Nervenheilkunde 2020; 39(06): 373-381
DOI: 10.1055/a-1094-9922
Schwerpunkt
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neuromodulative Schmerztherapie

Matthias Morgalla
1   Neurochirurgische Klinik, Universitätsklinik Tübingen
› Institutsangaben
Weitere Informationen

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Matthias H. Morgalla
Bereich Neurochirurgische Schmerztherapie
Neurochirurgische Klinik, Universitätsklinik Tübingen
Hoppe-Seyler-Str. 3, 72076 Tübingen
Tel. 07071/2986679, Fax 07071/295621

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. Juni 2020 (online)

 

ZUSAMMENFASSUNG

Neuromodulative Verfahren zur Behandlung von Schmerzen sind seit über 50 Jahren im Einsatz. In den letzten Jahren wurden entscheidende Neuentwicklungen eingeführt, die die Schmerztherapie weiter verbessern werden. Aus diesem Grunde sollten neuromodulative Verfahren zur Behandlung chronischer Schmerzen in das Behandlungskonzept fest mit einbezogen sein und viel früher eingesetzt werden als bisher.


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Einleitung

Derzeit sind mehr als 95 Millionen Menschen in Europa von chronischen Schmerzen betroffen [1]. Unter chronischen Schmerzen werden dabei Schmerzen verstanden, die länger als 6 Monate anhalten. Dies stellt eine erhebliche Herausforderung für die Gesundheitssysteme dar und eine große ökonomische Belastung für die Gesellschaft. In Europa sind Rückenschmerzen die häufigste Form chronischer Schmerzen [1]. Durch die Schmerzen sind Patienten in ihrem täglichen Leben oft massiv eingeschränkt. Dadurch ist vielfach nicht nur eine schwere körperliche Behinderung bedingt, sondern in zunehmendem Maße auch psychische Veränderungen mit Depressionen und Angstzuständen. Mehr als 50 % dieser Patienten leiden unter Schlafstörungen, wobei Müdigkeit und Erschöpfung die Beeinträchtigungen durch die chronischen Schmerzen noch weiter verstärken. Dies führt zu einer erheblichen Belastung für die Angehörigen.

Die Diagnosestellung bei chronischen Schmerzpatienten gestaltet sich dabei häufig als sehr langwierig. Viele der Patienten werden nicht an einen Schmerztherapeuten überwiesen. Bei einer Umfrage waren 41 % der Patienten nicht zufrieden mit der Schmerzbehandlung und 24 % gaben an, dass ihr Arzt ihre Symptome nicht ausreichend beachtet oder versteht [1]. Hier zeigt sich, dass weiterhin ein starker Optimierungsbedarf bei der Behandlung chronischer Schmerzen besteht. Neuromodulative Verfahren können eine sichtliche Verbesserung der Behandlung von chronischen Schmerzen erbringen. Jedoch sind diese Verfahren bei zwei Drittel der Patienten noch unbekannt [2]. In einer Befragung konnte gezeigt werden, dass bei über 80 % der Schmerzpatienten 4 Behandlungsformen verwendet wurden, bevor eine Rückenmarkstimulation (SCS) überhaupt in Erwägung gezogen wurde [3]. Auch die Kenntnis und Akzeptanz von SCS unter den behandelnden Ärzten ist nur gering. Tatsache ist jedoch, dass die Rückenmarkstimulation chronische Schmerzen suffizient lindern kann und vielen Patienten ein neues Leben ermöglicht hat [4].


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Methoden neuromodulativer Schmerztherapie

Bei der neuromodulativen Schmerztherapie werden feine elektrische Ströme verwendet, die von außen über spezielle Elektroden in das Nervensystem hineingeleitet werden. Die „Sprache“, die dabei benutzt wird, sind elektrische Wellen. Die Methode ist nicht neu. Bereits 1967 verwendete Shealy eine Sonde und stimulierte die Hinterstränge des Rückenmarks, um chronische Schmerzen zu behandeln. Die physiologische Grundlage dafür bildete die Gate Control Theory von Melzack und Wall aus dem Jahre 1965, die besagt, dass durch die Stimulation von Aß-Fasern die Schmerzsignale von Aδ- und C-Fasern bei der synaptischen Umschaltung im Bereich des Hinterhorns unterdrückt werden. Im weiteren Verlauf kam es dann zu einer raschen Weiterentwicklung dieser Technologie mit Verwendung neuer Elektroden und Generatoren. 1969 verwendete Adams Sonden im Bereich des Gehirns im Rahmen der tiefen Hirnstimulation (DBS) zur Behandlung von Gesichtsschmerzen.

Mit DBS können dabei zentrale Schmerzen nach Auftreten von zerebralen ischämischen Ereignissen behandelt werden. Diese Methode ist jedoch verglichen mit SCS sehr aufwendig. In der Literatur finden sich diesbezüglich nur kleinere Studien und keine großen multizentrischen, randomisierten Untersuchungen. DBS hat deswegen zur Behandlung von Schmerzen keine weite Verbreitung gefunden und stellt keine Methode der ersten Wahl dar.

Ähnlich verhält es sich mit der Motorkortexstimulation, die 1991 von Tsubokawa erstmals eingeführt wurde. Dabei können durch eine Stimulation des Motorkortex ebenfalls Schmerzen gelindert werden. Aber auch diese Methode ist keine Therapie der ersten Wahl, sondern wird ggf. nur dann angewendet, wenn andere neuromodulative Verfahren versagen.

Eine weitere Methode um chronische, neuropathische Schmerzen zu behandeln stellt die periphere Nervenstimulation dar, wo Sonden direkt an geschädigte, schmerzverursachende Nerven angelegt werden und diese unmittelbar stimulieren. Ist eine direkte Stimulation nicht möglich, können die Nerven auch aus einiger Entfernung (mehrere Zentimeter) über eine indirekte, induktive Nervenfeldstimulation erreicht werden. Beide Stimulationsformen sind leicht anzuwenden, sind sehr effektiv und haben sich zu Standardmethoden der neuromodulativen Schmerztherapie entwickelt.

Die SCS (Spinal Cord Stimulation) ist die am weitesten verbreitete und am häufigsten eingesetzte neuromodulative Methode zur Schmerztherapie. Sie ist einfach und leicht anzuwenden, kann sehr gut Schmerzen reduzieren und wird von den Patienten gut toleriert. Es gibt eine Vielzahl randomisierter, multizentrischer Studien sowie Leitlinien, die den klinischen Wert dieser Methode bestätigen. Bei dieser Stimulationsform werden die Hinterstränge des Rückenmarkes sowie die Wide-Dynamic-Range(WDR)-Neurone im Hinterhorn stimuliert. Zusätzlich werden auch über orthograde Stimulation das endogene Opiatsystem sowie weitere serotonerge und cholinerge Mechanismen aktiviert, die zusätzlich eine Schmerzreduktion bewirken.

Eine weitere wichtige Stimulationsform stellt die Dorsalganglienstimulation dar, die 2011 eingeführt wurde. Dabei werden die Dorsalganglien isoliert stimuliert, und es ist auf diese Weise möglich, einzelne Dermatome gezielt mit sehr viel mehr Energie zu behandeln, als dies mit SCS möglich ist. Es kommt hierbei zu einer direkten Blockierung einzelner Neurone durch die Stimulation sowie zusätzlich zu einer Verminderung der Weiterleitung der Schmerzsignale an der T-Kreuzung der unipolaren Nervenzellen. Damit ist es erstmals möglich, auch kleine Schmerzareale wie Leistenschmerzen oder Knie- und Fußschmerzen, effektiver neuromodulativ zu behandeln als dies bislang der Fall war. Die Dorsalganglienstimulation stellt damit eine wichtige Ergänzung zur SCS-Stimulation dar. Ein weiterer Vorteil der Dorsalganglienstimulation besteht darin, dass der Schmerz bereits unterbrochen wird, bevor er das Hinterhorn des Rückenmarkes erreicht, d. h. die Schmerzsignale bleiben „draußen“ außerhalb des Rückenmarkes und weitere zentrale Sensitisierungsprozesse, durch die die Schmerzen zusätzlich verstärkt werden, können dadurch reduziert werden. Die am häufigsten angewandten neuromodulativen Methoden zur Schmerzbehandlung sind somit die SCS-Stimulation, die periphere Nervenfeldstimulation sowie die Dorsalganglienstimulation. Damit verfügen wir über ein sehr umfangreiches Armentarium an Verfahren, mit denen es möglich ist, chronische Schmerzen gezielt zu behandeln.


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Stimulationsformen

Die klassische Wave-Form, die für viele Jahre für die Stimulation benutzt wurde, ist die tonische Stimulation. Es handelt sich dabei um Rechteckimpulse mit einer Frequenz von 40–100 Hz und unterschiedlicher Amplitude. Diese Stimulationsform wurde über 50 Jahre eingesetzt und wird auch in Zukunft weiter benutzt werden. Nachteile dieser Methode sind das Vorhandensein von Parästhesien durch die Stimulation der Aß-Fasern, lageabhängige Veränderungen der Stimulationsstärke sowie das Nachlassen der Stimulationseffektivität im Laufe der Zeit (Toleranzentwicklung). Etwa 50 % der Patienten berichten über eine Reduktion der Stimulationswirkung im Langzeitverlauf. Deswegen bestand die Notwendigkeit zur Entwicklung neuartiger Wave-Formen, die diese Nachteile ausgleichen und zusätzliche Vorteile erbringen.

Die erste dieser neuen Waves ist die BurstDRTM-Stimulation. Es handelt sich dabei um Impulse, die in Salvenform abgegeben werden. Dabei werden wesentlich höhere Stimulationseffekte erreicht als mit der tonischen Stimulation. Der entscheidende Vorteil dieser Technologie ist jedoch, dass es sich dabei um eine physiologische Stimulationsform zu handeln scheint, wie sie auch vom Körper selbst verwendet wird. Durch funktionelle Kernspinaufnahmen des Neurocraniums konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass mit dieser Wave-Form auch die medialen Aspekte der Schmerzmatrix, die für die emotionale Prägung der Schmerzen verantwortlich sind, erreicht werden. Damit ist es möglich, neuromodulativ auch die emotionale Schmerzverarbeitung zu beeinflussen. Dies stellt einen absoluten Durchbruch in der neuromodulativen Schmerztherapie dar und wird weitreichende Konsequenzen haben. Zum ersten Mal ist es möglich, durch diese Stimulationsform die mit dem Schmerz verbundene Angst sowie das schmerzgekoppelte Aufmerksamkeitsverhalten positiv mit Neuromodulation zu beeinflussen.

Eine weitere neue Stimulationsform ist die Hochfrequenzstimulation (HF), die mit Frequenzen von 10 Khz arbeitet. Durch diese hohen Frequenzen kommt es zu einem Depolarisationsblock einzelner Neurone im Hinterhorn und zu einer Desynchronisation der nachgeschalteten Neurone. Diese Wave-Form ist ebenfalls in der Lage, chronische Schmerzen zu reduzieren und verursacht selbst keine zusätzlichen Parästhesien. Darüber hinaus werden tonische Stimulationen in höheren Frequenzen als bisher (1000 Hz) oder in Salvenform (clustered tonisch) angewendet.

Aktuell werden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt mit dem Ziel, herauszufinden, welche Stimulationsform sich für welche Schmerzform am besten eignet, und welche Langzeitergebnisse damit erreicht werden können. Entscheidend ist jedoch, dass die neuromodulative Schmerztherapie nun ein neues Stadium erreicht hat, wo wir beginnen, neurophysiologische Mechanismen des Körpers zu imitieren und mit dem Nervensystem zu kommunizieren, um Schmerzen zu reduzieren.


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Funktionsweise SCS

Kommt es zu einer Verletzung im Bereich des Körpers, so werden hier entsprechende in den Geweben zahlreich verteilte, unterschiedliche Arten von Nozizeptoren stimuliert, die thermische, chemische oder mechanische Schmerzreize in Aktionspotenziale umwandeln (Transduktion) und dann über periphere und zentrale Nervenbahnen (Transmission) dem Thalamus und der lateralen und medialen Schmerzmatrix zuleiten, wo dann der Schmerz als solcher bewusst wahrgenommen wird (Perzeption). Die Veränderung von Schmerzsignalen (Modulation) geschieht in erster Linie an Synapsen. Als eine Hauptschaltstelle bei der Schmerzmodulation dient dabei die Umschaltung vom ersten auf das zweite Neuron im Bereich des Hinterhorns sowie die dabei beteiligten Interneurone. Hier sind zahlreiche Rezeptorsysteme lokalisiert, die einerseits die Schmerzsignale verstärken oder reduzieren können. Als Transmitter dienen einerseits GABA, Acetylcholin, Glutamat, Substance P, Serotonin und viele mehr. Bei der SCS verwenden wir ebenfalls diese Synapse, um die Schmerzsignale zu modulieren und zu verringern (▶[ Abb. 1 ]). Dazu bringen wir eine Stimulationssonde dorsal in den Spinalkanal und stimulieren die Hinterstränge. Durch die somatotopische Anordnung der Stränge können die Sonden so platziert werden, dass genau das Areal stimuliert wird, wo auch die Schmerzen am Körper auftreten. Durch die Stimulation kommt es zu folgenden Reaktionen: Durch die orthograde tonische Stimulation der Aß-Fasern der Hinterstränge kommt es zu einem Kribbelgefühl in den stimulierten Dermatomen. Gleichzeitig wird das endogene Schmerzsystem aktiviert, welches dann retrograd im Bereich des Rückenmarkes über serotonerge Mechanismen Schmerzen reduziert.

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Abb. 1 Die Funktionsweise der SCS-Stimulation. Durch orthodrome Stimulation der Aß-Fasern werden Kribbelparästhesien in den stimulierten Dermatomen ausgelöst. Gleichzeitig wird das endogene Schmerzsystem aktiviert. Über eine antidrome Stimulation werden die WDR-Neurone stimuliert, die dann über GABA die Weiterleitung der Schmerzimpulse der C- und Aδ-Fasern unterbinden. Quelle: Hannes Schramm, Matthias Morgalla, Tübingen

Bei neuropathischen Schmerzen zeigen WDR-Neurone eine Übererregbarkeit im Bereich des Hinterhornes, die auf einer erhöhten basalen Ausschüttung von exzitatorischen Aminosäuren (Glutamat) und einer Dysfunktion des lokalen spinalen γ-Aminobuttersäuresystems (GABA) beruhen [5]–[7]. Der wichtigste Mechanismus der SCS-Stimulation besteht in einer antidromen Stimulation der Aß-Fasern, die eine Stimulation von WDR-Neuronen im Bereich des Hinterhorns bewirkt. Dadurch kommt es über die Freisetzung von GABA zu einer Reduktion bzw. Blockierung der Weiterleitung von Schmerzsignalen von C-Fasern und Aδ-Fasern (▶[ Abb. 1 ]). In Tierexperimenten mit neuropathischen Schmerzen konnte gezeigt werden, dass durch die SCS-Stimulation die Übererregbarkeit der WDR-Neurone durch vermehrte Freisetzung von GABA reduziert wurde bei gleichzeitiger Abnahme der intrazellulären Glutamatkonzentration [8]. Bei der Verwendung von BurstDRTM und Hochfrequenzstimulation werden die WDR-Neurone direkt stimuliert, wobei die Weiterleitung über die Aß-Fasern unterbleibt und somit keine Kribbelparästhesien wahrgenommen werden (parästhesiefreie Stimulation).


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Indikationen für neuromodulative Schmerztherapie

Neuromodulative Verfahren eignen sich besonders zur Behandlung chronischer neuropathischer Schmerzen. Das Failed Back Surgery Syndrom (FBSS) mit seinen chronischen Schmerzen im Bereich der Beine als Folge kompressiver Nervenwurzelschädigungen, die sich trotz Operation nicht besserten, stellt eine der Hauptindikationen dar. Aber auch chronische Schmerzen nach Nervenschäden als Folge von Traumen oder Operationen im Bereich der Leiste, der Knie, der Füße, Rippen oder Hände sind gute Indikationen. Das Chronic Regional Pain Syndrom (CRPS), auch als Sudek-Syndrom bekannt, lässt sich mit Dorsalganglienstimulation gut behandeln. Auch ischämische Schmerzzustände wie pAVK oder chronische Angina pectoris sprechen auf SCS sehr gut an. Chronische Migräne und Clusterkopfschmerzen sind zusätzliche Indikationen. Hier zeigt sich, dass neuromodulative Verfahren eine Vielzahl schwer zu behandelnder Schmerzsyndrome sehr gut lindern können, was durch existierende Leitlinien bestätigt wird.


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Patientenevaluation

Entscheidend für den Langzeiterfolg bei der Anwendung neuromodulativer Verfahren zur Behandlung chronischer Schmerzen, ist die sorgfältige Auswahl von Patienten. Dazu ist ein interdisziplinäres Vorgehen unerlässlich. Als Einschlusskriterien gelten das Vorhandensein eines chronischen neuropathischen Schmerzsyndroms, konservative Therapiemaßnahmen haben keinen ausreichenden Erfolg erbracht, und es bestehen keine weiteren Indikationen für ein zusätzliches chirurgisches Vorgehen (z. B. Knie-, Leisten- oder Rückenoperation). Schwere Depressionen oder psychiatrische Erkrankungen stellen Kontraindikationen dar. Zusätzlich müssen Patienten sorgfältig befragt und untersucht werden. Möglicherweise muss eine zusätzliche Bildgebung erfolgen oder elektrophysiologische Untersuchungen oder interventionelle Verfahren (Wurzelinfiltrationen) noch durchgeführt werden. Bei Verdacht auf Depressionen sollte eine psychiatrische Evaluation ebenfalls veranlasst werden.


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Implantationstechnik

Bei der Anwendung neuromodulativer Verfahren zur Behandlung chronischer Schmerzen handelt es sich in der Regel um minimalinvasive Methoden. Diese sind sehr schonend und weisen, verglichen mit anderen Operationen im Bereich des Rückens, nur geringe Risiken auf. In der Regel wird zunächst eine Teststimulation durchgeführt, die dazu dient, festzustellen, ob ein Patient überhaupt von dieser Therapieform profitiert. Erst wenn gesichert ist, dass die Stimulation erfolgreich ist (Schmerzreduktion > 50 %), wird dann in einem zweiten Eingriff ein kleiner Schmerzschrittmacher implantiert und damit die Behandlung dauerhaft gemacht. Sollte ein Patient von der Teststimulation keine ausreichende Besserung erfahren, werden die Sonden wieder entfernt. Die Eingriffe werden gewöhnlich in Analgosedierung oder lokaler Betäubung durchgeführt und werden von den Patienten gut vertragen.


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Ergebnisse

Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Studien, die die Wirksamkeit unterschiedlicher Stimulationstechniken neuromodulativer Verfahren zur Schmerzbehandlung belegen. Damit wird gleichzeitig auch eine Grundlage für die Argumentation bezüglich der Indikationsstellung geschaffen, die insbesondere bei Fragen der Remuneration durch Versicherungsträger immer wichtiger wird. Im Folgenden sollen die Ergebnisse der unterschiedlichen Stimulationsformen dargestellt werden:

Tonische Stimulation

Tonische Stimulation wird seit mehr als 50 Jahren angewandt und es gibt hierzu eine große Anzahl von Studien. In einer umfassenden Arbeit mit 235 Patienten haben Kumar et al. Patienten mit tonischer Rückenmarkstimulation über 15 Jahre nachverfolgt und konnten zeigen, dass im Langzeitverlauf (n = 145) ein gutes Ergebnis (Schmerzlinderung > 50 %) bei 59 % der Patienten vorlag, während bei 18 % der Patienten das Langzeitergebnis nicht ausreichend war [9].

Shimoji at al. untersuchten 454 Patienten mit SCS-Stimulation (Nachuntersuchungsintervall 1 Jahr) und fanden bei 11,5 % der Patienten vollständige Schmerzlinderung und mehr als 30 %ige Schmerzreduktion wurde bei 71,1 % der Patienten festgestellt. Die Schmerzmedikation konnte nach der Stimulation bei 11,5 % der Patienten (n = 52) abgesetzt und bei 57,9 % (n = 263) reduziert werden [10]. Die Ergebnisse der Schmerzreduktion in der Literatur unter tonischer Stimulation schwanken zwischen 30–50 % Linderung [11]–[14], 51–70 % Schmerzreduktion [15], [16] und 71–80 % Reduktion der Schmerzen [17].


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BurstDRTM-Stimulation

Die Ergebnisse der BurstDRTM-Stimulation wurden in der Literatur intensiv untersucht, und es existieren zahlreiche Studien. De Ridder et al. haben berichtet, dass tonische Stimulation 30 % Schmerzreduktion erbrachte, während diese bei BurstDRTM-Stimulation 84,1 % war [18]. In einer weiteren Studie von de Ridder war die Schmerzreduktion bei tonischer Stimulation 30,2 % und bei BurstDRTM-Stimulation 54,2 % [19]. In beiden Studien bevorzugten alle Patienten die BurstDRTM-Stimulation. In den meisten Studien wird die parästhesiefreie BurstDRTM-Stimulation der tonischen vorgezogen. Die Zahlen schwanken dabei zwischen 74 % und 100 % Präferenz für die BurstDRTM-Stimulation [20]–[22].

Es existieren große, prospektive, randomisierte, multizentrische Studien. Eine davon ist die Sunburst-Studie [4], in die 100 Patienten eingeschlossen wurden (mittleres Alter 59,1 Jahre, 60 % Frauen). Die Indikationen zur Stimulation waren in 42 % FBSS-Patienten und in 37 % chronische Radikulopathien. Bei dieser Studie war die BurstDRTM-Stimulation der tonischen Stimulation überlegen sowohl für den Rückenschmerz (p = 0,024) als auch für den Beinschmerz (p = 0,044). Von den Patienten empfanden 91 % keine Paräesthesien durch die Stimulation. Insgesamt bevorzugten 69,4 % der Patienten die BurstDRTM-Stimulation, während 21,2 % die tonische Stimulation besser fanden. Etwa ein Fünftel der Patienten, die mit SCS behandelt werden, bevorzugt nach wie vor die tonische Stimulation, weil diese Patienten einen Effekt (Parästhesie) verspüren möchten, um von der Stimulation überzeugt zu sein. Aus diesem Grunde wird die tonische Stimulation trotz der neuen Wave-Formen in Zukunft immer noch weiter angewandt werden.

Bei Patienten, bei denen im Langzeitverlauf die tonische Stimulation keine ausreichende Besserung mehr erbrachte, wurde der tonische Generator in einen ausgetauscht, der sowohl tonische als auch BurstDRTM-Stimulation applizieren kann. Hier konnte gezeigt werden, dass bei 62,5 % der Patienten durch die Anwendung von BurstDRTM-Stimulation wieder eine gute Schmerzreduktion erreicht werden konnte. Die Pausen zwischen den BurstDRTM-Stimulationen können verändert und insbesondere verlängert werden. Dadurch ist es möglich, mit sehr viel weniger Energie ebenfalls gleich gute Ergebnisse wie bislang zu erhalten. Diesen Prozess nennt man „Microdosing“. Dadurch ist es ggf. auch möglich, Habituierungsprozesse, die durch die Stimulation verursacht werden, im Bereich des Rückenmarkes zu verringern und die Langzeitergebnisse dadurch zu verbessern.


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Hochfrequenz-Stimulation

Die HF-Stimulation vermag chronische neuropathische Schmerzen ebenfalls zu behandeln und zu lindern. Es existieren zahlreiche Studien [23]–[25]. Bei der Senza-Studie (randomisiert, prospektiv, multizentrisch) wurden 198 Patienten mit Rücken- und Beinschmerzen für 3 und 12 Monate untersucht. 101 Patienten wurden mit HF-Therapie behandelt und 98 mit konventioneller tonischer Stimulation. Die HF-Therapie war der tonischen Stimulation überlegen (p < 0,001) [26], [27]. In einer weiteren Studie wurde HF zur Behandlung von Nacken und Armschmerzen eingesetzt. Es konnte gezeigt werden, dass HF auch hier gute Ergebnisse über einen Zeitraum von 1 Jahr erbringen konnte. Nach 12 Monaten hatten 89,2 % der Patienten mit Nackenschmerzen und 95 % der Patienten mit Armschmerzen mehr als 50 % Schmerzlinderung [28].


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Dorsalganglienstimulation

Die Dorsalganglienstimulation ist eine wichtige Neuerung, mit der es erstmals möglich ist, kleine, abgeschlossene Schmerzareale wie beispielsweise Knie- oder Leistenschmerzen gezielt zu behandeln. Obwohl diese Stimulationsform erst seit wenigen Jahren zur Verfügung steht, gibt es hierzu eine große Anzahl von Studien und Langzeitergebnissen [29]–[34]. In einer Studie mit 62 Patienten konnte gezeigt werden, dass über einen Zeitraum von 3 Jahren eine sehr gute Schmerzlinderung von mehr als 50 % erreicht werden konnte (p < 0,0001) [30]. Darüber hinaus scheint die Dorsalganglienstimulation insbesondere bei CRPS der herkömmlichen Stimulation überlegen zu sein [35].

Fazit

Die Behandlung chronischer Schmerzen stellt unverändert ein großes Problem dar und bedeutet eine erhebliche Belastung für die Betroffenen und die Gesellschaft. Das Ausmaß dieses Problems ist jedoch vielfach nicht bekannt und die Patienten werden deswegen einer suffizienten Therapie häufig erst spät zugeführt. Neuromodulative Verfahren zur Behandlung von Schmerzen sind seit über 50 Jahren im Einsatz. In den letzten Jahren wurden entscheidende Neuentwicklungen eingeführt, die die Schmerztherapie weiter verbessern werden. Die Wirksamkeit dieser Methoden ist in der Literatur mittlerweile gut belegt.

Aus diesem Grunde sollten neuromodulative Verfahren zur Behandlung chronischer Schmerzen in das Behandlungskonzept fest mit einbezogen sein und viel früher eingesetzt werden als bisher. Dadurch wird es möglich werden, eine effektivere und umfassendere Schmerzbehandlung für unsere Patienten zu erreichen.


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Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen

Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: ja; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein.

Erklärung zu nicht finanziellen Interessen

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

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Prof. Dr. med. Matthias H. Morgalla
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Abb. 1 Die Funktionsweise der SCS-Stimulation. Durch orthodrome Stimulation der Aß-Fasern werden Kribbelparästhesien in den stimulierten Dermatomen ausgelöst. Gleichzeitig wird das endogene Schmerzsystem aktiviert. Über eine antidrome Stimulation werden die WDR-Neurone stimuliert, die dann über GABA die Weiterleitung der Schmerzimpulse der C- und Aδ-Fasern unterbinden. Quelle: Hannes Schramm, Matthias Morgalla, Tübingen