Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - V49
DOI: 10.1055/s-2005-871382

Prospektive Untersuchung der adrenalen Stressantwort Frühgeborener >30 Schwangerschaftswochen anhand der Kortisolproduktionsraten

M Heckmann 1, B Grofer 1, M Hartmann 1, R Bödeker 2, L Gortner 3, S Wudy 1
  • 1Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Gießen
  • 2Institut für Med. Informatik, Gießen
  • 3Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Homburg/Saar, D

Fragestellung: Eine unreife adrenale Stressantwort während Erkrankung in der Neonatalperiode wird auch bei Frühgeborenen >30 SSW vermutet. In dieser prospektiven Untersuchung wurden daher die Kortisolproduktionsraten (KPR) als ein integraler Parameter der adrenalen Funktion bei gesunden und kranken Frühgeborenen >30 SSW bestimmt. Zusätzlich wurden die Ergebnisse mit denen unreiferer Frühgeborener <30 SSW verglichen.

Methodik: Urin wurde nicht invasiv in Windeln aus reiner Zellulose 24 Stunden gesammelt und durch eine hydraulische Presse (120 kPa/cm2) extrahiert. Glukokortikoidmetabolite wurden mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie identifiziert und quantifiziert. Die KPR wurden aus der Summe von 14 individuellen Glukokortikoidmetaboliten berechnet [1] und bei 61 “gesunden“ (Mittelwert [Standardabweichung]: 33,6 [1,7] SSW; 1995 [435] g) und 20 kranken (33,2 [1,6]; 1935 [453]) Frühgeborenen bestimmt. Eine postnatale Steroidtherapie war ein Ausschlusskriterium. Die Schwere der Erkrankung wurde nach klinischen Kriterien und dem Score for Neonatal Acute Physiology (SNAP) beurteilt.

Ergebnisse: Die höchsten SNAP-Werte wurden in der ersten Lebenswoche gemessen und unterschieden sich zwischen kranken und gesunden Frühgeborenen bis auf Tag 2 (p=0,06) signifikant (p≤0,01). Die Mediane der KPR (µg/kg/d/mg Kreatinin) betrugen bei kranken („gesunden“) Frühgeborenen an Tag 1: 31 (28); Tag 2: 24 (28), Tag 3: 27 (26); Tag 5: 28 (17); Woche 2: 20 (19); Woche 3: 17 (19); Woche 4: 16 (16) und Monat 2: 17 (23). Die univariate Analyse ergab eine signifikante Korrelation zwischen maximalem SNAP und dem Maximum der KPR (r=0,39; p=0,001). Auch nach Hinzunahme weiterer Einflussfaktoren wie des Gestationsalters (p=0,63), Geburtsmodus (p=0,28), Geschlecht (p=0,26) und der pränataler Steroidtherapie (p=0,29) in eine logistische Regressionsanalyse blieb der Einfluss des max. SNAP auf die max. KPR signifikant (p=0,0005). Im Vergleich zu unreiferen Frühgeborenen <30 SSW waren die KPR der Frühgeborenen >30 SSW in der Neonatalperiode signifikant niedriger.

Schlussfolgerung: Im Gegensatz zu unreiferen Frühgeborenen <30 SSW fand sich bei Frühgeborenen >30 SSW eine signifikant positive Korrelation zwischen Schwere der Erkrankung und der Kortisolproduktion als Hinweis auf eine Reifung der adrenalen Stressantwort. Dieser Reifungsprozess war gleichzeitig mit einer signifikant niedrigeren Kortisolproduktion verglichen Frühgeborenen <30 SSW assoziiert. [1] Heckmann et al 2005 Pediatr Res (Epub ahead of print). Gefördert durch DFG-Sachbeihilfe (HE 3557/1–1) an M.H. und S.A.W.