Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2014; 21(02): 57
DOI: 10.1055/s-0034-1373714
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erste Ergebnisse der Expertengruppe: Überwiegend Fälle von Fleckfieber, durch Kopfläuse übertragen – Ursachen der Enzephalitis in Indien

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Publication Date:
22 April 2014 (online)

 

    Der Norden Indiens, insbesondere die Bundesstaaten Bihar und Uttar Pradesh, leidet seit nunmehr fast 20 Jahren unter rätselhaften Enzephalitisausbrüchen, bei denen jährlich Zehntausende Kinder erkranken und Hunderte Todesopfer zu beklagen sind (wir berichteten bereits ausführlich in der Augustausgabe des letzten Jahres).

    Während in manchen Regionen Indiens nach wie vor die Japanische Enzephalitis die Hauptursache für Enzephalitiserkrankungen bei Kindern ist, konnte diese durch konsequente Impfprogramme im Norden Indiens deutlich zurückgedrängt werden. Die häufigsten diagnostizierten Erreger hier sind mittlerweile verschiedene Enteroviren. Sie verursachen schätzungsweise 45 % der Erkrankungen. In etwa gleich vielen Fällen jedoch wird keine Ursache für das AES (Acute Encephalitis Syndrome) gefunden.

    Nachdem verschiedenste Maßnahmen wie die Ausweitung der Impfung gegen die Japanische Enzephalitis, Mücken(larven)bekämpfung, Kontrolle der Schweinehaltung und Bereitstellung von Pumpen für Brunnen mit Trinkwasserqualität keine Erfolge brachten, wurde nun vergangenes Jahr eine über 20-köpfige, internationale Expertengruppe beauftragt, die AES-Ausbrüche im östlichen Uttar Pradesh zu untersuchen.

    Vorläufiger Abschlussbericht lässt Fragen offen

    In ihrem Abschlussbericht von Ende Februar kommt sie – bisher jedoch noch nicht offiziell bestätigten Angaben zufolge – zu dem Ergebnis, dass es sich zumindest vergangenes Jahr vor allem um Fälle des klassischen Fleckfiebers gehandelt habe. Die Erreger, die Bakterienart Rickettsia prowazekii, sollen dabei durch Kopfläuse übertragen worden sein.

    Dies wäre eine gute Nachricht für die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten, denn das Fleckfieber lässt sich relativ gut behandeln: Eine frühzeitige Antibiotikagabe kann die Sterblichkeit von 10–40 % (in unterernährten Bevölkerungsgruppen wie denen des ländlichen Nordindiens) auf annähernd 0 % senken. Auch könnte man konkrete Maßnahmen zur Vorbeugung in die Wege leiten, zum Beispiel Entlausungsprogramme, Aufklärungsprogramme zur Körperhygiene oder ein Ende der in der Region verbreiteten Praxis, dass sich in den Krankenhäusern bei Überbelegung bis zu 3 Kinder dasselbe Bett teilen müssen.

    Allerdings wirft das Ergebnis der Studie – zumindest in der bisher veröffentlichten Form – auch einige Fragen auf:

    • So ist ungewöhnlich, dass die Wissenschaftler als Überträger die Kopflaus ausgemacht zu haben meinen. Auch wenn einige neuere Studien darauf hindeuten, dass diese Parasiten tatsächlich als Vektoren des Fleckfiebers dienen können, so sind es doch meist Kleiderläuse, die als Überträger fungieren.

    • Darüber hinaus erklärt das Ergebnis der Untersuchung nicht, warum die AES-Ausbrüche in Uttar Pradesh und Bihar saisonal auftreten und so gut wie ausschließlich Kinder betroffen zu sein scheinen.

    • Eigenartig ist auch, dass in den bisherigen Berichten über AES-Ausbrüche noch nie von petechialen Exanthemen berichtet wurden, welche für Fleckfiebererkrankungen typisch sind.

    • Und schließlich scheint auch der rasante Verlauf der AES-Erkrankungen nicht so recht ins Bild des klassischen Fleckfiebers zu passen – ein Großteil der in Nordindien verstorbenen Kinder war Berichten zufolge nur wenige Stunden vor dem Tod noch anscheinend kerngesund.

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    Die hier abgebildete Kopflaus, Pediculus humanus capitis, und die Körperlaus, Pediculus humanus humanus, sind wahrscheinlich lediglich Unterarten derselben Art. Während allerdings die Körperlaus bereits seit Langem als Überträger für diverse Krankheiten bekannt war, wird die Rolle der Kopflaus als Vektor erst in jüngster Zeit diskutiert.
    Quelle: Gilles San Martin

    Eventuell können diese Fragen bei der offiziellen und vollständigen Veröffentlichung des Berichts geklärt werden. Ansonsten geht das Rätselraten um die Ursache der AES-Ausbrüche wohl in die nächste Runde, wobei das Fleckfieber als neue Hypothese neben einer neuen Virusart, Hitzeschäden, Pestizidvergiftungen oder diversen anderen Bakterien in die Gruppe der diversen diskutieren Möglichkeiten aufgenommen werden wird.

    Dr. Raymund Lösch und Dipl. Biol. Unn Klare, Bad Doberan

    Quelle: promed


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    Die hier abgebildete Kopflaus, Pediculus humanus capitis, und die Körperlaus, Pediculus humanus humanus, sind wahrscheinlich lediglich Unterarten derselben Art. Während allerdings die Körperlaus bereits seit Langem als Überträger für diverse Krankheiten bekannt war, wird die Rolle der Kopflaus als Vektor erst in jüngster Zeit diskutiert.
    Quelle: Gilles San Martin