Diabetologie und Stoffwechsel 2012; 7(1): 27-29
DOI: 10.1055/s-0031-1283929
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

SGLT-2-Inhibitoren – Glukosurika: Ein neues wertvolles Therapieprinzip oder ein Irrweg?

SGLT-2 Inhibitors – Glucosuric Compounds: A Valuable Novel Development or Not?
G. Schernthaner
1   1. Medizinische Abteilung Diabetologie, Endokrinologie und Onkologie, Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien, Österreich
,
D. Müller-Wieland
2   Allg. Inneren Medizin, Gastroenterologie, Endokrinologie, Diabetologie & Stoffwechsel Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg, Deutschland
,
B. Gallwitz
3   Medizinische Klinik IV, Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Deutschland
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Publication Date:
02 March 2012 (online)

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SGLT-2: Bedeutung für den Stoffwechsel

Vor 25 Jahren hat die Gruppe von David Nathan empfohlen, die Harnzuckermessung als Qualitätsparameter der Diabeteseinstellung beim Typ-2-Diabetes abzuschaffen, da das Ausmaß der Glukosurie in Relation zu den Blutzuckerwerten viel zu gering wäre [1]. Als Ursache für die verminderte Harnzuckerausscheidung trotz hoher Blutzuckerwerte wurde eine vermehrte Expression von SGLT-2-Transportern (SGLT = Sodium-Glucose Transporter) erkannt, die zu einer vermehrten Rückresorption von Glukose in den proximalen Tubuli der Niere führen [2]. Durch die SGLT-2-Transporter wird mehr als 90 % der normalerweise im Primärharn ausgeschiedenen Glukose (ca. 180 g / die) wieder tubulär rückresorbiert. Im letzten Jahrzehnt gelang es nun, selektive Inhibitoren zu entwickeln, die die ausschließlich renal exprimierten SGLT-2-Transporter hemmen, aber nicht die vornehmlich im Darm lokalisierten SGLT-1-Transporter, wodurch es zu schweren Diarrhöen käme.

Therapeutische Ansatzpunkt der sogenannten SGLT-2-Hemmer ist somit die Reduzierung der sogenannten Glukosetoxizität durch vermehrte Ausscheidung – und nicht zelluläre Aufnahme – von Glukose (siehe [Abb. 1]). Glukosetoxizität bedeutet, dass eine längerfristige Hyperglykämie eine Insulinresistenz sowie eine Störung der Insulinsekretion vermehren kann. Mausmodelle, die selektiv keine SGLT-2 besitzen, zeigen phänotypisch nicht nur eine erhöhte Glukoseausscheidung, sondern auch niedrigere Blutzuckerspiegel und ein geringeres Körpergewicht [3] [4]. Werden diese Tiere mit Mäusen an Diabetes erkrankten Mäusen gekreuzt, so bessert sich der Diabetes in diesen Tieren [4]. Die Mausmodellen demonstrieren, dass ein Mangel an SGLT-2 die Insulinresistenz, die Glukoseproduktion der Leber sowie die Insulinsekretion in diabetischen Tieren verbessert. Beim Menschen ist bei der vererbbaren Erkrankung der familiären Glukosurie das SGLT-2-Gen defekt, diese Menschen scheiden vermehrt Glukose im Urin aus, aber haben ansonsten keine langfristigen bisher bekannten Krankheitssymptome oder Folgeschäden [5].

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Abb. 1 Pathogenetische Prinzipien, die bei der Entstehung einer Hyperglykämie bei Diabetes mellitus Typ 2 eine Rolle spielen. Die SGLT2-Inhibitoren hemmen die Rückresorption von Glukose im proximalen Tubulus der Niere, die bei Patienten mit Typ-2-Diabetes erhöht ist, modifiziert nach [23] [24].