Aktuelle Dermatologie 2021; 47(04): 140-142
DOI: 10.1055/a-1389-0736
Derma-Fokus

Isolierte orale Läsionen einer sekundären Syphilis nicht übersehen!

Lampros A. et al.
Oral forms of secondary syphilis: An illustration of the pitfalls set by the great imitator.

J Am Acad Dermatol 2021;
84: 348-353
 

Die Syphilis wird wieder häufiger, insbesondere in der Population von Männern, die Sex mit Männern haben (MSM). Die sekundäre Syphilis kann überall und in den vielfältigsten Manifestationen in Erscheinung treten. Orale Symptome sind nicht selten und werden häufig nicht gleich erkannt, insbesondere, wenn sie isoliert auftreten.


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Das zeigt die Auswertung einer französischen Wissenschaftlergruppe um Alexandre Lampros von der dermatologischen Abteilung des Hôpital Cochin und der Sorbonne Universität in Paris. Sie analysierten klinische Daten von Patienten, die im Zeitraum zwischen Januar 2000 und Juli 2019 wegen der Diagnose Syphilis an das Nationale Referenzzentrum für Syphilis in Paris überwiesen worden waren und die orale Manifestationen einer Syphilis aufwiesen.

Patientenpopulation

Insgesamt stellten sich in dem Untersuchungszeitraum 403 Patienten mit der Diagnose Syphilis im Referenzzentrum vor. 206 von ihnen (51 %) litten unter einer sekundären Syphilis, 38 (18 %) mit oralen Manifestationen, die bei 14 Patienten (37 %) isoliert aufgetreten waren.

37 der 38 Patienten mit sekundärer Symphilis und oraler Manifestation waren MSM. Gut jeder Dritte (37 %) war mit dem humanen Immundefizienzvirus (HIV) infiziert, wobei die Viruslast bei der Mehrzahl (85 %) unter der Nachweisgrenze lag. 10 der 38 Patienten hatten auch schon einmal an einer anderen sexuell übertragbaren Krankheit (STI) gelitten.

Die häufigste Art der oralen Manifestation der sekundären Syphilis waren eine subakute erosive oder ulzerierende Läsion (55 %), muköse Plaques auf der Zunge (53 %) sowie noduläre (10 %) und leukokeratotische Läsionen (5 %).


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Zeit bis zur Diagnosestellung

Vom Symptombeginn bis zur Diagnose vergingen im Mittel 4,5 Monate. Die Spanne reichte von 5 Tagen bis zu 2 Jahren. Lagen die oralen Läsionen isoliert vor, war die Zeit bis zur definitiven Diagnose mit 8,8 Monaten deutlich länger, als wenn auch andere Lokalisationen betroffen waren (1,8 Monate; p = 0,02). Eine HIV-Diagnose war mit einer kürzeren Zeitpanne bis zur Diagnose assoziiert (1,5 vs. 5,8 Monate ohne HIV-Diagnose; p = 0,06). 23 der 38 Patienten konsultierten mehr als einen Arzt, bis sie zu einem auf STI spezialisierten Zentrum geschickt wurden. Bei drei Viertel der Patienten wurde bei der ersten klinischen Vorstellung kein Syphilistest initiiert. Differenzialdiagnosen, die erwogen wurden, umfassten virale, Pilz- und Zahninfektionen, orale Tumoren, gastroösophagealen Reflux, Urtikaria, Pemphigus und Lupus.


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Isolierte orale Manifestation

14 der 38 Patienten (37 %) hatten ausschließlich orale Manifestationen einer sekundären Syphilis. Meist handelte es sich um erosive oder ulzerierende Herde (12/14; 86 %). Flecken auf der Zunge traten nur bei 3 der 14 Patienten auf (21 %). Die isolierte Form war bei HIV-Patienten nicht häufiger oder seltener als bei Patienten ohne HIV-Infektion.

24 der 38 Patienten wiesen auch an anderen Lokalisationen Syphilissymptome auf, meist an der Haut: rötliche Ausschläge am Stamm (21 %), kleine papulöse und schuppende Herde an Fußsohle und Handfläche (42 %), aber auch am Stamm (50 %) und perioral (8 %) oder in der Genitalregion (21 %) und an der analen und genitalen Mukosa (21 %). 42 % der Patienten präsentierten sich mit multiplen Adenopathien in inguinalen und zervikalen Arealen. Zwei Patienten erhielten die Diagnose einer neuro-ophthalmologischen Syphilis.


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Therapie

Die meisten Patienten wurden mit Benzathin-Benzylpenicillin behandelt. Die Patienten mit neuro-ophthalmologischer Syphilis erhielten intravenös Penicillin G. 5 Patienten erhielten wegen vermuteter Penicillin-Allergie eine 3-wöchige Doxycyclintherapie. Soweit aus Nachuntersuchungen bekannt, waren die Verläufe alle günstig, die Manifestationen verschwanden innerhalb von 1–2 Wochen.

Fazit

Orale Manifestationen der Syphilis sind häufig und insbesondere bei fehlenden anderen Symptomen eine diagnostische Herausforderung, erklären die Autoren. Sie empfehlen Klinikern, bei Auftreten einer subakuten Läsion im Mund bei Patienten aus Risikogruppen (MSM; HIV-Infizierte) auch die Möglichkeit der Syphilis als übertragbare, heilbare, aber manchmal schwer verlaufende Erkrankung als Differenzialdiagnose in Betracht zu ziehen.

Friederike Klein, München


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
16. April 2021

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