Z Gastroenterol 2018; 56(05): e14
DOI: 10.1055/s-0038-1648588
Kategorie: Poster „klinisch orientierte Forschung“
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neue Versorgungsstrukturen für Patienten mit erblichen Darmkrebserkrankungen

V Steinke-Lange
1   Medizinisch Genetisches Zentrum (MGZ), München
2   Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Campus Innenstadt, Klinikum der Universität München
,
E Holinski-Feder
1   Medizinisch Genetisches Zentrum (MGZ), München
2   Medizinische Klinik und Poliklinik IV, Campus Innenstadt, Klinikum der Universität München
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
03 May 2018 (online)

 

Hintergrund:

Die Versorgung von Patienten mit seltenen oder komplexen Erkrankungen stellt nach wie vor eine große Herausforderung im klinischen Alltag dar. Dies trifft auch für erbliche Darmkrebserkrankungen zu. Während es für die seltenen Polyposis-Syndrome häufig wenig klinische Erfahrung mit der Betreuung der Patienten gibt, ist die Identifizierung und Betreuung von Patienten mit dem recht häufigen HNPCC/Lynch-Syndrom vor allem durch die Komplexität des Krankheitsbildes erschwert. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene gibt es gute Ansätze, die Versorgung dieser Patientengruppe zu verbessern.

Methoden:

Die aktuellen Ansätze zur Versorgung von Patienten mit erblichen Darmkrebserkrankungen auf nationaler und internationaler Ebene sollen aus der Praxis heraus dargestellt werden.

Ergebnisse:

Auf nationaler Ebene gibt das 1999 gegründete Deutsche Konsortium für familiären Darmkrebs (ehem. HNPCC-Konsortium) seit vielen Jahren Empfehlungen für die Versorgung von Patienten mit HNPCC/Lynch-Syndrom heraus, die unter anderem in die S3-Leitlinie Kolorektales Karzinom übernommen wurden. Das Konsortium, welches initial aus sechs klinischen Standorten (darunter das Zentrum in München) mit Vertretern aller relevanten Fachrichtungen bestand, hat sich aktuell um weitere acht klinische Standorte erweitert, um eine bessere Flächendeckung in Deutschland zu gewährleisten. Zusätzlich ist auch eine inhaltliche Erweiterung des Konsortiums erfolgt, das sich zukünftig allen familiären Darmkrebserkrankungen widmen möchte, sowohl wissenschaftlich als auch auf die Patientenversorgung gerichtet. Hierzu wurden bereits konsortiumsinterne Standardvorgehensweisen für die Identifizierung und Betreuung von HNPCC/Lynch-Syndrom-Patienten erstellt, die zeitnah veröffentlicht werden sollen. Die Initiierung gemeinsamer Forschungsprojekte des neu aufgestellten Konsortiums läuft bereits.

Die Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen ist auch ein großes Anliegen der EU. Im März 2017 wurden deshalb 24 Europäische Referenznetzwerke (ERNs) ins Leben gerufen, die standardisierte Behandlungskonzepte für Patienten mit seltenen oder komplexen Erkrankungen schaffen und europaweit allen Patienten Zugang zu der optimalen Versorgung ermöglichen sollen. Eines dieser Expertennetzwerke ist das ERN GENTURIS (GENetic Tumor RIsk Syndromes), welches sich mit erblichen Tumorsyndromen befasst. Hierzu sollen Behandlungsstandards und Leitlinien geschaffen werden, die über nationale und europaweite Kommunikationsinstrumente und Fortbildungsangebote europaweit allen Patienten zugute kommen sollen. GENTURIS unterstützt zudem die Forschung auf dem Gebiet der erblichen Tumorerkrankungen. Um die Maßnahmen optimal auf die Bedürfnisse der Betroffenen abzustimmen, werden Patientenvertreter von Anfang an eng in alle Arbeitsbereiche von GENTURIS eingebunden. Aus Deutschland sind das Zentrum für seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Bonn (Koordination Prof. Stefan Aretz), das Institut für Humangenetik in Dresden (Koordination Prof. Evelin Schröck) und das Medizinisch Genetische Zentrum in München (Koordination Dr. Verena Steinke-Lange) an GENTURIS beteiligt. Frau Prof. Elke Holinski-Feder vom Medizinisch Genetischen Zentrum in München ist zudem die nationale Koordinatorin für GENTURIS in Deutschland. Neben den o.g. zentralen Aufgaben von GENTURIS, koordinieren die einzelnen Zentren vor Ort die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Fachrichtungen, um eine optimale Versorgung der Patienten mit erblichen Tumorsyndromen zu gewährleisten. Sie stehen zudem als nationale Ansprechpartner für Patienten mit erblichem Tumorsyndrom und ihre Ärzte zur Verfügung.

Schlussfolgerung:

Die Versorgung von Patienten mit seltenen und komplexen Erkrankungen erfordert neben klinischer Erfahrung auch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die dargestellten Strukturen können im klinischen Alltag dabei helfen, eine bestmögliche Versorgung der Patienten zu gewährleisten.