Aktuelle Dermatologie 2019; 45(05): 206
DOI: 10.1055/a-0891-5731
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neonatale Fototherapie beugt der atopischen Dermatitis vor

Ku M-S.
Neonatal Phototherapy: A Novel Therapy to Prevent Allergic Skin Disease for At Least 5 Years.

Neonatology 2018;
114: 235-241
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Publication History

Publication Date:
16 May 2019 (online)

 

    Die Fototherapie mit UV-Licht, aber auch mit anderen Lichtquellen, ist eine der Behandlungssäulen bei allergischen Dermatosen. Die Haut, das dermale Mikrobiom und das Immunsystem entwickeln sich in der Neonatalperiode. Die Autoren stellten deshalb die Hypothese auf, dass eine Fototherapie, die bei Neugeborenen mit einem Ikterus durchgeführt wird, auch vor allergischen Hautkrankheiten schützen könnte. Sie verglichen deshalb die Inzidenzen von ikterischen Neugeborenen mit und ohne Fototherapie mit einer großen Kontrollgruppe.


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    Ein weiterer Schwerpunkt der Studie lag auf der Sicherheit der Fototherapie (UV-freies Licht mit einer Wellenlänge von 390 – 470 nm), wie es standardmäßig für den Neugeborenenikterus verwendet wird. Die Studiendaten stammten aus der taiwanesischen Gesundheitsdatenbank, die > 99 % aller medizinischen Befunde der gesamten Bevölkerung enthält. Von insgesamt 117 041 Neugeborenen aus den Jahrgängen 1997 – 2008 hatten 9747 einen neonatalen Ikterus (8,3 %), 4744 erhielten eine Fototherapie (48,7 %). In der Kontrollgruppe ohne Ikterus waren 107 294 Kinder. Die Wissenschaftler verglichen die Prävalenz der atopischen Dermatitis (AD), der allergischen Rhinitis (AR) und des allergischen Asthmas (AS) in Abhängigkeit von einer erfolgten Fototherapie. Dazu ermittelten sie die Häufigkeit der entsprechenden Diagnosen, der ärztlichen Konsultationen und der Verordnungen von topischen Medikamenten im 1. – 5. Lebensjahr. Die Daten wurden für „Confounders“ adjustiert, die für Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis bekannt sind, u. a. sozioökonomischer Status, angeborene Hauterkrankungen, Neugeboreneninfektionen, Geschlecht, Frühgeburtlichkeit, Geburtsgewicht. Für die Frage der Anwendungssicherheit der Fototherapie wurde die Häufigkeit möglicher Komplikationen (Malignome, benigne Hauttumoren, und Erkrankungen von Haut und Haaren/Haarfollikeln) erfasst. Frühgeborene und besonders kleine Neugeborene waren nicht öfter ikterisch als reif Geborene (9,7 % und 10,4 %). Die ikterische Gesamtgruppe war signifikant häufiger von allen 3 Erkrankungen, AD, AR und AS, betroffen. Das entscheidende Ergebnis der Studie betraf jedoch die AD-Prävalenzen in den Gruppen mit Ikterus: Diese unterschieden sich signifikant bei einem

    • Ikterus mit Fototherapie (10,52 %) von einem

    • Ikterus ohne Fototherapie (12,33 %) (95 %-CI 1,015 – 1,299).

    Signifikant waren die Unterschiede sowohl für die Gesamtgruppe mit Fototherapie als auch für die Subgruppe der Jungen. Hingegen waren die Häufigkeiten von AR und AS in den Gruppen nicht signifikant verschieden. Passend dazu fanden in den ersten 4 Lebensjahren signifikant seltener Arztbesuche statt, wenn die Kinder mit einem Ikterus neonatorum eine Fototherapie erhalten hatten. Verschreibungen topischer Pharmaka erfolgten ebenfalls seltener. Die Fototherapie steigerte das Risiko für Malignome, Hauttumoren und andere Hauterkrankungen nicht.

    Fazit

    Die Autoren vermuten, dass durch die frühe Fototherapie das Immunsystem der Haut, z. B. durch die verminderte Aktivierung dendritischer Hautzellen, bei einem Teil der Kinder so verändert wird, dass bis zum 4. Lebensjahr eine AD nicht ausbricht. Dabei beeinflusst die Fototherapie wahrscheinlich nicht das gesamte, sondern nur das dermale Immunsystem, weshalb keine Schutzfunktion für AR und AS bestand. Da andererseits die Behandlung der atopischen Dermatitis insbesondere bei Kleinkindern belastend, unbefriedigend und teuer sei, könne sich die Fototherapie in den ersten Lebenstagen zu einer effektiven und sicheren Präventionsstrategie entwickeln. Die Stärke der Studie ist die Vollständigkeit der Gesundheitsdaten und die Größe der Kohorte. Ehe man jedoch überlegen kann, auch bei nicht-ikterischen Neugeborenen aus stark belasteten AD-Familien eine präventive Fototherapie im Neugeborenenalter durchzuführen, wird man noch weitere Beobachtungs- und Interventionsstudien abwarten müssen, u. a. unter Berücksichtigung gemessener Bilirubinspiegel, die für diese Studie nicht vorlagen, aber auch mit der Frage, wann, wie lange und mit welcher Technik der Nicht-UV-Fototherapie solche Interventionen am sinnvollsten sind.

    Zoom Image
    Atopisches Säuglingsekzem an Handgelenken und Handrücken. Min-Sho Ku hat in einer Studie beobachtet, dass ikterische Neugeborene, die eine Fototherapie erhielten, seltener an einer atopischen Dermatitis erkrankten. (Quelle: Tilgen W, Pföhler C, Zaun H. Atopisches Ekzem. In: Gortner L, Meyer S, Hrsg. Duale Reihe Pädiatrie. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018. doi:10.1055/b-005-145246)

    Prof. Dr. Roland Hentschel, Freiburg


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    Atopisches Säuglingsekzem an Handgelenken und Handrücken. Min-Sho Ku hat in einer Studie beobachtet, dass ikterische Neugeborene, die eine Fototherapie erhielten, seltener an einer atopischen Dermatitis erkrankten. (Quelle: Tilgen W, Pföhler C, Zaun H. Atopisches Ekzem. In: Gortner L, Meyer S, Hrsg. Duale Reihe Pädiatrie. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018. doi:10.1055/b-005-145246)