Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2013; 20(04): 161
DOI: 10.1055/s-0033-1353745
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Aufwendige Studie zu unbekannten Ursachen begonnen – Mysteriöse Enzephalitisausbrüche bei indischen Kindern

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
22. August 2013 (online)

 

    In Indien kommt es jedes Jahr zu großen Enzephalitisausbrüchen, die vermutlich zu Zehn- wenn nicht gar Hunderttausenden Krankheitsfällen führen und Tausende von Todesopfern fordern. Früher wurde vor allem das Japan-B-Enzephalitis-Virus für diese Ausbrüche verantwortlich gemacht und auch heute noch verursacht es in einigen Landesteilen schwere Ausbrüche. Insgesamt konnte dieses Virus jedoch in den vergangenen Jahren durch intensive Impfkampagnen in weiten Teilen des Landes deutlich zurückgedrängt werden. Heute verursacht es nur noch einen Bruchteil der Erkrankungen. Stattdessen werden einigen Schätzungen zufolge etwa 45 % der Infektionen durch diverse Enteroviren hervorgerufen. Und in etwa ebenso vielen Fällen ist der Erreger unbekannt.

    Tödlicher Verlauf innerhalb weniger Stunden

    Diese Enzephalitisausbrüche mit unbekannter Ursache, unter der Bezeichnung AES für "Acute Encephalitis Syndrome" zusammengefasst, machen die Ärzte vor Ort ratlos und führen teilweise zu Panik in der Bevölkerung. Es scheinen so gut wie ausschließlich Kinder betroffen zu sein. Das Beängstigende am AES ist das schnelle Fortschreiten der Krankheit: Kinder, die nur wenige Stunden vorher scheinbar völlig gesund waren, liegen plötzlich im Koma, von Krämpfen geschüttelt. Etwa ein Drittel der Betroffenen überlebt die Erkrankung nicht. Der Tod tritt oft innerhalb von wenigen Stunden nach dem Auftreten der ersten Krankheitsanzeichen ein.

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    Der erste Ausbruch des Acute Encephalitis Syndromes (AES) wurde 1995 in der 500 000-Einwohner-Stadt Muzaffarpur im Norden Indiens gemeldet. Es ist eine der ärmsten Regionen Indiens. Mangelhafte ärztliche Versorgung, fehlende zuverlässige Statistiken sowie eine ohnehin hohe Kindersterblichkeit aufgrund von Unterernährung und Durchfallerkrankungen erschweren eine Einschätzung darüber, wie viele Opfer AES bisher tatsächlich forderte. (Quelle: Photo Disc)

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    Regionale Ausbreitung

    Zum ersten Mal beschrieben wurden diese Ausbrüche im Jahr 1995 in einer der ärmsten Regionen Indiens: In der 500 000-Einwohner-Stadt Muzaffarpur, Bundesstaat Bihar, erkrankten etwa 1000 Kinder und 300 von ihnen verstarben – ob es die Krankheit vorher nicht gab oder sie lediglich nicht wahrgenommen wurde, ist unklar. Seither ereignen sich kleinere Ausbrüche so gut wie jährlich. Dieses Jahr wurden allein in Muzaffarpur 133 Fälle gemeldet, 59 der Kinder verstarben an den Folgen der Erkrankung. Auch sind mittlerweile benachbarte Regionen im Norden Indiens, vor allem anscheinend Uttar Pradesh und Westbengalen, betroffen. Darüber hinaus wurden kürzlich erstmals aus Nepal ähnliche Ausbrüche gemeldet.

    Zumindest aus dem Bundesstaat Bihar ist bekannt, dass die Ausbrüche jedes Jahr Mitte Mai beginnen und abrupt mit dem Beginn des Monsuns im Juni oder Juli enden – die Infektionszeit liegt also deutlich vor der der Japanischen Enzephalitis. Die ersten Fälle der Japanischen Enzephalitis werden in der Regel erst mit dem Einsetzen des Monsuns gemeldet. Der Höhepunkt der Infektionswelle ist im Herbst.


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    Ursachen bisher unbekannt

    Auch fast 20 Jahre nach den ersten Ausbrüchen stehen die Ärzte noch vor einem Rätsel. Manche vermuten ein neues Virus als Krankheitsursache, andere Bakterien, Hitzeschäden oder Vergiftungen durch Pestizide. Falls es sich um Viren oder Bakterien handelt, könnten die Erreger ähnlich wie beim Nipah-Virus durch mit Fledermausurin kontaminierte Früchte/Säfte, von Ratten oder Sandfliegen übertragen werden. Verängstigte Eltern vermuten wütende Geister und zeichnen schwarze Punkte auf die Stirn ihrer noch gesunden Kinder, um diese vor dem Auge des Bösen zu schützen. Bekannt ist lediglich, dass es sich meist um isolierte Fälle handelt, eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung scheint nicht vorzuliegen oder zumindest nicht die Hauptinfektionsquelle zu sein.


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    Genaue Untersuchung der Lebensumstände

    Dieses Jahr hat ein Team aus indischen Experten sowie Ärzten der US-amerikanischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention) eine Studie begonnen, in der die Lebensumstände der Betroffenen genauestens untersucht werden. Die Eltern der erkrankten Kinder sollen mehr als 150 Fragen zu Lebensgewohnheiten, Essen, Trinken, Schlafarrangements und Wohnort beantworten. Anschließend werden bei Ortsbesuchen Lebensbedingungen, Obstbäume, Vieh, Brutstellen für Mücken, etcetera protokolliert und zufällig ausgewählte Altersgenossen der Erkrankten im Ort zum Vergleich der gleichen Befragung unterzogen. Ein weiteres Expertenteam wird später die betroffenen Dörfer auf Pestizide oder andere Toxine untersuchen. Es bleibt zu hoffen, dass man durch diese aufwendige Untersuchung der mysteriösen Erkrankung endlich auf die Spur kommt und so die Behandlung verbessern sowie Strategien zur Vermeidung von Infektionen entwickeln kann.

    Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan

    Quelle: promed


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    Der erste Ausbruch des Acute Encephalitis Syndromes (AES) wurde 1995 in der 500 000-Einwohner-Stadt Muzaffarpur im Norden Indiens gemeldet. Es ist eine der ärmsten Regionen Indiens. Mangelhafte ärztliche Versorgung, fehlende zuverlässige Statistiken sowie eine ohnehin hohe Kindersterblichkeit aufgrund von Unterernährung und Durchfallerkrankungen erschweren eine Einschätzung darüber, wie viele Opfer AES bisher tatsächlich forderte. (Quelle: Photo Disc)