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DOI: 10.1055/s-0031-1298681
Nachruf auf Frau Dr. med. Veronica Carstens
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
18. Juni 2012 (online)
Nachruf auf Frau Dr. med. Veronica Carstens
Mit Dr. Veronica Carstens hat uns eine Kollegin verlassen, die den Bestand und die Weiterentwicklung der Homöopathie zusammen mit ihrem Ehemann in entscheidender Weise gesichert hat. Sie heiratete 1944 den hochkarätigen Juristen, Staatsrechtler und späteren Politiker und Professor Dr. Carl Carstens, studierte dann Medizin und ließ sich nach einer klinischen Ausbildung zur Internistin in ihrem Wohnhaus in Meckenheim in eigener Praxis mit dem Schwerpunkt Homöopathie nieder. Sie war auch Mitglied des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte.
Ich lernte sie 1975 kennen. Damals war eine Novelle des Arzneimittelgesetzes geplant. Unter dem Eindruck der Contergan-Katastrophe wollte man bei dieser Gelegenheit Homöopathie und Naturheilverfahren aus der deutschen Medizin eliminieren. Dagegen wehrten wir uns. Frau Carstens und ihr Ehemann, der damals Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag war, öffneten uns die Türen zu wichtigen Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien und nahmen häufig auch persönlich an unseren Treffen mit diesen teil. Dort trugen wir unsere Argumente für einen Weiterbestand von Homöopathie und Naturheilverfahren in Deutschland vor. Es gelang uns, tatkräftig unterstützt vom Ehepaar Carstens, die Mehrzahl der politischen Gesprächspartner von unseren Vorstellungen zu überzeugen. Bald aber zeigte sich, dass dies nicht ausreichte, da Politiker nur dann reagieren, wenn sie den Verlust von Wählerstimmen befürchten müssen. Deshalb mobilisierten wir in mehreren Großveranstaltungen die Bevölkerung. Erst dadurch wurde der Entwurf in unserem Sinne geändert. Homöopathie, Phytotherapie und anthroposophische Medizin erhielten eigene Paragraphen im Gesetz und entsprechende Kommissionen beim Bundesgesundheitsamt.
Prof. Carstens wurde 1979 zum Bundespräsidenten gewählt. Da das Ehepaar kinderlos geblieben war, beschloss es, sein Vermögen in eine Stiftung zur Förderung von Homöopathie und Naturheilverfahren einzubringen. Dies geschah 1982. Im Jahre 1983 gründeten Frau Carstens und ihr Ehemann in der Villa Hammerschmidt mit mir als Vorsitzendem des Zentralvereins, Herrn Abs, Prof. Spemann und einigen weiteren Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens den Förderverein Natur und Medizin, dessen Aufgabe es war und ist, Geld für die Carstens-Stiftung zu sammeln. Die Organisation dieser Aufgabe übernahm Friedrich Müller, der bereits die Krebshilfe zum Erfolg geführt hatte. Der Verein wuchs bis auf 40000 Mitglieder und damit die Carstens-Stiftung zur größten Förderin von Homöopathie und Naturheilverfahren in Europa.
Frau Carstens lag besonders der homöopathische Nachwuchs am Herzen, weshalb sie ein Ausbildungszentrum in Wilsede in der Lüneburger Heide für Studenten gründete, aus dem zahlreiche homöopathische Ärzte hervorgingen. Auch Stipendien für homöopathische Dissertationen werden von der Stiftung vergeben und wissenschaftliche Arbeiten zum Nachweis der Wirksamkeit homöopathischer Einzelmittel großzügig gefördert. Ambulanzen an Universitätskliniken, besonders in Freiburg und Jena, mit den Schwerpunkten Homöopathie und Naturheilverfahren wurden finanziert und ein Stiftungslehrstuhl in Berlin ermöglicht, den die Ärztin und Epidemiologin Prof. Dr. Claudia Witt innehat. Darüber hinaus hielt Frau Carstens ungezählte Vorträge nicht nur vor einem Fachpublikum, z. B. bei Tagungen des Zenralvereins, sondern v. a. bei Laien in ganz Deutschland. Auch bei den regelmäßigen Bundespräsidenten-Wanderungen nutzte sie die Gelegenheit zum Gespräch mit den mitwandernden Bürgern. So war sie eine echte Botschafterin der Homöopathie.
Frau Carstens war mit mir einer Meinung, dass die Homöopathie schon in die Ausbildung der Medizinstudenten gehöre. Dagegen gab es aber heftigen Widerstand seitens der medizinischen Fakultäten. Sie eröffnete mir als damaligem Vorsitzenden des DZVhÄ den Zugang zu leitenden Persönlichkeiten des Gesundheitsministeriums. Darüber gelang es uns innerhalb von 5 Jahren, endlich die Aufnahme von Homöopathie und Naturheilverfahren in den Lernzielkatalog für Medizinstudenten zu erreichen, wo die Homöopathie noch heute als Wahlpflichtfach verankert ist.
Frau Carstens war voller Begeisterung für die Homöopathie und vermochte diese auch auf ihre Mitaeiter und Patienten zu übertragen. Deshalb praktizierte sie mit großer Freude bis kurz vor ihrem Tod. Sie war auch eine überzeugte und praktizierende Christin, die zeitweise dem Presbyterium in Meckenheim angehörte und sich in ihrem Leben von der Liebe leiten ließ, die Jesus vorgelebt hatte. Wir verlieren in ihr einen wahrhaft vorbildlichen Menschen, dem nachzueifern alle Mühe lohnt. Sie hat vieles angestoßen, das wir in ihrem Sinne fortführen sollten. Damit können wir ihr am besten für ihr großartiges Lebenswerk danken und die Erinnerung an sie wach halten.
Karl-Heinz Gebhardt