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DOI: 10.1055/s-2008-1067293
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Bildgebung in der Inneren Medizin
Imaging in internal medicinePublikationsverlauf
Publikationsdatum:
19. März 2008 (online)
„Seht ihr nicht, dass das Auge die Schönheit der Welt umschließt. Das Auge ist Herrscher über die Astronomie; es ist Schöpfer der Kosmographie; es leitet und korrigiert die menschlichen Künste; es führt den Menschen in die verschiedenen Bereiche der Welt; es ist der Fürst der Mathematik; seine Wissenschaft ist die sicherste; es hat die Höhe und die Größe der Sterne gemessen; es hat die Elemente und ihre Verteilung enthüllt; es hat die Architektur hervorgebracht, Perspektive und göttliche Malerei… Und es triumphiert über die Natur, insofern als die Bestandteile der Natur endlich sind, aber die Werke, über die das Auge regiert, sind unendlich.” Leonardo da Vinci
Mit der Inspektion, einer der Säulen der körperlichen Untersuchung, macht sich der erfahrene Internist ein erstes Bild von seinem Patienten. Er schließt aus äußerlich sichtbaren körperlichen Veränderungen auf Störungen der Funktion innerer Organe. Die Röntgendiagnostik hat an der Wende des vorletzten zum letzten Jahrhundert erstmals die Möglichkeit einer Bildgebung innerer Organe in vivo geschaffen; die funktionelle Bildgebung hat mit der Angiographie, Sonographie, den nuklearmedizinischen Verfahren sowie Computer- und Kernspintomographie eine wesentliche Erweiterung erfahren. Die moderne Diagnostik greift je nach Bedarf auf die einzelnen Methoden zurück. Gleichzeitig mit deren Entwicklung stieg der Anspruch der Diagnostiker an ihre Leistung, insbesondere die Fähigkeit der räumlichen Auflösung bis zu histologischen und molekularen Strukturen, der zeitlichen Auflösung auch von Schichtbildverfahren bis in den Millisekundenbereich und der Gewebedifferenzierung.
Vom 21. Jahrhundert erwarten wir die Darstellung molekularer Strukturen und Funktionen sowie ihrer Beteiligung an Funktionsstörungen und Krankheiten, wir erwarten Gensonden für den Gebrauch in vivo sowie intelligente Kontrastmittel, die Rezeptoren aufspüren und ihren Funktionszustand prüfen, Pharmako- oder Gentherapeutika transportieren und ihre Wirkung sichtbar machen. Bereits heute gelingt die Darstellung von Genprodukten in lebenden Zellen und Modellorganismen. Funktionelle Bildgebung hat längst über die klinische Medizin hinaus die Grundlagenforschung erobert, wo eine molekulare Bildgebung die Funktionen einzelner Moleküle sichtbar machen kann.
Ein Viertel unserer Großhirnrinde dient dem Auge. Wir glauben, was wir gesehen haben. Darüber hinaus ist sichtbare Wissenschaft allgemeinverständlich oder scheint es doch zu sein, was ihr breite Anerkennung und infolgedessen Förderung beschert. Natürlich kann dies trügerisch sein, und wir können einer „Fata Morgana” aufsitzen oder einem Irrlicht folgen auch in der bildgebenden Diagnostik. Die bildgebende Diagnostik setzt Vertrautheit mit der Funktion und Pathophysiologie der Organe voraus und, bei Anwendung der modernen Verfahren, weitreichende Kenntnisse in der Technologie der angewandten Methoden. Hieraus ergeben sich spezielle Anforderungen an die Weiterbildung und an die Arbeitsgänge bei der Akquisition und Interpretation der Bilder.
Die Ultraschallbildgebung des Herzens und der Abdominalorgane steht heute bei jüngeren Internisten schon in Konkurrenz zu den klassischen physikalischen Methoden, die sie eigentlich ergänzen sollte. Bei Verfahren aus der Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin empfängt der Internist den Befund, bespricht diesen im Idealfall mit dem Radiologen oder Nuklearmediziner und/oder hat heute meist die Möglichkeit auf die zugrunde liegenden Bilder unmittelbar zuzugreifen. Er ordnet sie dann in den Kontext anderer erhobener Befunde ein. Insofern ist die häufig gestellte Frage nach der Wertigkeit einer einzelnen Methode für die Diagnostik unrealistisch, da in der Praxis auch Grenzbefunde verwertet, mit anderen Methoden abgeglichen und im Verlauf bewertet werden müssen. Für den Internisten und seinen Patienten ist es daher von zentraler Bedeutung, die diagnostischen Verfahren in ihrer Wertigkeit in jedem Einzelfall einschätzen zu können, die Einschätzung im Verlauf der Erkrankung unter Umständen auch neu zu bewerten. Zum Beispiel wird ein neu aufgetretenes Diastolikum bei unklarem Fieber zur Diagnose „Endokarditis” führen, auch wenn ein früheres Echokardiogramm keinen richtungweisenden Befund ergeben hat.
Je komplexer die Technologie wird, desto schwieriger wird es, Ultraschall- und Röntgendiagnostik, MRT und nuklearmedizinische Verfahren mit gezielter Fragestellung und in einer diagnostischen Hierarchie einzusetzen. Es kostet Kraft und benötigt Initiative, um in der Weiterbildung und darüber hinaus als Internist die notwendigen Fertigkeiten in den bildgebenden Verfahren zu erwerben und zu erhalten. Wir haben die „Bildgebung in der Inneren Medizin” daher zu einem der Hauptthemen unseres Kongresses 2008 gemacht. Internisten, Radiologen und Nuklearmedizinern haben zusammen ein Programm entworfen, das Überblick über die Wertigkeit modernster bildgebender Verfahren gibt, aber auch kontroverse Themen aufgreift. Das vorliegende Schwerpunktheft spiegelt einiges davon wider.
Prof. Dr. Georg Ertl
Medizinische Klinik I, Klinikum der Julius-Maximilians-Universität
Josef-Schneider-Str. 2
97080 Würzburg