Adipositas - Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie 2019; 13(03): 118-126
DOI: 10.1055/a-0964-0944
Review
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„Jetzt ist der Mensch noch nicht jener Mensch“ [ 1 ] – Nachdenken über eine Verhältnisprävention der Adipositas

Thinking About Primary Prevention of Adiposity
Manfred J. Müller
Institut für Humanernährung und Lebensmittelkunde, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
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Publication Date:
04 September 2019 (online)

Zusammenfassung

Angesichts der Häufigkeit und der begrenzten Erfolge von Verhaltensprävention und Behandlung erscheint eine Verhältnisprävention der Adipositas notwendig. Die bisherigen Erfahrungen von tobacco control sprechen für deren mögliche Wirksamkeit und Übergewicht. Verhältnisprävention adressiert die „Treiber“ von Lebensstilen; dazu gehören unkontrolliertes ökonomisches Wachstum, soziale Verhältnisse und Konsumismus. Verhältnisprävention setzt einen breiten gesellschaftlichen Diskurs voraus; sie ist abhängig von den Prioritäten, welche wir gemeinsam unter der Berücksichtigung vielfältiger Interessen festlegen. Verhältnisprävention ist lösungsorientiert und erfordert Konzepte und Strategien von Public Health anstelle der auf das Paradigma der Energiebilanz und deren möglichen biologischen Kontrolle fokussierten medizinischen Ansätze von Verhaltensprävention und Behandlung von Adipositas. Es ist zu vermuten, dass eine wirksame Verhältnisprävention zukünftig auch die nachhaltigen Erfolge von Verhaltensprävention und die Therapie der Adipositas verbessert.

Abstract

Faced with the high prevalence of obesity and the limited and non-sustained effects of its behavioural prevention and treatment, primary prevention of adiposity seems to be necessary. Tobacco control serves as a positive example of effective primary prevention. Primary goal is to eliminate the systemic conditions that drive obesity (e. g. social inequality, uncontrolled economic growth and consumerism) by addressing social norms and environmental factors. Primary Prevention requires a broad social discourse and depends on the priorities, which we establish in consideration of all stakeholders’ interest. Primary prevention is solution-oriented and based on concepts and strategies of public health instead of medical attempts at behavioural prevention and treatment of adiposity which focus on a paradigmatic biomedical control of energy balance. It is likely that an effective primary prevention will also add to improve behavioural prevention and treatment of adiposity.

1 F.M.Dostojewski. Die Dämonen. R. Piper & Co Verlag, München, 1961.