Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - V23
DOI: 10.1055/s-2005-871356

Belastung mit Organochlorverbindungen durch mütterliches Stillen: Eine potentielle Bedrohung für unsere Kinder?

GM Lackmann 1
  • 1Kinderarztpraxis, Hamburg, D

Hintergrund: Kanzerogene und teratogene Organochlorverbindungen sind als Umweltschadstoffe trotz einer erheblichen Abnahme in den vergangenen 20 Jahren noch immer in unserer Biosphäre und damit auch in unserer Nahrungskette vorhanden und werden bereits transplazentar von der Mutter auf den Fetus übertragen. Aufgrund der hohen Lipophilie dieser Substanzen stellt Muttermilch einen Eliminationspfad von besonderer Bedeutung dar, und es war Ziel der vorliegenden Studie zu untersuchen, inwieweit mütterliches Stillen die Belastung unserer Säuglinge mit Organochlorverbindungen erhöht.

Patienten und Methode: Die Studie wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf begutachtet und für unbedenklich erachtet. Mit dem schriftlichen Einverständnis der Eltern wurden bei jeweils 10 gestillten und 10 flaschengefütterten Säuglingen im Alter von 6 Wochen und 6 Monaten Blutproben entnommen. Das Serum wurde mittels Gaschromatographie mit ECD-Detektion/Massenspektrometrie u.a. auf die drei höherchlorierten PCB-Referenzkongenere (IUPAC Nr. 138, 153 und 180), auf HCB und DDE, dem Hauptmetaboliten des DDT im menschlichen Organismus, untersucht. Darüber hinaus wurde die Summe der drei höherchlorierten PCB-Kongenere (Σ PCB) berechnet, die heute allgemein als Standardmarker für die körperliche Belastung mit PCB gilt.

Ergebnisse: Zwischen den Untersuchungsgruppen der gestillten und flaschengefütterten Säuglinge bestanden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Geschlecht, Geburtsgewicht, Gestationsalter, Alter der Mütter und Tabakrauchverhalten der Eltern. Die Analysenergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Dabei zeigte sich, dass die gestillten Säuglinge signifikant (p<0,001 im Wilcoxon-Test für unabhängige Stichproben) höhere Konzentrationen aller untersuchter Organochlorverbindungen aufwiesen, als die flaschengefütterten Kinder, und die Konzentrationen mit der Dauer des Stillens (6 Wochen vs. 6 Monate) ebenso signifikant anstiegen.

Schlussfolgerungen: Mütterliches Stillen führt zu einer signifikant höheren Belastung mit Organochlorverbindungen als die Ernährung mit kommerziell hergestellter Säuglingsnahrung innerhalb der ersten 6 Lebensmonate. Dabei erreichen die Konzentrationen der gestillten Kinder die Größenordnung, die wir in Deutschland vor 20 Jahren bei gesunden Neugeborenen gemessen haben. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die meisten Studien, die sich mit den schädlichen Einflüssen von Organochlorverbindungen auf Säuglinge und Kleinkinder befassen, auf Zahlenmaterial dieser Zeit beruhen, sind die vorliegenden Ergebnisse beunruhigend, und es sind dringend weitere Studien an größeren Patientenkollektiven erforderlich, um unsere Ergebnisse zu verifizieren und ggf. den Nutzen mütterlichen Stillens neu zu bewerten

Gestillte Säuglinge(n=10); Median (Range)

Flaschengefütterte Säuglinge(n=10); Median (Range)

6 Wochen

6 Monate

6 Wochen

6 Monate

Σ PCB

1,19 (0,16–2,25)

2,28 (0,12–2,25)

0,29 (0,12–0,63)

0,18 (0,02–1,32)

HCB

0,13 (0,04–0,52)

0,43 (0,16–0,47)

0,04 (0,02–0,21)

0,07 (0,01–0,12)

DDE

1,05 (0,76–3,49)

1,90 (0,21–4,63)

0,18 (0,07–0,54)

0,19 (0,03–0,68)