIC) an den Fokusgruppen teil; weitere 14 HCP und 6 PWH machten Vorschlage zu Adhärenz Fragen. Insgesamt wurden 741 Beitrage ausgewertet, davon 458 von PWH, 205 von HCP und 78 von HIC. Hieraus ergaben sich Indizien für systemisch bedingte Interessenskonflikte zum Thema Adhärenz. Für PWH waren die wichtigsten Interessen ‚möglichst wenig Einschränkungen im Alltag‘ (38,2%), ‚möglichst selten/schmerzfrei Spritzen‘ (15,3%), ‚Zeitersparnis‘ (13,8%) und ‚Vertrauen zu HCP‘ (12,7%); hingegen haben HCP ‚Patienten motivieren‘ (35,1%), ‚Dokumentationspflicht einhalten‘ (17,1%), ‚effektiv therapieren‘ (15,6%) und ‚Patienten befähigen‘ (14,1%) und HIC ‚wirksame Therapie‘ (42,3%), ‚Patienten motivieren‘ (30,8%), ‚Beitrag der Pharmaindustrie‘ (14,1%) und ‚effizienter Ressourceneinsatz‘ (11,5%) am höchsten priorisiert. Die gefundenen Interessenskonflikte kontrastieren bisherige gesetzgeberische Kosteneinsparungs-impulse, sowie die von G-BA/IQWiG durchgeführten Nutzenbewertungen von Arzneimitteln gemas § 35a SGB V, in denen Convenience explizit als patienten-relevanter Zusatznutzen ausgeschlossen ist. Tatsachlich sind Convenience- Effekte im Hinblick auf Therapie-Adhärenz für PWH sehr ausgeprägt. Eine Verstärkung der Prophylaxe-Convenience konnte zu einem effektiveren und effizienteren Ressourceneinsatz in der Hämophilie-Versorgung beitragen.


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    No conflict of interest has been declared by the author(s).