Psychiatr Prax 2012; 39(07): 357
DOI: 10.1055/s-0032-1329466
Mitteilungen der BDK
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

InEK legt inakzeptables Engeltsystem (PEPP) für Psychiatrie und Psychosomatik vor

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Publication Date:
10 October 2012 (online)

 
 

    Verantwortlich für diese Rubrik: Manfred Wolfersdorf, Bayreuth; Thomas Pollmächer, Ingolstadt

    Anfang September hat das InEK den Partnern der Selbstverwaltung den sog. PEPPKatalog vorgelegt. Im vorgeschlagenen Entgeltsystem werden die Behandlungskosten in den Kalkulationskrankenhäusern und -abteilungen nicht tagesbezogen, sondern fallbezogen summiert. Die Fälle werden dann diagnosebezogen in kostenhomogene Gruppen, die sog. PEPPs, zusammengefasst. In einemweiteren Schritt, über den nichts Näheres bekannt ist, werden dann für alle PEPP bzw. Prä-PEPP z.T. stark degressive Tagesentgelte festgelegt, wobei die Degression dazu führt, dass der pro Behandlungsphase zu erzielende Erlös im Verlauf um bis zu 70% abnehmen kann. Es existieren sog. Prä-PEPPs und jeweils getrennte PEPPs für die Kinder- und Jugendpsychiatrie, die Erwachsenenpsychiatrie und die Psychosomatik. Schließlich wurden für den vollstationären Behandlungsbereich Fallzusammenführungsregeln definiert – und zwar diagnose- und behandlungsbereichsunabhängig.

    In einer Reihe von Stellungnahmen zu den unterschiedlichen Fassungen des Gesetzentwurfes und zuletzt anlässlich der Beratungen zum PsychEntgG im Bundesrat hat die BDK darauf hingewiesen, dass die sich abzeichnenden Strukturen der Entgeltberechnung nicht den im Jahre 2009 in §17 KHG festgelegten Prinzipien entsprechen. Die nun vorliegenden PEPP bestätigen diesen Eindruck vollumfänglich. Schon die Definition der PEPP im Definitionshandbuch spricht eine sehr eindeutige Sprache:

    Pauschalierendes Entgeltsystem Psychiatrie/Psychosomatik (PEPP) ist ein Patientenklassifikationssystem, das durch Definition von Fallgruppen in einer klinisch relevanten und nachvollziehbaren Weise, Art und Anzahl der behandelten Krankenhausfälle in Bezug zum Ressourcenverbrauch des Krankenhauses setzt. Die Gültigkeit des Entgeltsystems erstreckt sich auf Einrichtungen im Geltungsbereich des §17d KHG. Die Abkürzung PEPP wird sowohl für das Entgeltsystem im Allgemeinen als auch für die einzelnen Fallgruppen verwendet.

    Hier ist nicht die Rede von aufwandsbezogen pauschalierten Tagesentgelten, wie sie 17d KHG fordert, und wie sie den besonderen Bedürfnissen psychisch kranker Menschen, sowie der Kostenstruktur und dem Kostenverlauf in psychiatrischen Krankenhäusern entsprechen. Im Definitionshandbuch kommt der Begriff "tagesbezogen" überhaupt nur zweimal in nebensächlichem Zusammenhang vor.

    Die degressiven relativen Tagesgewichte werden aus den Gesamtfallkosten und/oder aus Kostendurschnittsverläufen offenbar nachträglich errechnet, da eine primär tagesbezogene Kalkulation mit Billigung der Selbstverwaltungspartner nicht erfolgt ist. Diese Art einer pauschalen Kostenverlaufsberechnung steht in offenkundigem Gegensatz zur individuellen Behandlungsrealität in der Akutpsychiatrie. Richtig ist, dass die ersten Tage einer psychiatrischen Krankenhausbehandlung typischerweise etwas teurer sind als die folgenden; hieraus folgt aber keineswegs eine kontinuierliche weitere Abnahme der Kosten im Verlauf einer längeren Behandlung; im Gegenteil: Die tagesbezogenen Kosten können im Verlauf ansteigen und sogar das Niveau zu Beginn übersteigen. Genau diesem Umstand sollte entsprechend dem gesetzlichen Auftrag das neue Entgeltsystem durch echte aufwandsbezogene Tagesentgelte Rechung tragen, welche nun offenkundig nicht kalkuliert wurden.

    Darüber hinaus sieht das PEPP System von den Diagnosen, Behandlungskonstellationen und auch den PEPP selbst unabhängige Fallzusammenführungen innerhalb von 21 Tagen vor. Auch diesbezüglich haben die BDK und andere Verbände vielfach ernste Bedenken geäußert, weil auch dieser Aspekt des Systems dem Prinzip des Tagesbezug zuwiderläuft.

    Es zeigt sich jetzt mit Vorlage des PEPPKataloges klar, was vorher zu vermuten war: Das neue Entgeltsystem für Psychiatrie und Psychosomatik ist ein DRG-System unter anderem Namen,welches keine aufwandsbezogenen Tagesentgelte zur Grundlage hat, sondern diagnosebezogene Fallkostenkalkulationen. Zwar werden aus den Fallkosten nachträglich Tagessätze errechnet, die aber der in der Psychiatrie im Gegensatz zur somatischen Medizin eben nicht empirisch belegbaren Annahme folgen, dass eine Krankenhausbehandlung systematisch anfangs hohe und später niedrigere Kosten verursacht. Diese Art von Tagessätzen würde dazu führen, dass völlig ohne Bezug zu den tatsächlichen Behandlungsrealitäten im Einzelfall ein immenser Druck auf die Krankenhausverweildauern und auf den ambulanten Behandlungssektor entsteht. Dies war definitiv nicht Ziel des Gesetzgebers und Strukturverbesserungen des ambulanten und ambulant-komplementären Bereichs, die notwendig wären, um die Behandlung der schneller entlassenen Patienten fachgerecht durchzuführen, wurden weder durchgeführt noch eingeleitet.

    Es war erklärtes Zielt des Gesetzgebers ein einheitliches Vergütungssystem zu schaffen. Die jetzt trotz extrem karger Datenlage – etwa 2–3% der kalkulierten Fälle wurden in psychosomatischen Kliniken behandelt – erfolgte Trennung zwischen psychiatrischen und psychosomatischen PEPP verfehlt dieses Ziel, ist fachlich nicht begründbar und entbehrt jeder klinischen Sinnhaftigkeit. Sowohl bezüglich des Alters als auch bezüglich der Diagnosen und der Therapiekonzepte stellen die Patienten der Psychosomatik eine Teilmenge des gesamten Kollektivs dar und keine empirisch unterscheidbare Untergruppe.

    Zusammenfassend hat das InEK mit dem PEPP Katalog ein fallbezogenes pauschaliertes Vergütungssystem vorgelegt, welches eine extreme Nähe zum DRG System zeigt und weder die gesetzlichen Vorgaben für ein neues Entgeltsystem in Psychiatrie und Psychosomatik erfüllt, noch den besonderen Bedürfnissen psychisch kranker Menschen entspricht.

    In einem Brief an die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat die BDK im September gefordert diesen Entwurf des InEK nicht umzusetzen. Der BDK-Vorstand hat sich bereit erklärt die Selbstverwaltungspartner bei einer sorgfältigen Revision des Systems zu unterstützen und, um dies zu ermöglichen, die Aussetzung des Inkrafttretens des neuen Entgeltsystems sowie ein Moratorium gefordert, welches mindestens das gesamte kommende Jahr umfassen sollte.


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