Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - V20
DOI: 10.1055/s-2005-871353

Standortbestimmung: Phthalatbelastung in Frühgeborenen

G Fusch 1, R Preuss 2, D Scholz 1, H Koch 2, J Angerer 2, C Fusch 1
  • 1Klinik u. Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Greifswald
  • 2Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Erlangen, D

Einleitung: DEHP (Diethylhexylphthalat) ist das meistverwendete Additiv in Weich-PVCs und garantiert die flexiblen und elastischen Eigenschaften. Weich-PVC Produkte werden in allen Lebensbereichen, so auch in der Medizin eingesetzt. In Tierversuchen wurde DEHP als teratogen, reproduktionstoxisch und kanzerogen identifiziert. Phthalate sind in der PVC-Matrix nicht chemisch fest gebunden und können durch Auswaschung (insbesondere durch fetthaltige Emulsionen bei parenteraler Ernährung), Diffusion und Abrieb freigesetzt werden. Besonders Neu- und Frühgeborene mit intensivmedizinischer Versorgung tragen ein hohes Risiko mit DEHP durch PVC-Produkte in Berührung zu kommen. Als Hauptbelastungsquellen für DEHP kamen Schläuche, wie gastroenterologische Sonden, Verlängerungsleitungen und IV-Systeme besonders für parenterale Ernährung in Betracht. In dieser Studie soll die neonatale Phthalatbelastung durch Intensivmedizin untersucht werden.

Methode: 76 Urine von 46 intensivmedizinisch betreuten Neu- und Frühgeborenen im postkonzeptionellen Alter von 24–41 Wochen (Zeitraum 2001–2004) wurden zwischen dem 3. und 31. LT gesammelt. 26 Kinder wurden mehrfach (2 bis 3-fach) gemessen. Mittels Tandem-Massenspektroskopie wurde Urin auf die Metaboliten von DEHP (MEHP, 5-OH-MEHP, 5-oxo-MEHP, 5-cx-MEPP und 2cx-MMHP) untersucht. Die Detektion der Metaboliten hat gegenüber der Messung von DEHP den Vorteil, dass nachträgliche Kontaminationen, z.B. durch PVC-haltige Sammelgefäße, keinen Einfluss auf die Analytik besitzen.

Ergebnis: Bei fast allen behandelten Kindern wurden erhöhte Metaboliten-Konzentrationen gefunden. Tendenziell fanden wir bei den unreiferen Patienten die höchsten Konzentrationen. Die TDI (tolerierbare tägliche Aufnahme (EU RAR)Newborn 20µg/kg/d) für DEHP wurde in einem Fall nach operativem Eingriff mit Bluttransfusion um das ca. 70-fache überschritten (s. Tabelle). Das Spektrum der Metaboliten bei Neonaten unterschied sich deutlich von dem Erwachsener (EW): EW Hauptmetaboliten: 5-cx-MEPP (22%), 5-OH-MEHP (25%), 5-oxo-MEHP (15%), Neonaten: Hauptmetaboliten 5-cx-MEPP (43%) und MEHP (21%).

Konklusion: Die Untersuchung zeigt, dass Neonaten einer erhöhten Phthalatbelastung ausgesetzt sind, die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch den Einsatz phthalathaltiger Magensonden und IV-Systeme bedingt sind. Dabei scheint es zwischen enteraler und parenteraler Zufuhr keinen Unterschied zu geben. In einer nachfolgenden Studie soll geklärt werden, ob die vermuteten Phtalatbelastungen durch Austausch dieser Produkte eliminiert werden können.

Je nach Entwicklungsstand ließen sich bei den Neonaten drei Risikolevels nachweisen:

Tägliche Aufnahme an DEHP pro

Median

min.

max.

Kilogramm Körpergewicht

µg/kg/d

µg/kg/d

µg/kg/d

ohne Magensonde und ohne parenterale Ernährung (n=3)

6

2

15

mit Magensonde oder mit parenteraler Ernährung (n=30)

41

11

65

mit Magensonde und parenteraler Ernährung (n=46)

118

11

1390