Lege artis - Das Magazin zur ärztlichen Weiterbildung 2011; 1(4): 250-257
DOI: 10.1055/s-0031-1286603
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Patientenverfügung – Ethik und Recht in der klinischen Praxis

Bernd Friedrich
,
Florian Bruns
,
Kristina Raske
,
Andreas Frewer
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Publication History

Publication Date:
06 September 2011 (online)

Zusammenfassung

Liegt eine Patientenverfügung im Sinne des Gesetzes vor, so ist den darin nieder gelegten (Nicht-)Behandlungswünschen Folge zu leisten, sofern die Angaben auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Der gesetzliche Betreuer bzw. der Bevollmächtigte des Patienten hat eine zentrale Rolle als Vertreter des Patienten. Falls zwischen Betreuer / Bevollmächtigtem einerseits und behandelndem Arzt andererseits keine Einigkeit bezüglich des Patientenwillens besteht, ist das Betreuungsgericht einzuschalten. Eine Ethikberatung kann bei der Ermittlung des Patientenwillens helfen. Weder das Vorhandensein noch das Fehlen einer Patientenverfügung darf einen Automatismus nach sich ziehen: Stets bedarf es einer umfassenden Bestandsaufnahme relevanter Äußerungen des Patienten und einer sorgfältigen Interpretation. Mit oder ohne Patientenverfügung: Gerade bei bewusstlosen Patienten und am Lebensende muss der Respekt vor der Person gewahrt werden. Auch wenn die Selbstbestimmung des Patienten ein hohes Gut ist: Manche Wünsche stoßen an Grenzen, so z. B. der nach aktiver Sterbehilfe.

Kernaussagen

  • Liegt eine Patientenverfügung im Sinne des Gesetzes vor, so ist den darin niedergelegten (Nicht-)Behandlungswünschen Folge zu leisten, sofern die Angaben auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

  • Eine Patientenverfügung ist jederzeit formfrei widerrufbar. Der Arzt muss daher ”anamnestisch“ ausschließen, dass der Patient sich mündlich oder durch schlüssiges Verhalten vom Inhalt des Schriftstücks losgesagt hat.

  • Der gesetzliche Betreuer bzw. der Bevollmächtigte des Patienten hat eine zentrale Rolle als Vertreter des Patienten.

  • Falls zwischen Betreuer / Bevollmächtigtem einerseits und behandelndem Arzt andererseits keine Einigkeit bezüglich des Patientenwillens besteht, ist das Betreuungsgericht einzuschalten.

  • Bei Patienten mit chronischem oder progredientem Grundleiden kann ein frühzeitiges Aufklärungsgespräch über mögliche Komplikationen und deren Behandlungsmöglichkeiten die Therapiewünsche des Erkrankten im Voraus klären.

  • Eine Ethikberatung kann bei der Ermittlung des Patientenwillens helfen. Die Verantwortung für Therapieentscheidungen verbleibt jedoch stets beim Behandlungsteam und dem Stellvertreter des Patienten.

  • Weder das Vorhandensein noch das Fehlen einer Patientenverfügung darf einen Automatismus nach sich ziehen: Stets bedarf es einer umfassenden Bestandsaufnahme von relevanten Äußerungen des Patienten und einer sorgfältigen Interpretation.

 
  • Literatur

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