Phlebologie 2019; 48(06): 350-357
DOI: 10.1055/a-1013-6370
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Arteriell bedingte Beinschmerzen

Article in several languages: deutsch | English
Christoph Kalka
Innere Medizin I, Marienhospital Brühl
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Korrespondenzadresse / Correspondence

PD Dr. Christoph Kalka

Publication History

26 July 2019

30 July 2019

Publication Date:
02 December 2019 (online)

 

Zusammenfassung

In der differentialdiagnostischen Abwägung von Beinschmerzen spielen arterielle Gefäßerkrankungen eine wichtige Rolle. Nicht selten allerdings werden in der täglichen Arztpraxis zunächst orthopädische und neurologische Ursachen in Erwägung gezogen. Ein Grund ist sicher die facettenreiche Symptomatik und die Heterogenität arterieller Durchblutungsstörungen.

Obwohl arteriell bedingte Schmerzen der Beine überwiegend arteriosklerotischer Genese sind, sollte das Vorliegen nicht-arteriosklerotischer Ursachen wie die Embolie, die Gefäßdissektion, Kompressionssyndrome und inflammatorische Erkrankungen immer in Erwägung gezogen werden. Prognoseentscheidend ist das Erkennen einer arteriell bedingten Problematik, die Abschätzung des Schweregrades der Durchblutungsstörung und dadurch auch des Amputationsrisikos der Extremität sowie ein zügiges Management.


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Vaskulär bedingte Schmerzen der Beine

Sowohl arterielle als auch venöse Gefäßerkrankungen sind Teil der täglichen Arztpraxis, und das nicht nur für Gefäßmediziner. Beschwerden in den Beinen präsentieren sich in verschiedensten Formen, daher spielt die Abwägung von Differentialdiagnosen eine bedeutende Rolle.


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Differentialdiagnose arterieller Gefäßerkrankungen

Arterielle Durchblutungsstörungen verursachen eine Minderversorgung des Gewebes mit Sauerstoff. An den unteren Extremitäten führt dies insbesondere bei einem belastungsinduziertem Mehrbedarf an Energie zu ischämiebedingten Muskelschmerzen. Die häufigste arterielle Gefäßerkrankung, die PAVK als peripher arterielle Verschlusserkrankung, ist daher im Wesentlichen eine Erkrankung, die sich klassischerweise erst bei Bewegung, also durch Muskelarbeit, manifestiert. Bei Fortschreiten der Perfusions- und Nutritionsstörung kann letztlich der Energiebedarf auch in Ruhe nicht mehr gewährleistet werden mit daraus resultierenden Ruheschmerzen.

Prinzipiell gilt es, dass die belastungsabhängigen Beschwerden immer distal des betroffenen Gefäßbezirks auftreten [1]. Das bedeutet, dass bei einem Verschluss zum Beispiel der distalen Bauchaorta, inklusive der Beckenarterien, die Schmerzen unterhalb der Beckenregion, also in der Gesäßmuskulatur und den Oberschenkeln auftreten können. Die klassische Claudicatio intermittens tritt als unangenehmer Wadenkrampf beim Gehen mit rascher Linderung im Stehen auf. Sind die Unterschenkelarterien betroffen, dann sollte die Fußclaudicatio die Folge sein. Da jedoch dieser distale Verteilungstyp meist bei Diabetikern auftritt, welche im Spätstadium ihrer Erkrankung ein vermindertes Schmerzempfinden durch eine Neuropathie zeigen, werden diese Beschwerden eher selten angegeben.

Die beschriebenen Symptome sind Ausdruck chronischer Durchblutungseinschränkungen. Sie werden demnach in der Regel ohne großen Zeitdruck differentialdiagnostisch abgeklärt. Ganz im Gegensatz dazu, müssen die akuten Formen der PAVK mit dramatischer Einschränkung der Beindurchblutung so rasch wie möglich diagnostiziert und behandelt werden, um eine drohende Amputation zu verhindern. Tritt ein Gefäßverschluss plötzlich ohne suffiziente Kollateralkreisläufe auf, dann ist das Ereignis extrem schmerzhaft und bedrohlich.

Differentialdiagnose des Beinarterien-Verschlusses – AKUT

  • Weiß-blasse Extremität

  • ischämischer (nächtlicher) Ruheschmerz

  • farbmäßig deutlicher Seitenunterschied

  • Beschwerdezunahme durch Hochlagerung

  • Besserung nach Beintieflagerung

Differentialdiagnose: überwiegend neurologische Ursachen mit Lähmung oder Irritation von Nervenwurzeln wie akute radikuläre oder pseudoradikuläre Läsionen, Bandscheibenprolaps, oder Ischialgie. Lagewechsel mit Hoch- oder Tieflagerung ändern die Symptome meist nicht, sehr wohl jedoch Streckung oder Beugung.

Differentialdiagnose des Beinarterienverschlusses – CHRONISCH

  • Etwas blasse bis angedeutet livide Extremität, farbmäßig geringer Seitenunterschied

  • Schmerzen nur im Gehen

  • Linderung der Beschwerden durch stehen bleiben

Differentialdiagnose: überwiegend orthopädische Erkrankungen, welche jedoch meist schon im Aufsetzen oder im Stehen bzw. nach kurzer Gehstrecke von wenigen Metern auftreten. Im Gegensatz zu den Patienten mit arteriellen Perfusionsstörungen, bevorzugen Patienten mit orthopädischen Erkrankungen sich hinzusetzen.


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Ursachen arteriell bedingter Beinschmerzen

Arteriosklerotisch bedingte Beinschmerzen

Betroffene sind meist > 50 Jahre, wobei auch juvenile Formen der Arteriosklerose möglich sind. Hierbei handelt es sich häufig um eine Systemerkrankung mit Manifestation der arteriosklerotischen Gefäßveränderungen in allen Gefäßregionen, peripher (pAVK), zerebrovaskulär (cAVK), koronar (KHK) und viszeral (AVK). Die 5-Jahres-Mortalität ab Erstmanifestation bei multilokulärem Befall beträgt knapp 30 % [2], [3], [4].

Klassisch liegt ein belastungsinduzierter Beinschmerz nach reproduzierbarer Gehstrecke mit rascher Erholung in Ruhe vor. Im Gegensatz zur Claudicatio spinalis bei Spinalkanalstenose, wo sich Patienten lieber setzen möchten, reicht bei PAVK ein reines Unterbrechen der Belastung mit Stehenbleiben in der Regel aus. Es ist aber zu beachten, dass trotz Vorliegens einer PAVK viele Patienten asymptomatisch sind ohne wesentliche Unterschiede in der Gesamtmortalität.

Als Hauptrisikofaktoren einer Arteriosklerose sind ein Nikotinkonsum, die arterielle Hypertonie, die Hyperlipidämie und der Diabetes mellitus zu betrachten. Problematisch ist die fortbestehende medikamentöse Unterversorgung von PAVK-Patienten hinsichtlich Risikofaktoren und Begleiterkrankungen.

In der Diagnostik stehen eine ausführliche Anamnese und die klinische Untersuchung mit Pulsstatus, Inspektion der Haut und Bestimmung der Verschlussdrucke bzw. des ABI (Knöchel-Arm Index) im Vordergrund. Ein ABI < 0,9 ist beweisend für das Vorliegen einer PAVK.

Weiterführende diagnostische Maßnahmen umfassen die Laufbandtestung, und die Duplexsonographie, die immer vor radiologischen Untersuchungen stehen sollte.

Alle Patienten mit diagnostizierter PAVK müssen eine Basistherapie mit optimaler medikamentöser Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren und Verordnung von Gehtraining, am effektivsten in Form von strukturiertem Gefäßsport erhalten. Darüber hinaus stehen invasive Therapieverfahren wie die Katheterintervention oder die chirurgische Revaskularisation mittels Thrombendarteriektomie oder Bypass-OP zur Verfügung. Die differenzialtherapeutische Entscheidung sollte in Abhängigkeit vom klinischen Status wenn möglich immer interdisziplinär getroffen werden. Diese Maßnahmen können zur Verbesserung der Lebensqualität in Frage kommen, sind aber bei Vorliegen einer kritische Extremitätenischämie zur Vermeidung einer Amputation immer in Betracht zu ziehen. Keine Amputation sollte ohne ausführliche Gefäßdiagnostik und Angiographie erfolgen.


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Akuter arterieller Verschluss

Ein akuter Arterienverschluss der unteren Extremitäten wird verursacht durch einen embolischen oder thrombotischen Querschnittsverschluss eines arteriellen Gefäßes [5]. Es ist der häufigste angiologische Notfall. Bei einer ungenügenden arteriellen Kollateralversorgung entsteht eine akute Extremitätenischämie, die organ- bzw. lebensbedrohliche Auswirkungen haben kann.

Klinisch präsentiert sich ein dramatisches Ereignis mit plötzlichem heftigem Schmerz, distal der Obliterationsstelle mit Blässe, Kälte, Störung von Sensibilität und Motorik.

Die akute pAVK hat eine Inzidenz von etwa 7–14/100 000 Einwohner im Jahr und ist trotz innovativer Diagnostik und Therapie mit einer sehr hohen Morbidität und Mortalität verbunden. So beträgt in den ersten 30 Tagen nach Beginn einer akuten Beinischämie das Amputationsrisiko zwischen 10 % und 30 %. Das Mortalitätsrisiko liegt in den ersten 30 Tagen nach dem akuten Ereignis bei 15–30 %.

Die akute pAVK wird überwiegend durch Embolien (70–80 %), weniger häufig durch akute lokale arterielle Thrombosen (20–30 %) verursacht. 80–90 % der arterielle Embolien haben eine kardiale Ursache.

Quellen kardialer Embolien

  • absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern (70 %)

  • Herzklappenvitien

  • akuter Myokardinfarkt

  • Herzwandaneurysma

  • Endokarditis

  • Tumoren des linken Herzens

  • Vorhofmyxom

  • prothetischer Herzklappenersatz

  • dilatative Kardiomyopathie

  • paradoxe arterielle Embolien über ein offenes Foramen ovale.

Quellen extrakardialer Embolien

    Aneurysmen der aorto-iliacalen und der femoropoplitealen Region

  • Cholesterinembolien

  • arteriosklerotische Plaques

  • Kompressionssyndrom

  • Katheterembolien oder iatrogene Gefäßschäden

  • Tumoren (Bronchialkarzinom, Lungenmetastasen, Angiosarkom)

  • Fremdkörper

Akute arterielle Thrombosen ereignen sich meist in einer vorgeschädigten Gefäßstrombahn, als akut auf chronisches Geschehen wie z. B. durch Plaqueruptur. Weiterhin können Dissektionen, Traumata, Vaskulitiden, postoperative Gefäßschäden, paraneoplastische Syndrome und Medikamente Ursache einer akuten Arterienthrombose sein.

Das Ausmaß der Symptomatik des akuten Arterienverschlusses ist abhängig von seiner Art, Lokalisation und eventueller Kollateralisation. Bei dem kompletten embolischem Arterienverschluss fehlen meist Kompensationsmechanismen über ein vorbestehendes Kollateralsystem. Klinisch imponieren dann die typischen klinischen Symptome (6 × „P“ nach Pratt). Bei einem akuten thrombotischen Verschluss auf dem Boden einer vorbestehenden peripheren arteriellen Verschlusskrankheit entwickeln sich die Symptome aufgrund bereits ausgebildeter Kollateralgefäße meist langsamer und weniger schwerwiegend.

Komplettes Ischämie-Syndrom n. Pratt (6 × P):

  1. Plötzlicher heftigster Schmerz wie ein Peitschenhieb (pain)

  2. Pulslosigkeit (pulselessnes)

  3. Blässe (paleness pallor)

  4. Gefühlsstörung (paresthesia)

  5. Bewegungsunfähigkeit ab etwa handbreit unterhalb des Verschlusses (paralysis)

  6. Schock (prostration)

Davon sind die 3 Symptome „plötzlicher Schmerz, Pulslosigkeit, Blässe“ die verlässlichsten klinischen Symptome.

Ein inkomplettes Ischämiesyndrom findet sich häufig bei akuter thrombotischer Genese. Klinisch finden sich Blässe und Pulsverlust distal des arteriellen Verschlusses. Eine Abkühlung der betroffenen Extremität stellt sich oft erst mit Zeitverzögerung ein. Die Blauverfärbung der ischämischen Extremität weist auf einen Blutstromstillstand im Kapillarstrombett mit Ausschöpfungszyanose hin und kennzeichnet die schwere Extremitätenischämie. Sind zusätzlich Sensibilität und Motorik gestört, so liegt eine komplette Ischämie vor. Das Zeitfenster bis zum unmittelbar drohenden Extremitätenverlust beträgt dann weniger als 6 Stunden.

Komplikationen bei zu später Reperfusion sind das Tourniquet- oder Reperfusionssyndrom mit Muskelödemen mit Myoglobinämie beziehungsweise Myoglobinurie, Azidose mit Hyperkaliämie, Volumenverlust sowie akutes Nierenversagen bei Crushniere und Verbrauchskoagulopathie.

Von entscheidender prognostischer Bedeutung ist daher eine schnelle Diagnose durch exakte Anamneseerhebung und klinische Untersuchung mit bildgebender Diagnostik. Nach Diagnosestellung sind sofortige Maßnahmen zur Wiederherstellung der gestörten arteriellen Zirkulation einzuleiten.

Das Ausmaß der Organschädigung ist abhängig von der Ischämietoleranz der jeweiligen Gewebe und beträgt für Haut, Muskulatur und Nervengewebe 12, 6 bis 8 beziehungsweise 2 bis 4 Stunden. Die Fragen nach dem Zeitpunkt des Beginns des Extremitätenschmerzes und vorbestehende Erkrankungen geben Aufschluss über das Alter und die Ursache des Arterienverschlusses.

Voraussetzung für das optimale Management der akuten Extremitätenischämie ist daher das Erkennen der Notfallsituation durch den erstbehandelnden Arzt und die sofortige Einweisung in eine Klinik, die über geeignete diagnostische und therapeutische Verfahren verfügt.

Nicht-invasive apparative Verfahren dienen der raschen objektiven Beurteilung der Perfusionsstörung und beinhalten die Dopplerdruckmessung, die cw-Dopplersonographie und die farbkodierte Duplexsonographie.

Die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (ABI) mit Hilfe der Dopplerdruckmethode gibt Aufschluss über das Ausmaß der Kompensation des akuten peripher-arteriellen Verschlussereignisses (normaler ABI > 0,9). Ein pathologischer ABI < 0,6 sowie Knöchelarteriendrücke der A. tibialis posterior und anterior von < 50 mmHg weisen auf eine kritische Extremitätenischämie hin. Distal eines akuten Arterienverschlusses lässt sich entweder kein Dopplersignal oder ein monophasisches Signal mit verbreiterter Kurve und erhöhtem enddiastolischen Blutfluss ableiten. Das Lumen im Bereich des Verschlusses kann von variabler Echogenität sein.

Die Farbduplex-Sonographie bietet vielfältige Vorteile gegenüber anderen bildgebenden Verfahren. Neben Verschlusslokalisation und hämodynamischen Aussagen lassen sich so auch komplett oder inkomplett thrombosierte Arterienaneurysmen als mögliche Verschlussursache darstellen. Sie sollte als wichtigste diagnostische Maßnahme angesehen werden.

Je nach Aussagefähigkeit, Lokalisation, vaskulärer Vorbelastung und Verfügbarkeit kommen danach die intraarterielle digitale Subtraktionsangiographie (DSA) oder die kontrastmittelgestützten MR- bzw. CT-Angiographie zur Anwendung. Der akute Arterienverschluss ist angiographisch durch ein plötzliches Abbrechen der Kontrastmittelsäule charakterisiert. Es zeigt sich ein sog. „Kuppelphänomen“ (nach oben konvex gestaltete abgerundete Kontrastmittelaussparung im Bereich des proximalen Embolusanteils). Weiterhin fehlen meist ausgebildete Kollateralgefäße im Gegensatz zu dem akuten thrombotischen Arterienverschluss.

Der Vorteil einer unmittelbaren DSA ist die Erweiterung zu einer Therapiemaßnahme in einer Sitzung mit Embolektomie oder intraarterieller lokaler Lyse.

In interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Angiologen, Radiologen und Gefäßchirurgen sollten rasch und zeitnah spezielle Therapiestrategien abgestimmt und eingeleitet werden. Dabei sind die speziellen therapeutischen Maßnahmen abhängig von der Genese des akuten Arterienverschlusses und dem Vorliegen einer kompletten oder inkompletten Ischämie (s. [ Tab. 1 ]).

Tab. 1

Stadieneinteilung der akuten Beinischämie nach Rutherford.

Kategorie

Klinik/Prognose

Sensibilität

Motorik

Dopplersignal

arteriell venös

I. lebensfähig

nicht unmittelbar gefährdet

erhalten

ungestört

hörbar

hörbar

II. vital gefährdet

rettbar

a. gering

bei sofortiger Behandlung

minimal oder fehlend

ungestört

selten hörbar

hörbar

b. unmittelbar

bei sofortiger Revaskularisation

mehr als Zehen- oder Ruheschmerz

eingeschränkt

nicht hörbar

hörbar

III. irreversibel

Gewebeuntergang oder irreversible Nervenschädigung

Anästhesie

Paralyse

nicht hörbar

nicht hörbar

Im Stadium I der akuten Beinischämie nach Rutherford können u. U. nach Einleitung therapeutischer Allgemeinmaßnahmen und der Antikoagulation die speziellen lumeneröffnenden Maßnahmen am Folgetag des Akutereignisses stattfinden.

In den Stadien II und III nach Rutherford sind alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen notfallmäßig sofort zu erfolgen.

Sofortmaßnahmen:

  • Gefäßchirurg informieren, Patienten nüchtern lassen

  • Extremität tief lagern (erhöhter Perfusionsdruck)

  • Extremität gepolstert (Watteverband) lagern

  • Keine Kälte- keine Wärmeapplikationen, kein Druck

  • Schmerztherapie, Analgetika i.v (Opioide); nicht intramuskulär injizieren um eine eventuelle Lysetherapie nicht zu gefährden

  • Sofortige intravenöse Antikoagulation mit 10 000 IE unfraktioniertem Heparin (Verhinderung einer weiteren Embolie- bzw. Thrombenbildung)


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Revaskularisationsverfahren

Grundsätzlich ist eine notfallmäßige chirurgische Therapie indiziert, wenn ein komplettes Ischämiesyndrom mit akuten Verschlüssen großer Extremitätenarterien proximal der Leiste vorliegt. Arterienverschlüsse distal des Leistenbandes eignen sich für ein kombiniertes Vorgehen mittels Katheterverfahren mit Thrombusaspiration und gegebenenfalls lokaler Lyse. Bei akuter pAVK mit inkompletten Ischämiesyndrom kommen kombinierte Behandlungsmethoden wie eine lokale kathetergestützten Lysetherapie in Betracht.

Die endoluminale Therapie der akuten Extremitätenischämie umfasst mehrere Techniken, die alleine oder in Kombination mit einer lokalen fibrinolytischen Therapie angewendet werden können. Dabei wird initial das okkludierende thromboembolische Material durch Aspiration entfernt oder zerkleinert und abgesaugt. Anerkannte effiziente Verfahren der mechanischen Thrombektomie sind die Aspirationsthromboembolektomie, mechanische Fragmentations-Kathetersysteme und hydro-dynamische Kathetersysteme.


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Leriche-Syndrom

Das Leriche-Syndrom bezeichnet einen kompletten Verschluss der Bauchaorta zwischen dem Abgang der Nierenarterien und der Aortenbifurkation [6]. Dabei unterscheidet man ein akutes Leriche-Syndrom mit plötzlichem Verschluss der infrarenalen Bauchaorta, welches einen akuten Notfall darstellt vom chronischen Verschluss.

Ursache des akuten distalen Aortenverschlusses ist meist eine kardiale Embolie, seltener eine arterielle Thrombose der Aorta. Ursache der chronischen Verschlusskrankheit der Aorta ist in 90 % der Fälle eine progrediente Arteriosklerose.

Beim akuten Leriche-Syndrom kommt es zu einer schweren Durchblutungsstörung der gesamten unteren Extremität, ggf. auch der Beckenorgane mit vitaler Bedrohung. Zusätzlich kann ein Nierenversagen (Rhabdomyolyse) oder eine spinale Ischämie (Beteiligung der Lumbalarterien) sowie Stuhl- und Harninkontinenz auftreten.

Die chronische Aortenverschlusskrankheit äußert sich wie eine pAVK mit Claudicatio intermittens, v. a. gluteal und femoral, ggfs. auch Ruheschmerzen. Zusätzlich besteht bei 50–80 % der männlichen Patienten eine erektile Dysfunktion.

Klinisch sind an den unteren Extremitäten keine Pulse tast- oder dopplerbar. Duplexsonographisch lässt sich im Bereich der Beinarterien kein Fluss nachweisen. Mittels B-Bild- und Duplexsonographie der Aorta kann der Thrombus bzw. ein Abbruch des Flusssignales dargestellt werden. Beim chronischen Aortenverschluss bestehen monophasische Dopplersignale und poststenotische Flussprofile in den Beinarterien. Außerdem lässt sich der Verschluss der Aorta mittels konventioneller Angiographie, CT- oder MR-Angiographie radiologisch verifizieren.

Beim akutem Leriche-Syndrom ist eine unmittelbare chirurgische Therapie vital indiziert. Das Zeitfenster beträgt nur 6–10 Stunden. Zunächst wird bei frischer Thrombose/Embolie eine transfemorale Thrombektomie durchgeführt. Gelingt dies nicht, muss ein aorto(bi)iliacaler oder aorto(bi)femoraler Bypass angelegt werden. Aufgrund des meist schon präoperativ schlechten AZ der Patienten ist ein akutes Leriche-Syndrom auch bei erfolgreicher Operation mit einer hohen Letalität verbunden.

Die chronische Aortenverschlusskrankheit kann stadienabhängig konservativ-medikamentös, minimalinvasiv mittels kathetergestützter Rekanalisation ggf. mit Stentimplantation oder operativ mittels aortobiiliacaler bzw. aortobifemoraler Bypassanlage behandelt werden.


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Aortendissektion

Die klassische Aortendissektion ist gekennzeichnet durch eine Ablösung der Intima und der Entstehung eines falschen Lumens. In den meisten Fällen folgt die Ablösung der inneren Schicht in Richtung des Blutstroms. Es entstehen hierbei zwei durchströmte Lumina, die durch eine Dissektionsmembran voneinander getrennt sind [7].

Nach der Stanford-Klassifikation unterscheidet man die Typ-A-Aortendissektion mit Beteiligung der Aorta ascendens von der Typ-B-Aortendissektion, bei der der Einriss distal des Abganges der linken Arteria subclavia liegt und die ascendierende Aorta definitionsgemäß nicht betroffen ist. Die Beteiligung von Seitenästen der Aorta bzw. Fortsetzung der Dissektion in die iliaco-femorale Gefäßstrombahn führt zu Ischämiesyndromen der unteren Extremitäten (19 %). Die Differenzialdiagnose akute Aortendissektion sollte immer bei Patienten mit ungeklärter Synkope (13 %), Brust- (61 %) oder Rückenschmerzen (53 %), Bauchschmerzen (30 %), Schlaganfall (4,7 %), aber auch bei akuter Herzinsuffizienz (6,6 %) erwogen werden. Dabei sind seitendifferente Pulse (15 %) oder Zeichen einer Malperfusion besondere Verdachtsmomente.

Patienten mit konservativ behandelter Typ-B-Aortendissektion haben eine 30-Tages-Letalität von etwa 10 %, wohingegen für Patienten mit Komplikationen am zweiten Tag die Letalitätsrate circa 20 % beträgt und nach einem Monat circa 30 %. Hohes Alter, Schock und Malperfusion sind prädisponierend für eine erhöhte Frühletalität.

Patienten mit unkomplizierten akuten Typ-B-Aortendissektionen müssen intensivmedizinisch überwacht werden. Dabei ist die Blutdruckeinstellung bedeutsam. Eine rasche interventionelle oder in seltenen Fällen chirurgische Behandlung kommt bei akuten Komplikationen der Typ-B-Aortendissektionen infrage. Unter Abwägung von Effektivität und Operationsrisiko sollen die endovaskulären Verfahren, also die Implantation einer Aortenprothese gegenüber den offenen bevorzugt werden.

Beim Typ B ist die Gefahr einer Ruptur geringer, und es steht mehr Zeit zur Diagnostik zur Verfügung. Eine transösophageale Echokardiografie (TEE) kann unter Einsatz des Dopplers häufig eine Differenzierung von wahrem und falschem Lumen erkennen. Mittels Computer- oder Kernspintomografie können die Gefäßabgänge und die Ausdehnung der Dissektion genau beurteilt werden.

Im akuten Stadium einer Typ-B-Dissektion sind die Ergebnisse der chirurgischen Behandlung nicht besser als die der konservativen, medikamentösen Therapie, und daher besteht zunächst keine primäre Operationsindikation. Eine Indikation zum chirurgischen oder interventionellem Eingriff ergibt sich bei persistierenden thorakalen Schmerzen, die auf eine progrediente Expansion der Dissektion hinweisen, beim Nachweis einer gedeckten Ruptur und bei Verlegung lebenswichtiger Äste der abdominellen Aorta.


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Thrombangiitis obliterans (TAO, Morbus Winiwarter-Buerger)

Die TAO ist eine segmentale inflammatorische Erkrankung der kleinen und mittelgroßen Arterien, Venen und Nerven. Sie betrifft meist jüngere Menschen unter 50 Jahre, überwiegend Männer, die Nikotin in Form von Zigaretten konsumieren. Klassischerweise unterscheidet sich die TAO von einer arteriosklerotisch bedingten AVK durch den typischen segmentalen Gefäßbefall bei unauffälligen großen Arterien, eine (Mit-)Beteiligung der oberen Extremität, die Assoziation mit Thrombophlebitiden und das Fehlen klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren außer dem Nikotinkonsum [8].

Die TAO ist eine klinische Diagnose. Die Symptome betreffen in der Regel mehr als 2 Extremitäten, bezeichnend ist das Fehlen einer typischen Claudicatio intermittens. Vornehmlich bestehen Ruhe-Gangrän-Schmerzen digital oder akral, ein Raynaud Phänomen und eine entzündliche Paraklinik, ohne Hinweise auf eine Arteriosklerose- oder Vorliegen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die körperliche Untersuchung sollte eine gründliche Erhebung des Pulsstatus und den Allen-Test der oberen, häufig asymptomatischen Extremität enthalten. Hierbei wird die Durchblutung der Hand durch die A. radialis und A. ulnaris funktionell untersucht. Die Labordiagnostik dient dem Ausschluss entzündlich basierter Differentialdiagnosen. Eine radiologische Bildgebung in Form von CT- oder MR-Angiographie dient der Beurteilung der Gefäßbeteiligung. Angiographisch lassen sich die segmentalen arteriellen Gefäßverschlüsse und die typischen korkenzieherartigen Kollateralen darstellen. Pathognomonisch sind diese jedoch nicht.

Elementarer Baustein der Behandlung ist die umgehende und vor allem komplette Einstellung des Nikotinkonsums, sowohl des aktiven als auch des passiven. Dazu gehören eine optimale lokale Wundversorgung und Schmerztherapie. Eine mindestens 14-tägige intravenöse Therapie mit vasoaktiven Prostaglandinen wie Alprostadil oder Iloprost kann die Therapie ergänzen. Mehrere Studien zeigten einen positiven Einfluss auf die Ulkusheilung und eine Schmerzreduktion. Operative oder endovaskuläre Maßnahmen erzielen keine überzeugenden Langzeitresultate mit zu hohen Raten an Früh- oder Spätverschlüssen und niedrigen primären und sekundären Offenheitsraten. Weitere Therapiemöglichkeiten umfassen die lumbale Sympathikolyse, die Therapie mit dem Endothelin-Rezeptorantagonisten Bosentan und Phosphodiesterase-V-Inhibitoren, obwohl die Evidenz für alle diese Therapieansätze niedrig ist. Eher experimentelle Ansätze mit Stammzell-Applikation oder Übertragung von Faktoren zur Stimulation der Angiogenese zeigten vielversprechende Ergebnisse, ebenso wie die extrakorporale Therapie mit Immunadsorption. Hierdurch konnte in mehreren Studien eine rasche Schmerzfreiheit der Patienten, eine verbesserte Ulkusheilung sowie eine hohe Rate an Wiedereingliederungen in das Berufsleben erreicht werden.

Während die Lebenserwartung der betroffenen Patienten aufgrund fehlender Organbeteiligung nicht oder kaum eingeschränkt zu sein scheint, ist die Amputationsfrequenz im Verlauf der Erkrankung hoch und beträgt insgesamt im Zeitraum von 5 bis 11 Jahren 27 bis 75 %.


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Kompressionssyndrome

Kompressionssyndrome resultieren aus einer permanenten Irritation neurovaskulärer Strukturen an präformierten anatomischen Engen, zum Beispiel durch Muskeln oder Ligamente. Durch sekundäre Faktoren wie Wachstum, muskulärer Trainingszustand, Gefäßelongation oder Unfälle kommt es, bedingt durch wiederkehrende Gefäßtraumen zu Intimaläsionen, Wanddissektionen, Aneurysmabildungen und degenerativen Verschlüssen [9].

An den unteren Extremitäten kann die A. poplitea durch muskuläre Ansatzaberationen so eingeschnürt werden (entrapment), dass sich bei Belastung klinische Symptome einer Claudicatio intermittens, Parästhesien und kalte Füße entwickeln können. Selten resultiert daraus eine progressive Extremitätenischämie durch eine fortgeschrittene Degeneration und poststenotische aneurysmatische Dilatation der Arterie. Obwohl das eigentliche anatomische Entrapment nicht selten zu sein scheint, kommt es aber nur in wenigen Fällen zu einem klinisch evidenten Kompressionssyndrom.

Zur Diagnose wird zusätzlich zu der üblichen klinischen Diagnostik die aktive pedale Plantarflexion als Provokationsmanöver hinzugezogen. Im positiven Fall kommt es unter einer solchen Provokation zu einem Rückgang der Pulsintensität über den Knöchelarterien. Messtechnisch können pathologische Puls-Volumen Aufzeichnungen oder ein Verlust des CW-Dopplersignals die Verdachtsdiagnose erhärten. Die arterielle farbkodierte Duplexsonographie kann die Flussabnormalitäten unter Provokation ebenfalls dokumentieren.

Im Rahmen der weiteren Diagnostik bietet sich eine CT- oder MR-Angiographie zur Begutachtung der anatomischen Gegebenheiten an.

Therapeutisch steht eine chirurgische Entlastung der Einschnürung durch Resektion oder Translokation der komprimierenden Strukturen zur Verfügung.


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Zystische Adventitiadegeneration

Die zystische Adventitiadegeneration betrifft vornehmlich die A. poplitea, wurde aber auch an der A. iliaca externa und der A. femoralis beschrieben. Das klassische Symptom eines unüblich verzögerten Beinschmerzes bis zu 20 Minuten nach Beendigung der Belastung wird durch eine Kompression des arteriellen Lumens durch eine zystische Ansammlung von mucinösem Material innerhalb der Adventitia des Gefäßes verursacht [10]. Typisch für die Erkrankung ist auch ein unstetes klinisches Beschwerdebild mit längeren Phasen von Symptomfreiheit und dann plötzlich wiederkehrenden Beinschmerzen. Die genaue Genese ist bislang nicht geklärt, ursächlich werden repetitive Traumata, Systemerkrankungen und eine persistierende embryonale Synovialbahn vermutet.

Ein positives Ishikawa-Zeichen mit Verschwinden der Fußpulse unter passiver Kniebeugung wird ergänzt durch eine MRT-Bildgebung. Eine Angiographie ist zur Diagnosestellung nicht sinnvoll, da die eigentlich komprimierende Struktur nicht gesehen wird.

Die endovaskuläre Kathetertherapie hat sich als nicht nützlich erwiesen. Eher stehen Maßnahmen wie eine ultraschalgesteuerte Punktion der zystischen Strukturen, chirurgische Resektion mit am besten venösem Interponat oder eine Adventitiaresektion im Vordergrund. Eine Langzeitbetreuung der Betroffenen durch einen Gefäßspezialisten ist wegen der hohen Rezidivrate sinnvoll.


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Raynaud-Syndrom

Phänomene wie anfallsweise auftretende Vasospasmen an Fingern und Zehen, in der Regel bilaterale Schmerzen und der dreiphasigen Farbveränderung der Haut (Trikolore-Phänomen) von blau, über weiß nach rot charakterisieren das Raynaud-Syndrom [11]. Man unterscheidet das primäre vom sekundären Raynaud-Syndrom. Bei letzterem liegen eine Grunderkrankung, z. B. Kollagenosen oder andere Systemerkrankungen zu Grunde. Für ein primäres Raynaud-Phänomen sprechen ein symmetrischer Befall und fehlende Hautläsionen, meist ist der Daumen ausgespart. Für ein sekundäres Phänomen sprechen eine positive Anamnese für Raynaud-assoziierte Erkrankungen wie Lupus erythematodes, Sklerodermie oder rheumatoide Arthritis mit eher asymmetrischem Befall, eine beschleunigte BSG sowie erhöhte ANA.

Die klinische Diagnostik umfasst funktionelle Prüfungen zum Ausschluss von Perfusionsstörungen der Hände wie dem Allen-Test und der Faustschlussprobe (mit erhobenen Armen während zweier Minuten die Faust schließen und öffnen und auf protrahierte Abblassung der Handinnenflächen und der Finger untersuchen) und der FKDS zur Beurteilung der Gefäßmorphologie und Lokalisation von Stenosen bzw. Verschlüssen. Zusätzlich kommen standardisierte, dokumentierte und quantifizierende Provokationstests zur Anwendung. Zu diesen dynamischen Perfusionsmessungen gehört neben der Plethysmographie, die Kapillarmikroskopie und Thermographieverfahren.

Physikalische Maßnahmen wie keramisch imprägnierte Handschuhe und Taschenwärmer als Kälteschutzprophylaxe sowie die Vermeidung potentieller Mitverursacher wie Nikotinkonsum, β-Blocker oder Ergotamine gehören ebenso zur Therapie, wie der Therapieversuch mit einem Calcium-Antagonisten.

Bei schweren Fällen, insbesondere beim Vorliegen von Hautläsionen kommen die intravenösen Prostaglandine Alprostadil und Iloprost zum Einsatz. Phosphodiesterasehemmer wie Sildenafil oder Tadalafil kommen als Langzeittherapeutika in Frage, ebenso wie Endothelinantagonisten (Bosentan).


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Vaskulitiden

Vaskulitiden repräsentieren eine heterogene Gruppe von entzündlichen Systemerkrankungen, die durch eine entzündliche Infiltration und Nekrosen von Blutgefäßen gekennzeichnet sind [12]. Eine Extremitätenbeteiligung mit Beinschmerzen als klinisches Korrelat kommt bei Takayasu-Arteriitis, seltener der Riesenzellarteriitis und der Panarteriitis nodosa vor.

Takayasu-Arteriitis

An einer Takayasu-Arteriitis (auch Aortenbogen-Syndrom, „pulseless disease“) erkranken fast nur Frauen zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Die regional sehr verschiedene Verbreitung dieser Krankheit ist mit zwei bis drei Fällen auf eine Million Menschen im Jahr sehr selten.

Von der Entzündung sind hier vor allem die großen, elastischen Arterien betroffen, die von der Hauptschlagader (Aorta) abgehen. In den Gefäßwänden bilden sich sogenannte Granulome, die vernarben und dadurch das Gefäß verengen. Das Ansteigen des Blutdrucks kann besonders in den herznahen Gefäßen zu Aneurysmen führen. Die Folgen können tödliche Hirn- oder Herzinfarkte sein. Betroffene bemerken initial zumeist unspezifische Allgemeinsymptome einer Entzündung wie allgemeines Krankheitsgefühl mit Kopfschmerzen, Nachtschweiß, Gewichtsverlust, rezidivierendem Fieber, Myalgien, Arthralgien oder Arthritiden. Erst nach längerer Zeit setzen andere Anzeichen ein, die auf Okklusionen der Blutgefäße zurückzuführen sind. Je nachdem, welches Gefäß betroffen ist, kommt es zu Durchblutungsstörungen der Hände, des Herzens oder des Gehirns. Zeichen der Krankheitsprogression sind Durchblutungsstörungen im Bereich der oberen Körperhälfte (RR Differenzen zwischen re. u. li.). Befall von Karotiden (40 %), A. subclavia (85 %), A. ophthalmica (Sehstörungen 50 %), A. renalis (renovaskuläre Hypertonie) und Arterien der unteren Extremitäten (10 %). Der Befall der Extremitätenarterien führt zu einem Raynaud-Syndrom.

Der Name „pulseless disease“ bezieht sich darauf, dass an einem oder beiden Handgelenken kein Puls mehr zu fühlen ist. Die Patienten klagen über starke Schmerzen beim Heben, Schwindel und Ohnmacht bei Anstrengungen, sie leiden unter Bluthochdruck, Sehstörungen, Schlaganfällen und Herzinfarkten.

Im Labor findet sich eine eher unspezifische Entzündungskonstellation mit beschleunigter BSG, Erhöhung von CRP, Fibrinogen, gamma-Globuline, Thrombozytose, Anämie, Leukozytose. ANA und ANCA sind negativ. Die Farbduplex-Sonographie zeigt im Arterienquerschnitt eine konzentrische, echoarme Wandverdickung mit Halo („Makkaroni-Phänomen“). In der CT- oder MR-Angiographie zeigt sich das Ausmaß der Gefäßbeteiligung. Eine PET kann zur Beurteilung der Krankheitsaktivität hinzugezogen werden.

Vordringliches Therapieziel ist die Reduzierung der Gefäßwandentzündung. Als Indikatoren gelten die humoralen Entzündungssymptome. Hierfür kommen Glukokortikoide in Kombination mit nichtsteroidalen Antiphlogistika zum Einsatz. Die Therapiedauer beträgt üblicherweise 1 Jahr. Ist dieses Therapieregime nicht ausreichend ist eine additive Therapie mit Cyclophosphamid (nach dem Standardschema von Fauci) notwendig. Ist das chronische Narbenstadium erreicht, muss die Frage der lumeneröffnenden Therapiemaßnahmen nach Maßgabe des Einzelfalles diskutiert werden.

Der Krankheitsverlauf ist bedingt durch neurologische (Insult) oder kardiale (Klappeninsuffizienz, KHK, Herzinfarkt) Komplikationen eher ungünstig. Die Fünfjahresletalität beträgt etwa 50 %.


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Riesenzellarteriitis

Die Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis) ist die häufigste und wichtigste Vaskulitisform. Sie ist gekennzeichnet durch einen chronischen, segmentalen, granulomatösen, obliterierenden Befall großer Arterien, der sich meist an der A. carotis und ihren Abgängen manifestiert. Pathogenetisch handelt es sich um eine granulomatöse Riesenzellarteriitis im Bereich von Media und Adventitia der befallenen Arterienabschnitte mit konsekutiver sklerotischer Gefäßwandalteration.

Die Erkrankung betrifft in der Regel Personen ab 60 Jahren und zeichnet sich durch einen plötzlichen Krankheitsbeginn aus.

Allgemeinsymptome sind Fieber, Krankheitsgefühl, Arthralgien, Myalgien, Morgensteifigkeit und Gewichtsverlust. In Abhängigkeit vom betroffenem Gefäß und dessen Versorgungsgebiet variieren die Beschwerden von Sehstörungen wie Amaurosis fugax, starken ein- oder doppelseitigen, pochenden Kopfschmerzen v. a. temporal und im Stirnbereich über Schmerzen beim Kauen (Claudicatio masseterica) bis zur Claudicatio der Arme und der unteren Extremitäten.

Die weiterführende Diagnostik beinhaltet neben der klinischen Diagnostik mit Pulsstatus und seitenvergleichenden RR-Messung, die farbkodierte Duplexsonographie der Schläfenarterien, der Carotiden und A. subclavia/axillaris u. a. mit der Frage nach Wandverdickung, Pulsationen und dem typischem Halophänomen. Die Temporalisbiopsie ist auch noch bis 7 Tage nach Beginn der Steroidtherapie möglich.

Laborchemische Bedeutung haben die Akut-Phase-Reaktion mit starker BSG-Erhöhung (oft > 80 mm/Std.; cave bei 5 % d. Patienten normal) und Anstieg des C-reaktives Protein, verbunden mit Eosinophilie und Leukozytose. Es fehlen ein positiver Rheumafaktor oder ANA- und ANCA-Nachweise.

Die klinische Diagnose erfolgt nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) zur Diagnostik der A. temporalis [13]:

  1. Alter > 50 Jahre

  2. neu aufgetretener Kopfschmerz

  3. Abnorme Temporalarterien (Druckdolenz, abgeschwächte Pulsation).

  4. BSG > 50 mm in der ersten Stunde.

  5. Histologische Veränderungen bei Biopsie der Temporalarterie (Wichtig: segmentale Vaskulitis „skip lesions“; evtl. mehrere Biopsien notwendig! Zuvor arterieller Doppler zum Ausschluss von Strömungsgeräuschen!).

Bei Erfüllen von 3 von 5 Kriterien werden eine Sensitivität von 75–95 %, eine Spezifität von 90–93 %, ein positiver prädiktiver Wert von nur 29 % und ein negativer prädiktiver Wert von 99 % erreicht.

Therapieziel ist die Reduzierung der Gefäßwandentzündung. Als Indikatoren gelten die humoralen Entzündungssymptome, als Verlaufsparameter eignet sich das CRP.

Glukokortikoide in langsam zu reduzierender Dosis bis zu einer Erhaltungsdosis von < 10 mg/Tag p. o. können über 1 Jahr eingesetzt werden. Ergänzend zur Therapie mit Glukokortikoiden können NSAR in mittlerer Dosierungden Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Ist dieses Therapieregime nicht ausreichend, ist eine additive Therapie mit Cyclophosphamid nach dem Standardschema von Fauci notwendig. Alternativ zu Cyclophosphamid kann Methotrexat verabreicht werden.

Verlauf/Prognose Meist gutes Ansprechen auf Glukokortikoide, in der Regel komplette Remission nach 6–24 Monaten. Seltener Rezidive oder chronische Verläufe.


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Panarteriitis nodosa

An dieser sehr seltenen Form der Vaskulitis (in Deutschland sind weniger als einer pro 100 000 Einwohner betroffen) erkranken dreimal mehr Männer als Frauen. Charakteristisch für die Panarteriitis nodosa oder PAN sind Entzündungen der kleineren und mittleren Arterien, bei denen sich Knötchen wie an einer Perlenkette aufgereiht bilden („nodosus“ heißt auf Griechisch knötchenförmig). Diese finden sich vor allem an den Waden, den Unterarmen und den inneren Organen. Durch die Knötchen verengen sich die Blutgefäße immer mehr, bis es zu Verschlüssen (sog. „Thrombosen“) kommt, wodurch die von diesen Gefäßen versorgten Areale absterben können. Häufig sind Finger, Zehen oder ganze Hände und Füße von solchen „Infarkten“ betroffen.

Die Haut verfärbt sich in diesen Fällen deutlich blau bis schwarz. Beginnend mit Fieber, Taubheitsgefühl und kribbelnden Händen und Füßen, kann sich die PAN langsam verschlimmern, aber auch schnell voranschreiten und lebensbedrohlich werden. Wird sie schnell erkannt und angemessen behandelt, bevor bleibende Schäden entstanden sind, bestehen gute Aussichten auf Heilung.


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Sekundäre Vaskulitiden

Die Gruppe der sekundären Vaskulitiden versammelt Erkrankungen, die sich ursächlich auf eine andere Krankheit (rheumatische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie AIDS oder Syphilis, Virus-Hepatitis oder Tumoren), ein bestimmtes Medikament oder einen Infekt zurückführen lassen. Bei diesen Vaskulitis-Formen sind meist die kleineren Gefäße betroffen. Sekundäre Vaskulitiden treten unter anderem in Verbindung mit der Rheumatoiden Arthritis, dem systemischen Lupus erythematodes oder der Kryoglobulinämie auf.


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Periphere Aneurysmata

Das periphere Aneurysma, definiert durch eine Aufweitung des arteriellen Lumens auf mehr als das Doppelte des durchschnittlichen Gefäßdurchmessers, betrifft an den unteren Extremitäten am häufigsten die A. poplitea. Zu beachten ist, dass in 50–60 % der Fälle solche Popliteaaneurysmata bilateral auftreten und bis zu 50 % der Betroffenen auch ein zusätzliches Bauchaortenaneurysma haben können. Im Rahmen der Diagnostik sollten daher auch andere Lokalisationen von Aneurysmata abgeklärt werden [14].

Es ist nicht selten, dass solche Aneurysmata als akute Erstmanifestation mit starkem persistierendem Schmerz in der betroffenen Extremität hervorgerufen durch eine periphere Embolie, meist in die Digitalarterien imponieren. Seltener ist eine Ruptur oder Dissektion des Aneurysmas oder eine thrombotischer Verschluss für die Erstsymptome verantwortlich. Chronische Beschwerden werden verursacht durch die Verdrängung benachbarter Organe oder rezidivierender Mikroembolien mit distalen Gefäßverschlüssen, die längere Zeit auch asymptomatisch sein können

Diagnostisch steht neben der körperlichen Untersuchung mit einem klassisch „hartem“ Puls über der Popliteaarterie, die FKDS im Vordergrund. Hierdurch kann die Größe des Aneurysmas, der Grad der Thrombosierung und die Ausstrombahn beurteilt werden.

Ab einem Durchmesser von > 2 cm kann eine Sanierung in Erwägung gezogen werden, ab 3–4 cm besteht ebenso wie bei einer kritischen Ischämie der Extremität eine absolute OP-Indikation. Das Aneurysma wird in der Regel operativ durch ein Venen- oder Kunststoffinterponat oder eine Bypassanlage ausgeschaltet. Alternativ kommen auch endovaskuläre Verfahren mit Implantation kunststoffummantelter Stents zur Anwendung.


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Zusammenfassung

Arteriell bedingte Schmerzen der Beine sind überwiegend arteriosklerotischer Genese. Weitere Ursachen sind die Embolie, die Gefäßdissektion, Kompressionssyndrome und inflammatorische Erkrankungen. Vorderstes Ziel ist die Abschätzung des Schweregrades der Durchblutungsstörung und der Amputationsgefahr für die Extremität. Akute Perfusionsstörungen gehen mit einer hohen Mortalität einher und erfordern eine rasche und spezialisierte Behandlung.

Der klinischen Untersuchung mit Erhebung des Pulsstatus, Beurteilung der Haut und der Sensomotorik und des kardiovaskulären Allgemeinzustands des Patienten kommt eine hohe Bedeutung zu. Ergänzt wird sie durch apparative diagnostische Verfahren wie der Dopplersonographie, Bestimmung des ABI, der Puls-Oszillographie, der FKDS und weiterführender radiologischer Bildgebung wie CT- und MR-Angiographie.

Die Basisbehandlung umfasst je nach Genese Maßnahmen zur Sekundärprophylaxe und Therapie der Risikofaktoren, eine optimale Schmerzmedikation, bzw. Hemmung der Entzündungsreaktion. Invasive Verfahren zur Rekanalisation des Gefäßes mit dem Ziel der Verbesserung, bestenfalls Normalisierung der Perfusion stehen mit minimal invasiven Katheterverfahren und operativen chirurgischen Verfahren zur Verfügung. Interdisziplinarität und intersektorale Zusammenarbeit sind elementare Bausteine einer erfolgreichen Therapie dieser teils lebensbedrohenden Krankheiten.


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Interessenkonflikt / Conflict of interest

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

The authors declare that they have no conflict of interest.

  • Literatur / References

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  • 2 Rooke TW, Hirsch AT, Misra S. et al. Management of patients with peripheral artery disease (compilation of 2005 and 2011 ACCF/AHA Guideline Recommendations): a report of the American College of Cardiology Foundation/American Heart Association Task Force on Practice Guidelines. J Am Coll Cardiol 2013; 61: 1555
  • 3 Lawall H. et al. S3-Leitlinie PAVK – Diagnostik, Therapie und Nachsorge der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit. Vasa 2016; 45: 1-96 DOI: 10.1024/0301–1526/a000579
  • 4 Aboyans V. et al. ESC Guidelines on the Diagnosis and Treatment of Peripheral Arterial Diseases, in collaboration with the European Society for Vascular Surgery (ESVS). Eur Heart J 2018; 39: 763-821
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  • 10 Motaganahalli RL, Pennell RC, Mantese VA. et al. Cystic adventitial disease of the popliteal artery. J Am Coll Surg 2009; 209: 541
  • 11 Wigley FM, Flavahan NA. Raynaud’s Phenomenon. N Engl J Med 2016; 375: 556
  • 12 Talarico R. et al. Systemic vasculitis: a critical digest of the recent literature. Clin Exp Rheumatol 2013; 31 (Suppl. 75) S84-8
  • 13 Jennette JC, Falk RJ, Bacon PA. et al. 2012 revised International Chapel Hill Consensus Conference Nomenclature of Vasculitides. Arthritis Rheum 2013; 65
  • 14 Varga ZA, Locke-Edmunds JC, Baird RN. A multicenter study of popliteal aneurysms. Joint Vascular Research Group. J Vasc Surg 1994; 20: 171

Korrespondenzadresse / Correspondence

PD Dr. Christoph Kalka

  • Literatur / References

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