Aktuelle Neurologie 2005; 32(2): 67
DOI: 10.1055/s-2004-834543
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dopaminagonisten: Vom Umgang mit neu entdeckten Nebenwirkungen

New Side Effects of Dopamin Agonists and How to Deal with ThemG.  Deuschl1
  • 1Neurologische Klinik der Christian-Albrechts-Universität
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. März 2005 (online)

Jüngst wurde durch mehrere Einzelfallpublikationen klar, dass unter Dopaminagonistenbehandlung neue Nebenwirkungen, nämlich fibrotische Herzklappenveränderungen, auftreten können. Nebenwirkungen, die über zehn Jahre nach der Einführung von Medikamenten oder sogar Medikamentengruppen erstmals entdeckt werden, sind sicherlich klinisch nicht häufig aber vielleicht umso bedeutsamer. Im vorliegenden Falle spricht vieles dafür, dass vor allem die Ergotagonisten betroffen sind. Nichtsdestoweniger ist dies allenfalls ein Zwischenstand der Erkenntnis. Bis heute fehlen Studien, die klären, ob es sich um einen Substanzeffekt, einen Gruppeneffekt der Ergotagonisten oder einen Klasseneffekt der Ergot- und Non-Ergotagonisten handelt.

Wie wurden nun die Ärzte über diese Befunde informiert? Die hauptbetroffene Firma schickte einen „Rote-Hand-Brief”, der die Situation erläutert und maßvolle Gegenmaßnahmen vorschlägt. Die beiden Non-Ergot-Produzenten dagegen nutzten die Situation und schrieben die Ärzte in persönlichen Briefen an, wie die Umsetzung der Patienten auf ihr jeweiliges Non-Ergot-Präparat erfolgen sollte. Gerade bei langjähriger Therapie von Parkinson-Patienten ist das Umsetzen von Agonisten oft nicht unproblematisch und kann die Patienten viele Wochen schlechter Beweglichkeit oder Schlimmeres kosten. Eine ungezielte Umstellung, ohne Art und Umfang der Gefährdung eines individuellen Patienten durch die jeweiligen Präparate zu kennen, kann nicht sinnvoll sein. Die deutschen Gesellschaften für Neurologie und Kardiologie (siehe Artikel S. 68) sahen sich deshalb veranlasst eine Empfehlung zu formulieren, die einen für den Patienten sicheren Weg beschreibt, indem die Behandlung mit dem laufenden Agonisten fortgesetzt wird, wenn sich keine pathologischen Befunde nach kompetenter Ultraschalluntersuchung des Herzens zeigen.

In der Vergangenheit sind gerade die Non-Ergotagonisten angeschuldigt worden, so genannte Schlafattacken auszulösen. Dies hat sogar zu einer Reaktion der EMEA, der europäischen Zulassungsbehörde, geführt. Schließlich haben umfangreiche Studien gezeigt, dass es sich um einen Klasseneffekt aller dopaminergen Medikamente handelt, und die Aufklärung der Patienten über diese mögliche Nebenwirkung gehört heute zum Standard.

Wir können heute noch nicht absehen, wohin uns das Ergebnis der nun dringend notwendigen Studien zum Ausmaß der fibrotischen Herzklappenveränderungen führen wird. In jedem Falle werden sich Neurologen schwer tun Empfehlungen zu folgen, die bei der momentanen Datenlage nur als unüberlegte Werbemaßnahme gedeutet werden müssen. Hier ist die immer zitierte Kooperation der Industrie mit den Fachärzten einzufordern, die sich an der Aufklärung dieser Nebenwirkung beteiligen sollte und im Kontakt mit den Gremien der Fachgesellschaften einen für die Patienten optimalen Weg aus dieser schwierigen Situation suchen sollten.

Prof. Dr. Günther Deuschl

Department of Neurology · Christian-Albrechts-Universität Kiel

Schittenhelmstraße 10

24105 Kiel

eMail: g.deuschl@neurologie.uni-kiel.de