physiopraxis 2010; 8(11/12): 30-33
DOI: 10.1055/s-0030-1270089
physiotherapie

Ein Tag mit Brian Mulligan – Bewegender Entertainer

Joachim Schwarz
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
29. November 2010 (online)

Inhaltsübersicht

    Er entwickelte „Mobilisations with Movement”, ein manualtherapeutisches Konzept, das passive Mobilisationen mit aktiven Bewegungen verbindet. Um dafür Werbung zu machen, reist der 78-jährige Neuseeländer noch immer um die Welt. physiopraxis-Redakteur Joachim Schwarz war bei einer Fortbildung mit Brian Mulligan in Ulm – und traf ihn danach zum Gespräch.

    Ulmkolleg, 9 Uhr. Da vorne steht er. Dunkle Hose, gestreiftes Hemd, dunkelgrüne Krawatte, goldene Krawattennadel, Handy am Gürtel, die grauen Haare so gut es geht quer über die lichten Stellen gekämmt. Brian Mulligan legt pünktlich los. Nach zehn Minuten ist er warmgelaufen, nach 30 Minuten glüht er. Danach steigert er sich weiter. Zwischendurch bekomme ich Angst, dass der 78-Jährige mit einem Herzinfarkt zusammenbrechen könnte. Doch das passiert nicht. Unterrichten scheint sein Lebenselixier zu sein. Er lacht, er singt, er schreit. Zwischendurch weiß ich nicht mehr, ob ich einem Physiotherapeuten zusehe oder dem Typen im Fernsehen, der einem japanische Küchenmesser verkaufen will.

    Nachdem Mulligan eine Technik demonstriert hat, läuft er von Teilnehmer zu Teilnehmer, fragt nach und hält Smalltalk – von Therapeut zu Therapeut. Dann korrigiert er die Techniken und schlägt den Teilnehmern zum Abschluss auf die Hand, das Bein oder den Kopf. KLATSCH! Das ist seine Anerkennung, seine Art zu motivieren. Und sie kommt an. Sein Wechsel zwischen Anekdoten, Witzen und Fakten ist perfekt. Im Gegensatz zu seinen Unterrichtsmaterialien: keine Power-Point-Show, nur ein paar Videos, ein Flipchart, ein fünfseitiges Skript – und eine Tafel. Willkommen in der technischen Steinzeit. Aber Brian Mulligan braucht keine Power-Point-Show, er ist die Show. Er kommentiert seine Videos, zeigt mit dem Finger darauf: „…pain for 23 years…no pain anymore!” Ab und an teilt er auch mal aus: „Show us how one should NOT do it!” Doch ernst meint er es nie, und es gibt auch niemanden, der ihn falsch versteht. Macht ein Teilnehmer eine Technik richtig, freut sich Mulligan wie ein Schuljunge über eine Eins in Mathe: „Come on, a little more rhythm. Yes, that’s it! Good boy!” KLATSCH!

    Mulligan ist immer noch so begeistert von den Erfolgen seiner Techniken, als hätte er sie gestern erst entwickelt. Während des Kurses behandelt er auch die Teilnehmer mit seinen „Mobilisations with Movement” (MWMs). Wir warten förmlich darauf, dass er mal keinen Erfolg hat. Aber irgendwie passiert das nicht. Mulligan verbessert unter andem einen schmerzhaften Ellenbogen, ein seit drei Jahren eingeschränktes Schultergelenk und einen zwölf Jahre alten LWS-Schmerz. Ich kann nicht recht glauben, dass der Therapieeffekt anhalten wird. Aber Mulligans manchmal fast schon befremdliche Selbstüberzeugung macht es schwer, daran zu zweifeln.

    Um 17 Uhr ist Schluss. Doch wahrscheinlich dauert es noch Tage, bis der „bewegende Entertainer” wieder einen normalen Puls hat.

    20 Minuten nach dem Kurs treffen wir uns zum Gespräch. Und wie erwartet ist Brian Mulligan immer noch in Hochform.

    Mr. Mulligan, Sie waren 1992 das erste Mal in Deutschland. Haben sich die deutschen Physiotherapeuten seitdem verändert?

    Gar keine Frage. Man erkennt Unterschiede in ihren manuellen Fähigkeiten. Als ich das erste Mal hier war, waren die Therapeuten gut. Heute sind sie viel besser. In anderen Teilen der Welt verlieren Therapeuten ihre manuellen Fähigkeiten, z.B. in England. Dort benutzen sie zum Teil ihre Hände gar nicht mehr, sondern zeigen ihren Patienten nur noch Übungen. Das ist dumm. Denn so verweigern sie ihnen die beste Behandlungsoption. Auch in Australien und Neuseeland haben Therapeuten gute manuelle Fähigkeiten. In den USA muss man selbst als geprüfter Therapeut noch Fortbildungsstunden absolvieren. Wie ist das in Deutschland geregelt?

    Hier ist es bislang nicht einheitlich. Aber deutsche Therapeuten besuchen dennoch sehr viele Fortbildungen.

    Das sieht man. Einige der Kursteilnehmer heute waren exzellent. Ich denke, Sie können sehr stolz auf Ihre Kollegen sein.

    »Wenn wir nicht Hands-on arbeiten, werden wir unsere Patienten verlieren.«

    Schön zu hören. Sie sagten bereits, dass sich die Physiotherapie verändert hat. Früher bestand sie primär aus Hands-on-Therapie und Gelenkmobilisationen. Heute ist der biopsychosoziale Ansatz immer wichtiger, man arbeitet zunehmend mehr Hands-off…

    Wir sind Übungstherapeuten geworden! Und Psychotherapeuten!

    Aber Übungen sind ja an sich nichts Schlechtes…

    Ja, die sind okay. Aber man braucht Hands-on! Und wenn du aufhörst, deine Hände zu nutzen, werden deine Konkurrenten das Feld übernehmen. Osteopathen, Chiropraktiker. Im Moment haben wir die Expertise, Gelenke besser und spezifischer zu behandeln als alle andern Berufe. Chiropraktiker zum Beispiel machen immer nur „Klick-klick-klick”.

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    Brian Mulligan wurde 1932 in Wellington, Neuseeland, geboren und ist seit 1954 Physiotherapeut. Seit 40 Jahren unterrichtet er Manuelle Therapie. 1985 kam er per Zufall auf die Idee, dass ein Positionsfehler in Gelenken der Grund für muskuloskeletale Beschwerden sein könnte. Daraufhin entwickelte er sein Konzept „Mobilisations with Movement” (MWMs), bei dem er passive Mobilisationen mit aktiven Bewegungen verknüpfte. Zehn Jahre später gründete er den internationalen Verbund der Mulligan-Instruktoren, die „Mulligan Concept Teachers Association”. Vor sechs Jahren schloss Brian Mulligan seine Praxis in Wellington. Seitdem hält er weltweit Vorträge über sein Konzept, das nun auch wissenschaftlich gut untermauert ist. (alle Fotos: S. Oldenburg)

    Was denken Sie über Osteopathen?

    Der Berufszweig wächst. Physiotherapeuten arbeiten immer weniger manuell, die Osteopathen nutzen dagegen ihre Hände intensiv. Und die Patienten wollen, dass du etwas mit deinen Händen machst. Hände anzulegen hat etwas Psychologisches. Wenn du das also bei deinen Patienten nicht tust – tut mir leid, aber dann wirst du sie an die Therapeuten verlieren, die es machen.

    Glauben Sie, dass es für Physiotherapeuten ebenfalls wichtig ist, die psychosozialen Komponenten mit einzubeziehen, oder…

    Aber natürlich hat das seinen Platz! Natürlich! Aber nicht, wenn sich jemand den Knöchel beim Fußballspielen verstaucht hat, sondern möglicherweise bei chronifizierten Problemen. Die Accident Compensation Corporation ACC (die neuseeländische Krankenkasse, Anm. d. Red.) hat mir mal eine Frau geschickt, die zuvor 133 Behandlungen am Daumen bekommen hatte. Sie war bei vielen Ärzten und Therapeuten. Irgendwann wusste keiner mehr weiter. Ich behob den Positionsfehler mit MWMs, und nach vier Behandlungen konnte sie wieder arbeiten. DAS ist etwas, das unserer Profession hilft. Denn ich konnte etwas, was andere nicht können.

    Wie Sie vielleicht wissen, ist der „First Contact” in Deutschland zurzeit ein großes Thema. Welche Fähigkeiten sollten Therapeuten Ihrer Meinung nach haben, um ihn zu bekommen?

    Grundwissen besonders in Anatomie, aber auch in Physiologie. Wenn sie dann noch die Zeichen und Symptome der meisten muskuloskeletalen Beschwerdebilder kennen sowie die Kontraindikationen, sind sie auf einem guten Weg.

    So wie Sie die deutschen Therapeuten kennengelernt haben, würden Sie sagen, dass sie qualifiziert sind für den Erstkontakt?

    Unter den 35, die ich heute gesehen habe, sind vielleicht vier oder fünf, bei denen ich nicht so glücklich wäre. Aber das ist überall auf der Welt so. Wenn du gut ausgebildet bist und schon seit vielen Jahren Patienten behandelst, bist du präziser als ein Arzt. Mir haben Ärzte jahrelang Patienten geschickt und mich gebeten, sie zu behandeln: „Würden Sie bitte Mrs. Brown behandeln, sie hat Rückenschmerzen.” Oder Schulterschmerzen. Sie haben mir nie eine Diagnose gesagt, sondern nur gebeten, sie zu behandeln.

    In Deutschland sind bisher die wenigsten Ausbildungen akademisch. Aber es werden mehr. Manche sagen jedoch, beim „First Contact” sei das praktische Können wichtig, nicht der akademische Abschluss.

    Man muss aufpassen. Im Großen und Ganzen sind Akademiker keine guten Therapeuten. Sie haben wundervolle Gehirne, sie publizieren, und irgendwann unterrichten sie. Aber ihre Berufserfahrung ist minimal. Und was sie unterrichten, ist manchmal peinlich. Akademiker sind eben Akademiker. Sie sind sehr gut im Forschen.

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    Abb. 1–3 Brian Mullligan in Aktion. Auch physiopraxis-Redakteur Joachim Schwarz spürte, wie effektiv seine Techniken sind (Abb. 3).

    Seit wann behandeln neuseeländische Therapeuten Patienten direkt?

    In Neuseeland darf jeder alles machen. Du darfst dich Therapeut nennen und Patienten behandeln. Solange du nicht sagst, dass du beispielsweise Physiotherapeut bist. Du darfst Akupunktur machen, solange du nicht sagst, dass du ein geprüfter Akupunkteur bist. Du darfst massieren, solange du nicht sagst, dass du registrierter Masseur bist. Du bekommst natürlich kein Geld von der Krankenkasse, aber es ist nicht illegal, solange du nicht etwas behauptest, das du nicht bist. Noch vor etwa 50 Jahren hatte unser Physiotherapieverband einen ethischen Kodex: „Man behandelt keinen Patienten, der nicht vom Arzt überwiesen worden ist.” Und obwohl es trotzdem legal gewesen wäre, hielten sich die Verbandsmitglieder daran. In den 60er-Jahren hat es sich dann geändert. Und vor etwa 20 Jahren hat die ACC entschieden, auch dann zu zahlen, wenn Patienten direkt zum Physiotherapeuten gehen.

    Braucht man eine spezielle Qualifikation, wenn die Krankenkasse die Behandlung übernehmen soll?

    Man kann seine Praxis akkreditieren lassen, und zwar von unserem Verband. Er schaut sich die Praxen an und bestätigt, dass die Therapeuten up to date sind, also regelmäßig Konferenzen besuchen und genügend Fachzeitschriften lesen. Er kontrolliert auch die Behandlung und die Behandlungsbedingungen. Wir achten also selbst darauf, dass die Therapeuten einen guten Standard haben. Das ist fantastisch. Bestehst du die Qualitätsprüfung nicht, will die ACC nichts mehr mit dir zu tun haben. Sie zahlen nicht mehr.

    Wie lange dauerte es etwa, bis Ihr Konzept fertig war?

    1985 war eine Basketballerin bei mir, die sich den Finger verstaucht hatte und ihn nicht mehr beugen konnte. Als ich ihre mittlere Phalanx nach lateral schob, konnte sie es auf einmal wieder. Ich habe mir damals viele Gedanken gemacht, warum es so schnell besser wurde, und kam auf die Theorie des Positionsfehlers. Der Behandlungserfolg war natürlich blanker Zufall. Aber ich zitiere immer Louis Pasteur: „In the field of discovery, chance only favours the prepared mind” (Im Bereich der Entdeckungen begünstigt der Zufall nur den vorbereiteten Geist, Anm. d. Red.). Ich hatte diesen vorbereiteten Geist. Innerhalb der nächsten zehn Jahre waren etwa drei Viertel des Konzepts fertig. Heute sind wir wirklich sehr gut. Wenn man vielen Patienten schon innerhalb einer Behandlung helfen kann, ist ein Konzept kaum noch zu verbessern. Niemand kann besser sein als das.

    Stört es Sie, wenn andere die Wirkung der MWMs anders begründen?

    Oh, damit habe ich kein Problem. Vielleicht sagt man in ein paar Jahren: „Mulligan hatte unrecht, es gibt keinen Positionsfehler.” Entscheidend war, dass ich etwas anders gemacht habe als alle anderen. Beim Tennisellenbogen zum Beispiel habe ich irgendwann nicht mehr geglaubt, dass es sich dabei um eine Entzündung handelt. Ich konnte nicht glauben, dass ein Tennisspieler eine Entzündung hat, die nicht von alleine heilt. Du kannst einen verheerenden Beinbruch haben, und trotzdem wird er heilen. Beim Tennisellenbogen muss es also etwas anderes sein: Wenn du dir deine Unterarmmuskeln beschädigst, arbeiten sie nicht richtig. Dadurch bewegt sich das Gelenk nicht richtig. Ein Positionsfehler entsteht. Korrigiere ihn, dann arbeiten die Muskeln wieder schmerzfrei.

    »Akademiker sind oft keine guten Praktiker.«

    Sind MWMs anderen Techniken überlegen?

    Nicht unbedingt. Aber wenn man innerhalb einer Behandlung die Beweglichkeit in einem Schultergelenk wieder herstellen kann, das 23 Jahre nicht in Ordnung war (wie bei einer Patientin, die er auf einem Kurs behandelt hatte, Anm. d. Red.)…ich kenne keine andere Technik, die das schafft. Sind MWMs indiziert, gibt es nichts Besseres.

    Manche sagen, dass MWMs die Revolution der Manuellen Therapie seien. Man bringt passive Techniken mit aktiven…

    ZUSAMMEN! Es ist so einfach, aber es wurde niemals vorher gemacht! Ich kann nicht glauben, dass wir alle so dumm waren! Auch ich! Warum haben wir nicht schon früher versucht, einen Humeruskopf nach hinten in die richtige Position zu schieben, dort zu halten und dann den Patienten bewegen zu lassen? Als wir dann endlich passive Mobilisationen und aktive Bewegungen zusammengebracht haben – BANG! – da gab es eine Explosion in meinem Gehirn. Und in meinen Fähigkeiten, Patienten zu behandeln.

    Haben Sie auch in Ihrer Praxis Patienten manipuliert?

    Ja, ich habe immer manipuliert, denn das macht Spaß. Und dem Patienten gefällt es, wenn es „klickt”: „Oh, Sie haben es wieder zurückgeschoben!” (lacht) Aber mit Manipulationen hatte ich nie den gleichen Erfolg wie mit MWMs. Ich habe auch PAs (passive Mobilisationen nach Maitland, Anm. d. Red.) auf der Wirbelsäule gemacht, die helfen auch. Man muss eine breite Basis haben. Wenn eine MWM nicht funktioniert, muss man etwas anderes machen. Doch sie sollte immer zuerst kommen. MWMs dauern nur zwei Minuten. Und wenn der Patient nicht sofort besser wird, machst du eben etwas anders. Aber wenn du MWMs nicht zuerst verwendest, verweigerst du – glaube ich – Patienten die beste Therapieoption.

    Zu Ihrem Konzept wurde eine Menge geforscht. Warum haben Sie diese Studien heute kaum erwähnt?

    Weil ich nur einen Tag habe und den Teilnehmern so viel wie möglich beibringen möchte. Natürlich interessieren sich viele für die Quellen und wollen Belege, dass MWMs wirken. Die Belege, die ich ihnen gegeben habe, waren, dass sie sehen konnten, dass es funktioniert. Außerdem lasse ich immer Teilnehmer die Techniken demonstrieren. So zeige ich: Jeder kann es, er muss es nur lernen.

    Welcher Physiotherapeut hat Sie in Ihrer Karriere am meisten inspiriert?

    Freddy (Kaltenborn, Anm. d. Red.) natürlich. Er hat mir beigebracht, spezifisch zu sein. Er hat mir beigebracht, Gelenke zu manipulieren. Er hat mir beigebracht, zu spüren. Wenn du nichts spüren kannst, funktioniert nichts. Geoff Maitland war auch großartig. Der Unterschied zwischen Freddy und Geoff war, dass Geoff nie wirklich sagte, warum er etwas tat. Er versprach, es zu erklären, wenn er zurückgetreten ist. Leider war es dann zu spät. Freddy dagegen hatte immer seine biomechanische Konvex-konkav-Regel.

    Kaltenborns Ansatz stehen heute manche Therapeuten skeptisch gegenüber. Was war besser? Zu sagen: „Es ist biomechanisch”, oder zu sagen: „Ich weiß es nicht”?

    Besser war, „Ich weiß es nicht” zu sagen. Freddy kam nach Neuseeland, unterrichtete uns…(er wird nachdenklich) Er war sehr gut. Er war clever, dieser Freddy, wirklich. Und ich denke, die Leute wissen das. Aber die, die heute hier waren, wissen, dass Freddy nicht immer recht hatte. Wir haben heute eine Extension am Handgelenk verbessert, indem wir das Skaphoid nach dorsal geschoben haben und nicht nach palmar, so wie Freddy es tun würde.

    Hatten Sie in Ihrer Karriere auch Patienten, denen es nach der Behandlung schlechter ging?

    Ja, wenn ich übereifrig war. Früher habe ich oft Patienten an der Wirbelsäule behandelt, und wenn es ihnen besser ging, machte ich weiter – und zu viel. Die Folge war, dass sie später mehr Schmerzen hatten. Aber diese Fehler machten mich besser. Niemand ist perfekt. Und wenn einer behauptet, er sei es, ist das furchtbar.

    Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Konzepts?

    Eines Tages werden MWMs ein Standardvorgehen in der Untersuchung und Behandlung von muskuloskeletalen Problemen sein.

    Was bedeutet Unterrichten für Sie?

    Alles. Ich will, dass Menschen das machen, was ich tue. Denn ich glaube, das Wichtigste im Beruf ist, dass man damit zufrieden ist. Ich kenne Leute, die 40 Jahre lang auf ihre Rente gewartet haben. Ich hatte niemals genug. Denken Sie an die Frau, die 23 Jahre Schulterschmerzen hatte. Ich konnte ihr helfen. Wie viele Menschen können so etwas? Diese Befriedigung, diese Freude ist einfach großartig.

    »Freddy Kaltenborn hatte unrecht.«

    Haben Sie schon einmal überlegt, mit Ihrer Arbeit aufzuhören?

    Ich sollte es. Denn es wäre schrecklich, wenn ich nicht mehr mit diesem Enthusiasmus auftreten könnte. Wenn ich unterrichte, habe immer sehr viel Adrenalin in mir. Einmal hatte ich einen Abszess im Mund, hatte die ganze Nacht Fieber. Als ich aufwachte, dachte ich: „Ich kann heute nicht unterrichten.” Aber dann sagte ich mir: „Diese Menschen sind von überall hergekommen, ich kann sie nicht im Stich lassen.” Also ging ich hin und legte los. Innerhalb von fünf Minuten war alles weg: die Schmerzen, das Fieber, alles weg. Hätte ich dieses Adrenalin nicht, könnte ich nicht mehr unterrichten.

    Gibt es jemanden in der Physiotherapie, auf den Sie neidisch sind?

    McKenzie natürlich. Ich bin nicht eifersüchtig auf ihn, aber ich habe oft gedacht: „Oh Mann, warum bin ich darauf nicht gekommen?”

    Wenn Sie zurückschauen, würden Sie heute etwas anders machen?

    Nein, niemals. Ich wollte nicht einmal mehr jünger sein. Am Anfang meiner Karriere dachte ich einmal, ich sollte mein Leben ändern. Aber je besser ich wurde, desto aufregender wurde mein Beruf. Ich habe Freunde, die Ärzte sind. Ich glaube, sie sind neidisch auf mich. Sie sind etwa so alt wie ich, tun nichts mehr, und ich tanze immer noch um den Globus. Das befriedigt mich ungemein. Es sind schon Leute zu mir gekommen und sagten: „Danke. Ich war kurz davor, aufzuhören. Aber Sie haben mich inspiriert, ein besserer Therapeut zu werden. Jetzt kann ich Dinge mit meinen Händen machen, die ich vorher nicht konnte.” Und plötzlich sind sie stolz, Physiotherapeut zu sein. Oh nein, ich bereue nichts. Seid stolz, dass ihr Physiotherapeuten seid, und gebt niemals auf.

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    Brian Mulligan wurde 1932 in Wellington, Neuseeland, geboren und ist seit 1954 Physiotherapeut. Seit 40 Jahren unterrichtet er Manuelle Therapie. 1985 kam er per Zufall auf die Idee, dass ein Positionsfehler in Gelenken der Grund für muskuloskeletale Beschwerden sein könnte. Daraufhin entwickelte er sein Konzept „Mobilisations with Movement” (MWMs), bei dem er passive Mobilisationen mit aktiven Bewegungen verknüpfte. Zehn Jahre später gründete er den internationalen Verbund der Mulligan-Instruktoren, die „Mulligan Concept Teachers Association”. Vor sechs Jahren schloss Brian Mulligan seine Praxis in Wellington. Seitdem hält er weltweit Vorträge über sein Konzept, das nun auch wissenschaftlich gut untermauert ist. (alle Fotos: S. Oldenburg)

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    Abb. 1–3 Brian Mullligan in Aktion. Auch physiopraxis-Redakteur Joachim Schwarz spürte, wie effektiv seine Techniken sind (Abb. 3).