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DOI: 10.1055/s-2007-989296
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Stellungnahme zum Kommentar von Prof. Dr. Heribert Kuhl
Publication History
Publication Date:
19 November 2007 (online)
In seinem Kommentar vertritt Prof. Kuhl die Meinung, dass ökologische Analysen, wie sie von uns, Ravdin et al. und anderen Kollegen durchgeführt wurden, nicht in der Lage wären, einen Kausalzusammenhang zwischen dem Rückgang der HRT-Nutzung und dem Absinken der Brustkrebsinzidenz zu zeigen. Dem stimmen wir prinzipiell zu. Dass ökologische Studien aber ausschließlich Koinzidenzen aufzeigen, ist so nicht korrekt. Wenn HRT- und Brustkrebsrückgang tatsächlich eine Koinzidenz im Sinne einer dritten Einflussgröße, die beide Vorgänge beeinflusst, darstellen, so ist diese „dritte“ Einflussgröße bislang noch nicht benannt. Ganz aktuell (nach Einreichung unseres Artikels) sind zwei weitere Studien [[1], [2]] aus den Vereinigten Staaten erschienen, die den leichten Rückgang des Mammographie-Screenings als Grund für den Rückgang der Brustkrebsinzidenz ausschließen und den HRT-Rückgang als wahrscheinliche Ursache annehmen. Interessanterweise kristallisiert sich in den beiden Studien wie auch bei Ravdin et al. heraus, dass nur die Hormonrezeptor-positiven Tumoren deutlich abgenommen haben. Eine reine Koinzidenz zwischen diesem sehr spezifischen Befund und dem Rückgang der HRT halten wir für äußerst unwahrscheinlich. Interessanterweise blendet Herr Prof. Kuhl in seinem Kommentar die „One Million Women Study“ völlig aus, obwohl hier in einer großen bevölkerungsbezogenen Kohortenstudie in England ein Effekt der Estrogen/Gestagen-Präparate (Risikoerhöhung um 100 % [95 %-KI: 88 - 112]) und, wenn auch deutlich abgeschwächt, der Estrogen-Präparate (Risikoerhöhung um 30 % [95 %-KI: 21 - 40]) aufgezeigt wurde. Die Berücksichtigung dieser Studie scheint uns mindestens so wichtig wie die Berücksichtigung der WHI-Studie. Herr Prof. Kuhl diskutiert weiter zwei Punkte unserer Ergebnisse. Erstens wird der Unterschied in der Brustkrebsinzidenz zwischen dem Saarland und Schleswig-Holstein als diskrepant bezeichnet (SH etwa 20 % höher als Saarland). Solche Unterschiede sind weder national noch international ungewöhnlich (Brustkrebsinzidenz ausgewählter Länder im Jahr 2002, altersstandardisierte Raten/100 000, Weltstandard: Schleswig-Holstein 103, USA 101, Frankreich 92, Dänemark 89, Schweiz 82, Saarland 81, Österreich 71 [[3]]). Zweitens wird der Anstieg der Brustkrebsinzidenz von 2001 nach 2003 im Saarland (der knapp 2 %ige Anstieg in Schleswig-Holstein ist nicht weiter erwähnenswert) bei bereits begonnenem Abfall der HRT-Nutzung hinterfragt. Zum einen beziehen sich die vorgelegten HRT-Nutzungsdaten nur auf Schleswig-Holstein, der Verlauf der HRT-Nutzung im Saarland könnte verzögert eingesetzt haben. Zum andern ist eine Latenzzeit von 2 - 3 Jahre von Rückgang der HRT-Nutzung und dem Absinken der Brustkrebsinzidenz zu berücksichtigen. Die genannten Limitationen sehen wir auch, sie ändern aber nichts grundlegend an den Kernaussagen unseres Artikels. Viele Indizien sprechen für die Hypothese, dass der Rückgang der HRT-Nutzung und das Absinken der Brustkrebsinzidenz auch kausal miteinander verknüpft sind, stichhaltige Evidenz dagegen gibt es nicht.
Spannend bleibt die weitere Beobachtung der epidemiologischen Zahlen zum Brustkrebs. Es ist nicht auszuschließen, dass der durch den Rückgang der HRT-Nutzung induzierte Rückgang der Brustkrebsinzidenz nur von temporärer Dauer ist. Die ohne HRT-Stimulierung nun langsamer wachsenden Tumoren könnten zum Teil verzögert, dann möglicherweise im Mammographie-Screening entdeckt werden.
Literatur
- 1 Glass A G, Lacey J V, Carreon J D, Hoover R N. Breast cancer incidence, 1980 - 2006: Combined roles of menopausal hormone therapy, screening mammography, and estrogen receptor status. J Natl Cancer Inst. 2007; 99 1152-1161
- 2 Kerlikowske K, Miglioretti D L, Buist D SM, Walker R, Carney P A. Declines in invasive breast cancer and use of postmenopausal hormone therapy in a screening mammography oopulation. J Natl Cancer Inst. 2007; 99 1335-1339
- 3 Ferlay J, Bray F, Pisani P, Parkin D M. GLOBOCAN 2002: Cancer Incidence, Mortality and Prevalence Worldwide IARC CancerBase No. 5. version 2.0. Lyon; IARCPress 2004
PD Dr. med. Alexander Katalinic
Institut für Krebsepidemiologie e. V.
Beckergrube 43 - 47
23552 Lübeck
Email: alexander.katalinic@krebsregister-sh.de