Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(02): 217
DOI: 10.1055/s-0039-3402981
Kurzvorträge 3: Neonatologie, Physiologie, Sexualität
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schuld oder Schicksal? – Kognitive Strategien von HNPCC-Mutationsträgerinnen im Umgang mit Kinderwunsch und Vererbungsrisiko

A Klein
1   Gynäkologische Psychosomatik, Universitätsfrauenkinik Bonn
,
C Albus
2   Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie Uniklinik Köln
,
S Aretz
3   Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn
,
A Rohde
1   Gynäkologische Psychosomatik, Universitätsfrauenkinik Bonn
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Publication Date:
21 February 2020 (online)

 
 

    Eine Anlageträgerschaft für HNPCC (HNPCC-AT) bedeutet für eine Frau insbesondere ein erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen, Endometrium- oder Ovarialkarzinom zu erkranken. Im Falle einer HNPCC-AT haben Verwandte ersten Grades ein 50 prozentiges Risiko, ebenfalls HNPCC-Anlageträger zu sein. Die Diagnose einer HNPCC-AT stellt somit für die Betroffenen eine bedeutsame psychosoziale Herausforderung dar, die auch beinhaltet, mit dem eigenen Kinderwunsch und der Gefahr, diese Veranlagung weiter zu vererben bzw. schon weiter gegeben zu haben, umzugehen.

    Im Rahmen einer qualitativen Studie zur Exploration des längerfristigen psychischen Erlebens von HNPCC-Mutationsträgerinnen wurden mit betroffenen Frauen (n = 30) halbstrukturierte Interviews – u. a. zu ihren Einstellungen zum Kinderwunsch und Umgang mit dem Vererbungsrisiko – geführt und mittels Qualitativer Inhaltsanalyse (QI) ausgewertet.

    Die Probandinnen (P) waren im Mittel 47,6 (Min. 23/Max. 75) Jahre alt, bei der genetischen Testung durchschn. 43,6 (Min. 19/Max. 71) Jahre; die genetische Testung lag im Mittel 56,1 (Min. 24/Max. 114) Monate zurück. Zum Zeitpunkt der Interviews hatten 8 P (26,7%) noch Kinderwunsch und 22 P (73,3%) ihren Kinderwunsch abgeschlossen. Mittels der QI wurden folgende Kategorien zum Umgang mit der HNPCC-AT im Kontext von Reproduktion extrahiert: Verantwortungsabgabe, Hoffnung, Risikorelativierung, egozentrierter Fokus, seelische Belastung, Wunsch nach PND/PID. Kognitiv fokussieren die P überwiegend zugunsten des individuellen Nutzens eigener Kinder, äußern dennoch vielfältige emotionale Belastungen aufgrund der Vererbungsmöglichkeit. Für die Mehrzahl der P mit Kinderwunsch kommt PND theoretisch zur Verhinderung der Vererbung von HNPCC in Frage.

    Die Ergebnisse zeigen Ambivalenzen der P bezüglich reproduktiver Fragestellungen und dass die Entscheidung, sich fortzupflanzen, für HNPCC-Anlageträgerinnen konflikthaft belastet ist.


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