Gesundheitswesen 2020; 82(05): 441-442
DOI: 10.1055/s-0040-1708928
Editorials

Soziale Kohäsion und Gesundheit

H Ostermann
1   Gesundheit Österreich GmbH
,
K Ropin
2   Fonds Gesundes Österreich
› Author Affiliations
 
 

Der soziale Zusammenhalt einer Gesellschaft – auch soziale Kohäsion bezeichnet – leistet als protektiver Faktor einen wichtigen Beitrag für Gesundheit, Lebensqualität und Wohlbefinden. Zusammenhänge zwischen Gesundheit und Zusammenhalt zeigen sich auf Makro-, Meso- und Mikroebene: So machen etwa die Studien von Wilkinson und Kolleg/innen deutlich, dass verschiedenste Gesundheits- und Sozialindikatoren wie etwa das Wohlbefinden von Kindern in Ländern mit weniger Einkommensungleichheit wesentlich besser sind als in Ländern mit großen Einkommens-Scheren [Wilkinson & Pickett, 2009]. Solidarische Gesellschaften sind daher auch gesündere Gesellschaften.

Metaanalysen belegen, dass Menschen, die in soziale Netzwerke eingebunden sind, eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben [Holt-Lunstad et al., 2010]. Auf Ebene der persönlichen Netzwerke zeigt sich, dass Menschen mit chronischen Erkrankungen und Alltagseinschränkungen, ältere Menschen, Menschen mit maximal Pflichtschulabschluss und Menschen mit Migrationshintergrund laut Österreichischer Gesundheitsbefragung [Griebler et al., 2017] über weniger soziale Unterstützung verfügen. Laut einer Umfrage der Statistik Austria waren 44 % der befragten Menschen in Österreich in den letzten 3 Jahren von Diskriminierung betroffen, vor allem in den Bereichen Arbeit, Wohnen und Bildung, aber auch Zugang zu medizinischen Leistungen [Schönherr et al., 2019]. Gründe für Diskriminierungen sind unter anderem Herkunft, Hautfarbe, Akzent, soziale Herkunft und Status, Religion und Weltanschauung, körperliche oder geistige Erkrankung, Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung sowie Familienstand / Anzahl der Kinder.

Im Rahmen des Gesundheitsziels „Durch sozialen Zusammenhalt die Gesundheit stärken“ setzen sich Akteur/innen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen mit der Frage aus einander, wie der Schutzfaktor Zusammenhalt in Österreich gestärkt werden kann.

Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) arbeitet neben der Begleitung dieses Gesundheitsziels auf mehreren Ebenen an dieser Thematik. So etwa bringt die Taskforce „Sozioökonomische Determinanten“ das Thema gesundheitliche Chancengerechtigkeit mittels Veranstaltungen und Diskussionsformaten immer wieder in den Public Health Diskurs ein. Die GÖG unterstützt aktuell insbesondere die Weiterentwicklung von „Social Prescribing“ als Möglichkeit, soziale und medizinische Leistungen zu integrieren. In Kooperation mit dem Österreichischen Netzwerk Gesundheitsfördernder Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen (ONGKG) werden Standards für altersfreundliche Gesundheitseinrichtungen entwickelt und pilotiert.

Auch der Fonds Gesundes (FGÖ) hat die Themen Zusammenhalt, Sozialkapital und Chancengerechtigkeit seit Jahren auf der Agenda. Einen Schwerpunkt dabei bildet beispielsweise das Thema „Faire Chancen gesund zu Altern“, zu dem ein Sammelband herausgegeben wurde [Fonds Gesundes Österreich, 2018]. Die FGÖ Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“ fördert seit 2012 mit Ansätzen der kommunalen Gesundheitsförderung die Einbindung von älteren Menschen und von Einsamkeit bedrohten Menschen in Nachbarschaften (siehe www.gesunde-nachbarschaft.at).

Auch die 2019 vom FGÖ in Kooperation mit dem BMBWF gestartete Initiative „Wohlfühlzone Schule – psychosoziale Gesundheit und (Cyber-)Mobbing an Schulen nimmt sich des Themas an, es geht um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für ein gutes Schulklima.

Die Konferenz der ÖGPH gibt uns die Möglichkeit, uns zu Daten und Fakten, Strategien und Good Practice Beispielen zu dieser wichtigen Thematik auszutauschen und die Zusammenarbeit der Public Health Community zu stärken.


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  • References

  • 1 Fonds Gesundes Österreich. (Hrsg.) (2018): Faire Chancen gesund zu altern. Beiträge zur Förderung gesundheitlicher Chancengerechtigkeit älterer Menschen.
  • 2 Griebler R, Winkler P, Gaiswinkler S, Delcour J, Juraszovich B, Nowotny M, Pochobradsky E, Schleicher B, Schmutterer I. (2017): Österreichischer Gesundheitsbericht 2016. Berichtszeitraum 2005–2014/2015. Wien,: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen;
  • 3 Holt-Lunstad J, Smith TB, Layton JB. (2010). Social relationships and mortality risk: A meta-analytic review. PLoS Med, 7 (07) , e1000316. DOI: 10.1371/journal.pmed.1000316.
  • 4 Schönherr D, Leibetseder B, Moser W, Hofinger C. (2019): Diskriminierungserfahrungen in Österreich - Erleben von Ungleichbehandlung, Benachteiligung und Herabwürdigung in den Bereichen Arbeit, Wohnen, medizinische Dienstleistungen und Ausbildung. SORA - Institute for Social Research and Consulting.
  • 5 Wilkinson R, Pickett K. (2009): The Spirit Level. Why More Equal Societies Almost Always Do Better. Allen Lane, London. Social Justice Research. 25. 10.1007/s11211-012-0148-9.

Publication History

Article published online:
26 May 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

  • References

  • 1 Fonds Gesundes Österreich. (Hrsg.) (2018): Faire Chancen gesund zu altern. Beiträge zur Förderung gesundheitlicher Chancengerechtigkeit älterer Menschen.
  • 2 Griebler R, Winkler P, Gaiswinkler S, Delcour J, Juraszovich B, Nowotny M, Pochobradsky E, Schleicher B, Schmutterer I. (2017): Österreichischer Gesundheitsbericht 2016. Berichtszeitraum 2005–2014/2015. Wien,: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen;
  • 3 Holt-Lunstad J, Smith TB, Layton JB. (2010). Social relationships and mortality risk: A meta-analytic review. PLoS Med, 7 (07) , e1000316. DOI: 10.1371/journal.pmed.1000316.
  • 4 Schönherr D, Leibetseder B, Moser W, Hofinger C. (2019): Diskriminierungserfahrungen in Österreich - Erleben von Ungleichbehandlung, Benachteiligung und Herabwürdigung in den Bereichen Arbeit, Wohnen, medizinische Dienstleistungen und Ausbildung. SORA - Institute for Social Research and Consulting.
  • 5 Wilkinson R, Pickett K. (2009): The Spirit Level. Why More Equal Societies Almost Always Do Better. Allen Lane, London. Social Justice Research. 25. 10.1007/s11211-012-0148-9.