Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2006; 1(3): 195-219
DOI: 10.1055/s-2006-925433
Wirbelsäule
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Verletzungen der thorakolumbalen Wirbelsäule

O. Gonschorek,1 , V. Bühren1
  • 1Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Mai 2006 (online)

Die Bedeutung von Wirbelsäulenverletzungen im Spektrum von unfallchirurgischen Kliniken nimmt stetig zu. Hierzu tragen gesteigerte Ansprüche an die uneingeschränkte Mobilität auch im hohen Alter, zunehmende Freizeitaktivitäten im Hochrasanzbereich, aber auch weiterreichende operative Techniken unter Einbeziehung minimalinvasiver Methoden bei. Letztere ermöglichen die druckstabile Rekonstruktion auch des ventralen Abschnittes der Wirbelsäulenachse bei deutlich reduzierter Morbidität.

Die Basisdiagnostik mit Anamnese, klinischer Untersuchung und Röntgen in 2 Ebenen ist bei Verdacht auf eine Wirbelsäulenverletzung durch eine Computertomographie (CT) zu ergänzen. Diese ist mittlerweile als Routine anzusehen und erlaubt die genaue Einschätzung von Frakturen und Dislokationen. Bei Diskrepanz zwischen Klinik und Röntgenbefund kann die Kernspintomographie (MRT) weiteren Aufschluss über Verletzungslokalisation und -art geben.

Grundlage für eine rationale Therapie ist die exakte Klassifizierung gemäß der AO-Klassifikation auf der Grundlage der Einteilung nach Magerl u. Mitarb. (1994). Auch wenn operative Maßnahmen eine zunehmende Bedeutung erlangen, muss doch darauf hingewiesen werden, dass etwa 80 % der Wirbelsäulenverletzungen konservativ behandelt werden. Versorgungspflichtige osteoligamentäre Instabilitäten liegen gehäuft im thorakolumbalen Übergangsbereich vor. Im Vordergrund der operativen Versorgung steht dabei die Wiederherstellung von Achse und Rotation sowie der Weite des Spinalkanales. Die indirekte Korrektur und Dekompression über dorsale Instrumentierungen sind nach wie vor als Standardvorgehen zu betrachten. Instabilitäten sind als dringliche, neurologische Ausfallserscheinungen als Notfallindikationen zu betrachten.

In den Vordergrund rückt zunehmend die Resektion der meist irreversibel geschädigten Bandscheibe und die Wiederherstellung der druckbelasteten ventralen Säule durch trikortikale Knochenspäne oder expandierbare Cages, ggf. in Kombination mit winkelstabilen ventralen Implantaten. Hier kommen minimalinvasive, endoskopisch gestützte Verfahren vorteilhaft zum Einsatz. Computergestützte Navigationsverfahren auf Basis des CT oder des 3-D-Bildwandlersystems können die Präzision erhöhen und zugleich die intraoperative Strahlenbelastung deutlich reduzieren.

Die Nachbehandlung kann bei gesicherter Wundheilung frühfunktionell beschwerdeorientiert bei uneingeschränkter Mobilisation erfolgen, die Patienten müssen allerdings für ein halbes Jahr schweres Heben und Tragen vermeiden.

Eine wesentliche Besonderheit der Wirbelsäule ist ihr unmittelbarer Bezug zu Myelon und Nervenwurzeln. Entsprechend bestimmt eine vorliegende neurologische Irritation bis hin zum kompletten Querschnitt naturgemäß ganz wesentlich das Ausheilungsergebnis, gerade im Hinblick auf die langfristige Lebensqualität. Alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen müssen eingesetzt werden, um eine solche bleibende Läsion vom Patienten abzuwenden.

Literatur

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Dr. med. Oliver Gonschorek

Leitender Arzt, Abt. Chirurgie/Unfallchirurgie · Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik

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