Z Geburtshilfe Neonatol 2020; 224(06): 391-392
DOI: 10.1055/s-0040-1709307
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Case report: Sigmakarzinom bei verdrängter Schwangerschaft

M Bures
Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
,
L Hellmeyer
Vivantes Klinikum im Friedrichshain, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
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    Zielsetzung Verdrängte Schwangerschaften sind selten und stellen in jedem Fall eine interdisziplinäre Herausforderung dar. Im Folgenden wird eine Kasuistik mit verdrängter Schwangerschaft und simultanem Sigmakarzinom vorgestellt.

    Methoden und Patienten Eine 43-jährige IV-Gravida III-Para stellt sich wegen seit 6 Monaten bestehender, nun akuter, Unterbauchschmerzen in der Rettungsstelle vor und schildert vor allem gastrointestinale Symptome. Es zeigt sich eine intakte Schwangerschaft (ca. 32. SSW) bei febriler Koprostase und deutlicher Entzündungskonstellation im Labor (Leukos 21,44/nl, CRP 157,3 mg/dl). Die Patientin wird zur Lungenreifeinduktion, Laxation und Antibiose aufgenommen, chirurgisch vorgestellt und zunächst im Kreißsaal überwacht. Bei ausbleibender Besserung wird eine notfallmäßige MRT ohne wegweisenden Befund und schließlich die Sectio durchgeführt.

    Ergebnisse Es wird ein 1560 g schwerer Junge mit guter Anpassung entbunden und unter Atemhilfe auf die Neonatologie aufgenommen. Intraoperativ zeigt sich ein Konglomerattumor aus Tuboovarialabszess, mit Ovarnekrose und massiv chronisch entzündlich verändertem Sigma. Neben der Adnektomie erfolgt die Sigmaresektion nach Hartmann. Histologisch zeigt sich ein Adenokarzinom des Sigma im UICC-Stadium IIB. Es schließt sich ein komplikativer Verlauf mit dialysepflichtiger, prärenaler Niereninsuffizienz und zweimaliger Re-Laparotomie an. Nach 31 Tagen wird die Patientin entlassen, die adjuvante Chemotherapie geplant. Bezüglich der verdrängten Schwangerschaft wird gegenüber den Angehörigen Stillschweigen vereinbart, das Neugeborene wird zur Adoption freigegeben.

    Diskussion Verdrängte Schwangerschaften stellen eine medizinisch und ethisch herausfordernde Situation im klinischen Alltag dar, deren Häufigkeit unterschätzt wird und in der Literatur mit 0,19 % bis 0,25 % angegeben werden (1-2). Es besteht eine Assoziation zu schlechtem fetalen und maternalen Outcome. Entgegen der Erwartungen ließ sich bislang kein eindeutiges Risikoprofil definieren (3-6).

    Die Inzidenz simultaner Malignome wird mit 1:1000 Schwangerschaften angegeben (7), wobei kolorektale Karzinome seltener sind (1:13000). Durch verkannte, teils schwangerschaftstypische Symptome (i. e. Obstipation, Blutungen), sowie den zurückhaltenden Einsatz invasiver Diagnostik werden diese häufig erst im Spätstadium erkannt. Bei Diagnosestellung in der Schwangerschaft stellt die Abwägung des geburtshilflichen versus onkologischen Outcomes die zentrale therapeutische Herausforderung der, deren Bewältigung einer interdisziplinären Beratung bedarf (8-10).

    Sowohl das Kolonkarzinom in der Schwangerschaft als auch die verdrängte Schwangerschaft stellen seltene Entitäten dar, deren gemeinsames Auftreten den präsentierten Fall einzigartig erscheinen lassen. Beide Entitäten sollten in ihrer Häufigkeit nicht unterschätzt werden und bei Präsentation entsprechender Symptome Eingang in die differenzialdiagnostischen Überlegungen finden.


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    Publication History

    Article published online:
    04 December 2020

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