Klin Padiatr 2015; 227(04): 234
DOI: 10.1055/s-0034-1398566
Kurzmitteilung
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Reisen ohne Grenzen – Chikungunya Fieber

Travel without Frontiers – Chikungunya Fever
P. Gessler
,
M. Ottinger
,
M. Kommerell
Weitere Informationen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. April 2015 (online)

Bei der Differenzialdiagnostik fieberhafter Erkrankungen muss im Zeitalter des weltweiten Tourismus auch an eher „exotische“ Infektionskrankheiten gedacht werden.

Wir berichten über einen 14 ½ Jahre alten Jugendlichen, der während eines Aufenthaltes Ende Februar in Jakarta, Indonesien plötzlich Fieber bekommen hatte und über starke Kopf- und Gliederschmerzen klagte. Bei einer Konsultation vor Ort erfolgte eine Blutuntersuchung (Leukozyten 4,2/nl, Hämoglobin 12,8 g/dl, Thrombozyten 209/nl) und eine Malariadiagnostik (dicker Tropfen). Eine antibiotische Therapie mit einem Cephalosporin der 2. Generation wurde begonnen. Bei ausbleibender Besserung nach 2 Tagen mit weiterhin hohem Fieber wurde er in Begleitung seiner Eltern nach Deutschland zurückgeflogen. Bei der Vorstellung hier klagte der Patient über anhaltendes Fieber über 39°C, Kopfschmerzen und Schmerzen in den Beinen. Bei der körperlichen Untersuchung war der Rachen leicht gerötet, nuchal war ein kleiner Lymphknoten tastbar, die Gelenke waren frei beweglich und ansonsten bestand ein unauffälliger Status. Labor (Werte in Klammer beziehen sich auf den Verlauf): Leukozyten 2,2 (4,2 und 5,7)/nl, Neutrophile 0,5 (3,4)/nl, Lymphozyten 1,1 (1,3)/nl, Monozyten 0,4 (0,7)/nl, Hämoglobin 14,8 (14,3) g/dl, Retikulozyten 4,5‰, Retikulozytenzahl 225 900/µl, Thrombozyten 203 (219)/nl; Bilirubin gesamt 0,60 mg%, AST 36 (27) U/l, ALT 33 (31) U/l, Creatinkinase 49 (39) U/l, Laktatdehydrogenase 323 (295) U/l, CRP 0,11 (0,09) mg%; Urin kein Nachweis von Erythrozyten;.Serologie Chikungunya IgG IFT pos 1:10, Chikungunya IgM IFT pos 1:1 000 und damit akute Infektion, Dengue-Virus- und Cytomegalie Virus-Antikörper negativ, Malaria Diagnostik negativ, Epstein Barr Virus IgG Banden pos., IgM neg., Influenza A (inkl. H1N1) und B RNA PCR sowie Serologie negativ.

Unter symptomatischer Therapie mit Antipyrese kam es zu einer langsamen Besserung, 10 Tage nach Beginn der Beschwerden war der Patient weitgehend symptomfrei und fühlte sich lediglich noch etwas schlapp. Im weiteren Verlauf dann völlige Gesundung bis zum heutigen Tag.

Im Jahr 2012 wurden 9 Fälle von Chikungunya Fieber an das Robert Koch Institut gemeldet, davon keine Erkrankung bei einem Kind oder Jugendlichen (Epidemiologisches Bulletin 2013; 43: 437–448). Mit Stand vom 28. Mai 2014 wurden für 2014 insgesamt 18 Chikungunya-Erkrankungen übermittelt, von denen 9 von Reiserückkehrern aus der Karibik stammten (Epidemiologische Bulletin 2014; 22: 194). Erstmals berichten wir über die Erkrankung bei einem Jugendlichen in Deutschland.

Die Symptome bestehen aus einem schnellen Fieberanstieg und Polyarthralgien, wobei die Gelenkbeschwerden meist bilateral und symmetrisch sind, seltener sind Kopfschmerzen, Konjunktivitis, Muskelschmerzen und Arthritis sowie petechiale Blutungen und makulopapulöse Effloreszenzen (Staples JE, Fischer M, N Engl J Med 2014; 371: 887–889). Erreger ist das Chikungunyavirus, das durch verschiedene Stechmücken übertragen werden kann. Typisch ist auch die kurze Inkubationszeit, die meist 3–7 Tage beträgt (Bereich 1–12 Tage) (Centers for Disease Control and Prevention) und in unserem Fall 6 Tage betrug. Differenzialdiagnostisch müssen andere virale Infektionen mit Gelenkbeteiligung, Dengue-Fieber, rheumatoide Arthritis und reaktive Arthritis einbezogen werden.

Eine Leukopenie wird als Hauptcharakteristikum berichtet (Win MK et al., J Clin Virol 2010; 49: 111–114), typischerweise bei Chikungunyavirus Infektion mit Lymphopenie, während Denguefieber häufiger mit einer Neutropenie assoziiert ist (Laoprasopwattana K et al., Pediatr Infect Dis J 2012; 31: 459–463; Staples JE, Fischer M, N Engl J Med 2014; 371: 887–889). Die bei unserem Patienten vorliegende ausgeprägte Neutropenie könnte Folge einer biologischen Variabilität des Virus mit unterschiedlicher Zytotoxizität sein (Morens DM, Fauci AS, N Engl J Med 2014; 371: 885–887).

Erstaunlich ist, dass der Patient trotz anhaltend hohem Fieber ohne Gesundheitskontrolle mehrere internationale Flughäfen passieren konnte. Dies, obwohl ja Ausbrüche von verschiedenen Infektionserkrankungen immer wieder zu großen Verunsicherungen führen und es auch genügend Pressemitteilungen zur Verbreitung der Infektionserkrankungen gibt wie auch das jüngste Beispiel der Ebola Epidemie in Afrika zeigt. Zwischenzeitlich werden an einigen Flughäfen bei Reisenden Fieber gemessen und ein standardisierter Fragebogen nach Erkrankungen verteilt.

Schlussfolgernd muss auch bei Kindern und Jugendlichen mit entsprechender Symptomatik gezielt nach einem Auslandsaufenthalt gefragt werden und rasch die differenzialdiagnostischen Überlegungen angestellt werden und Maßnahmen einschließlich einer eventuell durchzuführenden Isolierung getroffen werden. Die Regeln der Gesundheitskontrollen im internationalen Reiseverkehr sollten überprüft werden und ein standardisierter Fragebogen nach übertragbaren Erkrankungen sollte verpflichtend sein.