Z Geburtshilfe Neonatol 2005; 209 - V78
DOI: 10.1055/s-2005-871410

Empfehlungen für die Beatmung von Frühgeborenen mit Atemnotsyndrom nach Surfactanttherapie

J Dinger 1, A Töpfer 1, R Schwarze 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Kinder- u. Jugendmedizin, Dresden, D

Einleitung: Grundlage für eine erfolgreiche Surfactanttherapie stellt eine den raschen Veränderungen des Gasaustausches angepasste Beatmung dar. Die Notwendigkeit einer möglichst kontinuierlichen Atemfunktionsdiagnostik als Grundlage für eine optimale Beatmung ist unbestritten, jedoch liegen aussagekräftige Ergebnisse über die Veränderungen von Lungenfunktionsparametern, insbesondere bei Frühgeborenen nach Surfactanttherapie, nur in begrenztem Umfang vor.

Methode: Die Bestimmung der Compliance und der funktionellen Residualkapazität (FRC) erfolgte bei 90 Frühgeborenen mit klinisch und radiologisch gesichertem Atemnotsyndrom vor und 1, 3, 6, 24, 48, 72, 96, 120, 144, und 168 Stunden nach der Surfactantgabe. Die Messung der FRC erfolgte nach der SF6– Auswaschmethode.

Ergebnisse: Die Verbesserung der Oxygenierung unmittelbar nach der Gabe von natürlichen Surfactantpräparationen geht mit einer Erhöhung der FRC einher, deren Ausmaß individuell sehr verschieden ist. Wir fanden eine Stunde nach der Surfactantgabe einen Anstieg der FRC auf 124–402% des Ausgangswertes. Ein Anstieg der Compliance konnte erst nach 6 bis 24 Stunden nach der Therapie gefunden werden. Die Mehrzahl der Patienten wies auch 72 Stunden nach der Surfactantsubstitution im Vergleich zu lungengesunden Neugeborenen noch erniedrigte Werte für Compliance und FRC auf. Eine Erhöhung des PEEP führte zur Normalisierung der FRC, bewirkte jedoch in der Mehrzahl der Patienten einen Abfall der Compliance.

Schlussfolgerung: Die rasche Verbesserung der Oxygenierung nach Gabe von natürlichem Surfactant beruht auf einem Rekruitment von Lungenvolumen, messbar als Zunahme der FRC und macht eine Reduktion der FiO2 möglich. Die FRC-Erhöhung beruht initial auf einer Stabilisierung bereits eröffneter Alveolen am Ende der Exspiration. Erst nach Stunden lässt sich auch eine Verbesserung der Compliance bei fortbestehendem FRC-Anstieg nachweisen. Beide Beobachtungen sind Ausdruck der Eröffnung ehemals atelektatischer Alveolen, möglicherweise nach Umverteilung des zugeführten Surfactants. Die Verbesserung der Compliance führt über das gestiegene Atemzugvolumen zu einer gesteigerten alveolären Ventilation und macht eine Reduktion der Beatmungsfrequenz und des Spitzenbeatmungsdrucks möglich. Dabei sollte wegen der gestiegenen Lungenzeitkostanten zunächst die Beatmungsfrequenz reduziert werden, um eine ausreichend lange Exspirationszeit zu gewährleisten. Zur Vermeidung eines inadvertent PEEP sollte deshalb zunächst die I:E Ratio so eingestellt werden, dass am Ende der Exspiration kein Fluss mehr nachweisbar ist. Dies ist mittels kontinuierlicher Flowmessung am Tubus und Nachweis eines endexspiratorischen Null-Flows möglich. Anschließend sollte durch Senkung des PIP versucht werden einer Lungenüberblähung vorzubeugen. Zuletzt sollte der PEEP reduziert werden, da eine zu frühe Reduktion des PEEP den Prozess der Eröffnung von Atelektasen unterbrechen bzw. zur erneuten Ausbildung von Atelektasen führen kann.