Geburtshilfe Frauenheilkd 2020; 80(07)
DOI: 10.1055/s-0040-1714001
Geburtshilfe und Pränataldiagostik

Perinatale Enteroviren-Infektion des Neugeborenen mit schwerer Hirnschädigung

N Rupp
Frauenklinik Passau
,
A Kratschmar
Frauenklinik Passau
,
M Gal
Frauenklinik Passau
,
T Lindemann
Frauenklinik Passau
,
T Krauß
Frauenklinik Passau
,
V Beck
Frauenklinik Passau
› Author Affiliations
 
 

    Hintergrund: Enteroviren sind die häufigste virale Ursache für schwere Krankheitsbilder bei Neugeborenen. Für eine Enzephalitis ist häufig der Subtyp Parechovirus 3 verantwortlich. In der Geburtshilfe spielen Enteroviren bei unklarem mütterlichem Fieber typischerweise keine Rolle.

    Fall: 31-jährige G2P1 (SPP, Einleitung bei IHC) 36 + 6 SSW stellte sich mit Juckreiz und epigastrischen Schmerzen vor. GOT 48, GPT 75, GS9,1 µmol/l, sonstiges Gestoselabor, Urin und RR unauffällig. Ein Einleitungsversuch wurde abgelehnt. Die Wiedervorstellung erfolgte wenige Stunden später mit starken Bauchschmerzen, tachykardem CTG, 38,1 °C Temperatur, Leuc 7.100 und CRP 18,7 mg/l. Wir begannen eine Doppelantibiose mit Cefuroxim und Metronidazol. Die Fokussuche verlief klinisch und laborchemisch frustran. Im Z. n. Appendektomie und klinischem Ansprechen auf Paracetamol mit wieder physiologischem CTG erfolgte der Einleitungsversuch mit Cytotec. Unauffälliger Spontanpartus: Mädchen, 3110 g, APGAR 9/10/10, pH 7,39, BE − 2,9. Postpartal präsentierte sich die Patientin weiterhin mit Fieberschüben und unklaren abdominalen Schmerzen. Ein MR Abdomen verlief ohne wegweisenden Befund. Anamnestisch wurde nun über eine fiebrige Sinusitis des Erstgeborenen berichtet. Das zunächst unauffällige Neugeborene wurde am 5. Lebenstag bei Hyperbilirubinämie in die Kinderklinik aufgenommen. Kurz darauf kam es zum Krampfanfall. Alle Blutwerte waren unauffällig. EEG und Schädel-Sonografie zeigten eine Enzephalopathie mit zerebralen Krampfanfällen. Die zunächst periventrikuläre Echogenitätserhöhung ging im Verlauf in ausgeprägte postenzephalitische Defektcysten bzw. eine Leukomalazie über. Bei Verdacht auf Parechovirus-Infektion erfolgte die Liquorpunktion mit Nachweis einer Enterovirus-Infektion. Unter antiviraler und antikonvulsiver Therapie stabilisierte sich der Zustand des Kindes bis zur Entlassung am 24. Lebenstag. Der zukünftige Verlauf wird als ungünstig eingeschätzt. Rückblickend ist auch bei der Mutter und dem ersten Kind von einer Enterovirus-Infektion auszugehen.

    Zusammenfassung: Die Diagnostik auf Enteroviren ist in der Schwangerschaft bei meist asymptomatischen Erwachsenen nicht empfohlen. Bei auffälligen Neugeborenen ohne Hinweis auf bakteriellen Infekt ist aber frühzeitig an eine Enterovirus-Infektion zu denken.


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    Publication History

    Article published online:
    14 July 2020

    Georg Thieme Verlag KG
    Stuttgart · New York