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DOI: 10.1055/s-0030-1267415
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Das verfolgte Selbst – Strukturelle Dissoziation und die Behandlung chronischer Traumatisierung
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
04. Oktober 2010 (online)
Bei dem Buch "Das verfolgte Selbst" von Onno Van Der Hart, Ellert R. S. Nijenhuis und Kathy Steele handelt es sich um die 2008 erschienene deutsche Übersetzung der englischsprachigen Erstausgabe "The Haunted Self" von 2006. Thematisch beschäftigen sich die Autoren mit den Folgen chronischer Traumatisierungen und deren Behandlung. Dabei bringen die Autoren ihre jahrelange Erfahrung ein, was im Text durch zahlreiche Beispiele deutlich wird. Kern ihrer Ausführungen ist ihre Theorie der strukturellen Dissozia"tion, welche auf die Psychologie des Handelns von Pierre Janet Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgeht. Ebenso wird die vielfältige Traumaliteratur des 19. Jahrhunderts sowie Erkenntnisse neuerer Forschungsrichtungen wie der Neurowissenschaften, Bindungsforschung etc., berücksichtigt. Augenscheinlich wird dies durch das umfangreiche Literaturverzeichnis, das v.a. für wissenschaftlich Tätige hilfreich ist.
Der Begriff Dissoziation wurde von Pierre Janet geprägt und wird aktuell in vielfältiger Weise gebraucht, sodass das Konzept der Dissoziation droht, verloren zu gehen. Mit der Theorie der strukturellen Dissoziation wollen die Autoren die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs wieder stärken. Die strukturelle Dissoziation verdeutlicht die Spaltung der Persönlichkeit während traumatischer Erfahrungen. Die Bezeichnung strukturell meint hierbei, dass die Spaltung nicht willkürlich, sondern an "Sollbruchstellen" zwischen 2 psychobiologischen Hauptsystemen erfolgt: Systeme die den Alltag betreffen und Systeme die in unwirtlichen Situationen das Überleben sichern. Diese psychobiologischen Systeme werden als Handlungssysteme bezeichnet, da sie mit entsprechendem zielorientierten Handeln verbunden sind wie z.B. Flucht in Gefahrensituation.
Das Buch ist in 3 Abschnitte unterteilt. Im ersten Teil werden die Grundlagen ausführlich dargestellt. Abschnitt 2 beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen chronischen Traumatisierungen und der Psychologie des Handelns von Janet. Hierbei werden die verschiedenen mentalen und behavioralen Mechanismen analysiert, im Hinblick auf ihre Entstehung, sowie deren Funktion in der Aufrechterhaltung der strukturellen Dissoziation. Im letzten Abschnitt liegt der Schwerpunkt auf der phasenorientierten Behandlung.
Das anspruchsvoll geschriebene Buch richtet sich an Wissenschaftler, Kliniker und Studenten, die sich mit Traumatisierten beschäftigen. Die Theorie der strukturellen Dissoziation ist für die Erforschung der Folgen chronischer Traumatisierungen sowie für deren Behandlung gleichermaßen wertvoll und sollte entsprechende Beachtung finden. Die Theorie und Behandlungsansätze der traumabedingten strukturellen Dissoziation sind gut mit verhaltenstherapeutischen und tiefenpsychologischen Ansätzen vereinbar, sodass sie eine wertvolle Theorie-/Therapieerweiterung für therapeutisch Tätige darstellen.
Stefan Tschöke, Ravensburg-Weissenau
eMail: stefan.tschoeke@zfp-zentrum.de
Van der Hart O, Nijenhuis ERS, Steele K. Das verfolgte Selbst – Strukturelle Dissoziation und die Behandlung chronischer Traumatisierung. Paderborn: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, 2008, 464 S. 39,90 €, ISBN: 3-87387-671-X