Z Orthop Unfall 2020; 158(S 01): S238
DOI: 10.1055/s-0040-1717589
Poster
DKOU20-1097 Allgemeine Themen->19. Polytrauma

Der Dritte Untersuchungsgang - Etablierung Eines Neuen Standards

P-J Vinke
*   präsentierender Autor
1   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster
,
H Düsing
1   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster
,
MJ Raschke
1   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster
,
R Hartensuer
1   Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, Münster
› Author Affiliations
 
 

    Fragestellung Die Diagnostik und Behandlung Schwerverletzter stellt das Versorgungssystem sowie die Behandelnden immer noch vor große strukturelle und medizinische Herausforderungen.

    In einem der Priorisierung unterlegenen diagnostischen Setting, welches den Grundsätzen des ATLS® Konzeptes folgt, ist es trotz korrekt durchgeführtem primary und secondary survey meist nicht möglich alle Verletzungen zu diagnostizieren. Diese Verletzungen sind jedoch potentiell bestimmend für das langfristige Versorgungsoutcome, womit es essentiell notwendig ist, sie innerhalb eines möglichst kurzen Zeitraumes zu entdecken und zu adressieren. Ziel dieser Studie war es, mithilfe eines standardisierten dritten Untersuchungsganges zu erreichen, dass diese Verletzungen früher entdeckt und therapiert werden konnten.

    Methodik Über den Zeitraum eines Jahres wurde diese Studie in einem monozentrischen, prospektiven Setting an einem überregionalen Traumazentrum durchgeführt. Jeder über den Schockraum aufgenommene Patient wurde innerhalb von 24h auf Intensiv- oder Intermediate-Care-Station bzw. bei Verlegung auf eine andere Station, sowie nach Wiedererlangen des Bewusstseins mithilfe des standardisierten Untersuchungsprotokolls nachuntersucht. Die hierbei erhobenen Befunde wurden mit den Aufnahmebefunden verglichen. Eine Zusammenschau aller Befunde zum Zeitpunkt der Entlassung lieferte Aufschluss über nach dem dritten Untersuchungsgang aufgetretene Verletzungen. Das Konfidenzintervall für die Bestimmung der Rate an verspäteten Diagnosen wurde mittels des Clopper-Pearson-Exact Testes festgelegt.

    Ergebnisse und Schlussfolgerung Es wurden 274 Patienten in die Studie eingeschlossen. 30 der 274 (11%) standardisiert nachuntersuchten Patienten wiesen insgesamt 41 initial nicht entdeckte Verletzungen auf. Der mediane ISS (Injury Severity Score) Wert der Patienten mit verspäteten Diagnosen war 21 (13) vs. 13 (12) bei solchen ohne verspätete Diagnose (p = 0,001). 87 % der Verletzungen wiesen einen geringen Schweregrad auf AIS 1-2 (Abbreviated Injury Scale). Verletzungen des Kniegelenkes, der Handwurzel sowie des Fußes herrschten vor. 68 % der verspäteten Diagnosen wurden während des dritten Untersuchungsganges, 32 % im weiteren Behandlungsverlauf entdeckt.

    Die Anwendung eines standardisierten Untersuchungsprotokolls führte somit zur Diagnose initial nicht entdeckter Verletzungen. Jedoch zeigte sich, dass selbst ein solcher Standard nicht zur sicheren Diagnose aller Verletzungen führt. Daraus folgt, dass über den gesamten Behandlungszeitraum Schwerverletzter eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber potentiell übersehenen Verletzungen aufgebracht werden und wiederholt Reevaluationen stattfinden müssen.

    Stichwörter tertiary survey, missed injuries, Verspätete Diagnosen, dritter Untersuchungsgang, Schwerverletztenversorgung, Polytrauma


    #

    Publication History

    Article published online:
    15 October 2020

    © 2020. Thieme. All rights reserved.

    Georg Thieme Verlag KG
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany