Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(06): 15
DOI: 10.1055/s-0040-1713228
Abstracts Geburtshilfe & Fetomaternale Medizin Jahrestagung Graz

Die vorherrschende Lichtverschmutzung in Österreich erhöht das Risiko für ein schlechtes neonatales Outcome – eine retrospektive Kohortenstudie

K Windsperger
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien, Österreich
,
H Kiss
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien, Österreich
,
W Oberaigner
2   Department für Public Health, Versorgungsforschung und HTA, Institut für Public Health, Medical Decision Making und HTA, UMIT, Hall i. T., Österreich
,
H Leitner
3   Institut für Klinische Epidemiologie, Tirol Kliniken, Innsbruck, Österreich
,
F Binder
3   Institut für Klinische Epidemiologie, Tirol Kliniken, Innsbruck, Österreich
,
D Muin
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien, Österreich
,
P Fößleitner
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien, Österreich
,
P Husslein
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien, Österreich
,
A Farr
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Klinische Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Medizinische Universität Wien, Österreich
› Author Affiliations
 
 

    Fragestellung: Ein bisher wenig beachtetes Umweltproblem ist die Aufhellung des Himmels durch künstliches Licht. Dieser Prozess, als Lichtverschmutzung (LV) bezeichnet, betrifft derzeit mehr als 80% der Weltbevölkerung, nimmt stetig zu und zeigt schwerwiegende Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Die Exposition mit künstlichem Licht interferiert u. a. mit der Chronobiologie des menschlichen Organismus und ist mit negativen gesundheitlichen Effekten (z. B. erhöhte Inzidenz an Krebserkrankungen) assoziiert. Eine detaillierte Erforschung der Auswirkungen dieses neuartigen Phänomens auf das geburtshilfliche Setting ist derzeit nicht bekannt. Die vorliegende Studie möchte daher evaluieren, ob die LV einen Einfluss auf das geburtshilfliche Outcome ausübt.

    Methodik: Die vorliegende multizentrische Kohortenstudie wurde mittels retrospektiv erhobener Daten (1.1.2008 – 31.12.2016) aus dem Geburtenregister Österreich durchgeführt. Inkludiert wurden Geburten ≥ 23 + 0 Schwangerschaftswochen und einem Geburtsgewicht ≥ 500 g. Eine primäre Sectio sowie eine medikamentöse Geburtseinleitung fungierten als Ausschlusskriterien. Das Ausmaß der LV (mean zenithal night sky brightness, NSB) wurde in 3 Kategorien unterteilt: 0 bis < 0,688 mcd/m2 (schwache LV), 0,688 bis < 3 mcd/m2 (mittlerer LV) und 3 bis < 10 mcd/m2 (starke LV). Analysiert wurden der Einfluss der LV auf die Geburtsdauer sowie auf das neonatale Outcome, definiert als 5-Minuten Apgar Wert < 7 und/oder einem Nabelschnur pH-Wert < 7,2.

    Ergebnisse: Von insgesamt N = 445 376 Geburten fanden 67,6% in Regionen mit schwacher, 23,3% in Regionen mit mittlerer und 9,1% in Regionen mit starker LV statt. Interessanterweise zeigte sich die Geburtsdauer in Gebieten mit starker LV signifikant verkürzt (p < 0,0001). Unter Berücksichtigung von relevanten Covariablen (Entbindungsmodus, mütterliches Alter, Gestationswoche bei Geburt, Geburtsgewicht) erhöhte eine starke LV, sowohl am Tag (OR, 1,10; 95% Konfidenzintervall, 1,06 – 1,14; p < 0,0001), als auch in der Nacht (OR, 1,16; 95% Konfidenzintervall, 1,12 – 1,21; p < 0,0001) das Risiko für ein schlechtes neonatales Outcome signifikant.

    Schlussfolgerung: Erstmalig beschreibt die vorliegende Studie detailliert die negativen Effekte der LV auf das geburtshilfliche, insbesondere auf das neonatale Outcome. Sie soll daher das Bewusstsein für dieses neuartige Umweltproblem stärken und die Einleitung eines Paradigmenwechsels (z. B. Umdenken hin zu umweltfreundlichen Beleuchtungskonzepten) fördern.


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    Interessenkonflikt

    Es bestehen keine Interessenskonflikte.

    Publication History

    Article published online:
    02 June 2020

    Georg Thieme Verlag KG
    Stuttgart · New York