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DOI: 10.1055/s-0035-1558198
Schwierige Patientenbesitzer – Tipps für Kommunikation und Management
Verfasser
Publication History
Publication Date:
14 December 2015 (online)
- Social Media, Bewertungsportale und Mediendarstellungen
- Der „schwierige“ Patientenbesitzer – eine Analyse
- Tierbesitzererwartungen und deren Folgen
- Tierbesitzererwartungen rechtzeitig identifizieren
- Positive und negative Signale erkennen und differenzieren
- Was Tierbesitzer sagen – und was sie wirklich meinen
- Grundregeln
- Fazit
Schwierige Patientenbesitzer machen nach Statistik nur einen geringen Prozentsatz des Klientels einer Tierarztpraxis oder -klinik aus, sind jedoch Ursache für ca. 80 % aller im Praxisverlauf auftretenden Probleme. Nicht immer sind die Schwierigkeiten vorhersehbar, sie treten für den Tierarzt vermeintlich überraschend mitunter erst einige Wochen nach dem Tierarztbesuch auf. Andere Probleme zeichnen sich schon ab, während der Tierbesitzer noch in der Praxis ist, oder ein Verdacht ergibt sich bereits bei der Terminvereinbarung oder einer telefonischen Anfrage des Tierbesitzers. Viele Praxen und Kliniken versuchen daher, potentielle Probleme mithilfe eines Frühwarnsystems rechtzeitig zu erkennen. Die meisten der üblichen Praxisverwaltungsprogramme verfügen über eine einschaltbare Warnfunktion, die beim Aufrufen des Klienten darüber informiert, dass es sich hier um einen Problemfall handelt. Wichtig ist im Alltag vor allem auch das interne „Ärgermanagement“, damit ein betroffenes Team rasch wieder zu „Business as usual“ findet. Der nachfolgende Beitrag möchte Hilfestellungen für die Kommunikation und das Management von Problemfällen geben.
Sie binden überproportional Zeit, verursachen Aufregung und Ärger, und sie beeinträchtigen das Arbeitsklima und die Funktionalität eines Teams mitunter nachhaltig – schwierige Patientenbesitzer. Die Definition des „schwierigen Kunden“ scheint einfach, ist er doch per definitionem schlicht das Gegenteil von dem, was man unter einem „guten Kunden“ versteht. Ein guter Kunde kommt mit einem Grundvertrauen in die Praxis, ist grundsätzlich dialogfähig und möchte das Beste für sein Tier tun, lässt sich beraten, stimmt den tierärztlichen Empfehlungen zu, arbeitet in der Therapie gut und zuverlässig mit, zahlt zuverlässig und prompt seine Rechnungen und bleibt „seiner“ Praxis oder Klinik treu.
Leider machen solche Patientenbesitzer heute mit regionalen Unterschieden einen viel kleineren Teil des allgemeinen Klientels aus als früher. Seit Jahren zeigen die Statistiken, dass die Kundenloyalität, also die Bereitschaft eines Verbrauchers, sich an einen Anbieter zu binden und dessen Dienstleistungen regelmäßig in Anspruch zu nehmen, gesunken ist. Dieser Trend hat vielfältige Ursachen und wird vor allem im Einzelhandel, beim Online-Shopping und in vielen anderen Branchen durch verschiedene marketingtechnische Maßnahmen strategisch angegangen. Da die hiermit einhergehenden Versprechungen der Anbieter nicht immer eingehalten wurden (z. B. „Superqualität zu sensationell niedrigem Preis“) wurden die Verbrauchererwartungen jedoch zunehmend häufig vor allem durch diverse Skandale, aber auch in Bezug auf den ganz normalen Einkauf enttäuscht, und hieraus hat sich eine grundsätzliche Verbraucherskepsis entwickelt, die auch an uns Tierärzten nicht vorbeigeht. Die Tendenz der Konsumenten, alles und jedes kritisch und mithilfe eigener Internet-Recherchen zu hinterfragen, ist mittlerweile in allen Branchen, im gesamten Dienstleistungsbereich und allen freien Berufen anzutreffen.
Social Media, Bewertungsportale und Mediendarstellungen
Die Nutzung von Social Media haben ferner die Kommunikation auch über tiermedizinische Themen drastisch vereinfacht und verändert, ganz abgesehen von der Tatsache, dass Tierbesitzer Tierärzte und Tierärztinnen öffentlich in Portalen wie jameda.de, quipe.de, golocal.de etc. bewerten, deren Können und tierärztliche Persönlichkeit aus ihrer Sicht beurteilen sowie entsprechend öffentliche Empfehlungen oder „Warnungen“ aussprechen, und von dem in spezifischen Foren und Chats stattfindendem Austausch (z. B. Katzendiabetes- oder Leishmaniose-Forum). Zudem fühlen sich viele dort aktive Tierbesitzer, deren Tier mit einer spezifischen Erkrankung diagnostiziert wurde, aufgerufen, eigene Erfahrungen und/oder Ratschläge für die Behandlung zu posten, die sich nicht selten von der fachlich-korrekten Empfehlung des behandelnden Tierarztes unterscheiden und damit andere Betroffene hinsichtlich der Korrektheit der Beratung durch ihren Tierarzt verunsichern.
Die Darstellung der tierärztlichen Tätigkeit in den Medien ist zusätzlich teils diametral gegensätzlich und reicht vom „Drogendealer im Stall“ über den „Abzocker-Tierarzt“ bis zu „Dr. Tierlieb“, der sich aus Tierliebe um kranke Tiere kümmert, immer nett, ständig rund um die Uhr, am Wochenende und an allen Feiertagen verfügbar und dazu noch unglaublich preisgünstig (billig) ist. Kürzlich wurde der tierärztliche Beruf in einem Beitrag auf faz.net sogar als „nicht ordentlich“ bezeichnet, da vor allem Tierärztinnen „weniger verdienen als eine Kassiererin im Supermarkt“. Medial noch am besten weg kommen grundsätzlich die Kolleginnen und Kollegen in den Zoos. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Studienplätzen ungebrochen, und der Tierarztberuf gehört zu den Berufen mit einem – umfragestatistisch – guten und sauberen Image. Unterhält man sich jedoch mit niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, beklagen diese genau das oben beschriebene Spannungsfeld. Sie finden es zunehmend schwieriger, eine fachlich gute Versorgung im Sinne von Guter Veterinärmedizinischer Praxis (GVP) mit den Ansprüchen und Wünschen vieler Tierbesitzer in Einklang zu bringen und gleichzeitig ein ihrer Ausbildung und den geleisteten Arbeitsstunden angemessenes Einkommen zu erzielen.
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Der „schwierige“ Patientenbesitzer – eine Analyse
Nicht alle schwierigen Patientenbesitzer sind gleich schwierig oder aus demselben Grund problematisch. Deshalb sei nachfolgend der Versuch einer Auflistung unternommen. Grundsätzlich sind folgende Problematiken zu unterscheiden:
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Patientenbesitzer, die zahlungsunwillig oder primär zahlungsunfähig sind,
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Patientenbesitzer, die generell, z. B. aufgrund (teils vermeintlicher) schlechter Erfahrungen oder auch trendgemäß (s. o.) dem Tierarzt gegenüber vorsichtig bis misstrauisch sind,
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Patientenbesitzer, die mit einer selbst gestellten Diagnose in die Praxis kommen und sich vorab für eine ganz bestimmte Therapie entschieden haben, die der Tierarzt nach ihren Wünschen durchführen soll,
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Patientenbesitzer, die einen enormen Zeitaufwand verursachen, weil sie jegliche Maßnahme und Aussage des Tierarztes intensiv mit diesem diskutieren wollen bzw. hinterfragen, da sie sich vorab im Internet mithilfe fachlich teils fraglicher Quellen (teil-)informiert haben oder sich von anderen betroffenen Tierbesitzern oder anderen Personen im Forum oder Chat haben beraten lassen (s. u.).
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Patientenbesitzer, die ihr Tier beim Röntgen, im OP und auf der Aufwachstation nicht allein lassen wollen (häufig: das durften wir bei unserem vorherigen Tierarzt auch!) und damit den routinemäßigen (GVP-)Ablauf stören können, mit entsprechenden Risiken für das Tier,
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Patientenbesitzer, die nach dem Tierarztbesuch im Internet recherchieren und im Nachhinein die mit ihrer Zustimmung durchgeführten Untersuchungen, die Diagnose des Tierarztes und die empfohlene Therapie stark infrage stellen bzw. im Nachhinein Zweifel bekommen,
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Patientenbesitzer, die dem Tierarzt die Schuld an einem Therapieversagen geben (und hierin teils andernorts bestärkt werden),
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Patientenbesitzer, die im Nachhinein zu dem Schluss kommen, die Tierarztrechnung sei überhöht, oder es seien unnötige Maßnahmen getroffen (und abgerechnet) worden,
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extrem ängstliche oder nervöse Tierbesitzer,
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notorische Tierarzttouristen,
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Shoppingkunden, Preisverhandler,
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Personen mit rüden, extrem fordernden oder sogar beleidigenden Umgangsformen,
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Mystery Shopper, die von Mitbewerbern (oder auch den Medien) vorsätzlich als Testkunden in eine Praxis geschickt werden (kommt häufiger vor als bekannt).
Bei Betrachtung der vermutlich unvollständigen Liste wird klar, dass die Vorstellungen, mit denen Tierbesitzer in eine Tierarztpraxis oder -klinik kommen, sehr uneinheitlich bzw. ebenso verschieden sind wie die bisherigen Tierarzterfahrungen einschließlich der Abrechnungsmodalitäten und Abläufe, der Erwartungshaltung an den Tierarzt und die Praxis bzw. Klinik, der Wissens- und Aufklärungsstand, und der Einstellung/Beziehung zum Tier.
Die Beziehung Tierarzt-Tierbesitzer
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Tierarzt-Tierhalter-Beziehung entgegen landläufiger brancheninterner Annahmen nicht immer streng symmetrisch ist, es sich also nicht grundsätzlich um eine typische Anbieter-Konsumenten-Beziehung handelt. Prinzipiell geht ein Tierbesitzer nicht in eine Tierarztpraxis oder -klinik, um dort etwas zu kaufen, er geht dorthin, weil das Tier eine Impfung benötigt oder krank ist, und er jemanden braucht, der sein Tier impft bzw. seinem kranken Tier hilft. Tierbesitzer bekommen vom Tierarzt sehr viel angeboten, fühlen sich aber unter Umständen manchmal unverstanden. Das kann zu einem enormen Vertrauensverlust führen. Der Tierbesitzer weiß in solchen Fällen nicht genau, auf welcher Seite der Tierarzt steht.
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Tierbesitzererwartungen und deren Folgen
Schwierigkeiten treten offenbar regelmäßig dann auf, wenn die Erwartungen des Tierbesitzers nicht erfüllt oder enttäuscht wurden. Nur – woher soll der Tierarzt wissen, welche Erwartungen ein Patientenbesitzer im Einzelfall hat? Nach welchen Kriterien soll er eine Einschätzung vornehmen? Hat er vielleicht sogar Einfluss auf diese Erwartungen?
Ältere Untersuchungen aus den U. S. A. haben gezeigt, dass die meisten Tierärzte intuitiv bzw. nach eigenen Kriterien vorgehen. Diese intuitive Einschätzung der Erwartungen und Wünsche des Tierbesitzers anhand subjektiver Wertmaßstäbe hat nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen offenbar auch dazu geführt, dass die gegebenen Empfehlungen, z. B. für die weiterführende Diagnostik oder aber Therapie, regelmäßig lückenhaft waren, weil der Tierarzt aufgrund seiner Einschätzung des Klienten der Meinung war, dieser wolle die notwendigen Maßnahmen ohnehin nicht alle in Anspruch nehmen (z. B. wegen der Kosten). Besonders bei kostenintensiven Empfehlungen soll – bei manchen Klienten – nicht der Eindruck erweckt werden, man wolle ihnen etwas „verkaufen“, das sie entweder für ihr Tier nicht möchten, oder aber nicht bezahlen wollen (oder können). Bis heute haben Tierärzte manchmal Vorbehalte, von Tierbesitzern als „zu teuer“ indiziert zu werden, zumal in Zeiten von Social Media und Bewertungsportalen, einer ausgeprägten Shopping-Mentalität und in Anbetracht zunehmender Konkurrenz.
Was aber ist „teuer“? Die oben zitierten, bereits länger zurückliegenden Untersuchungen der American Animal Hospital Association (AAHA) konnten damals schon aufzeigen, dass diese Einschätzung im hohen Maße relativ ist. Was für den einen „teuer“ ist, ist für den anderen angemessen, oder sogar preiswert. Wenn manche Tierbesitzer zum Ausdruck bringen, dass sie die tierärztliche Leistung als (überraschend) preiswert einschätzen, eine Erfahrung, die fast jeder Tierarzt gelegentlich macht, dann zeigt dies eine unterschiedliche wertorientierte Wahrnehmung. In den englischsprachigen Ländern hat sich daher der Grundsatz „Donʼt jugde your clientʼs wallet“ durchgesetzt. Dies bedeutet, dass die tierärztliche Empfehlung zumindest in der Kleintierpraxis zunächst unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Tierbesitzers basierend auf ausschließlich fachlichen Kriterien kommuniziert werden sollte, eine hierzulande mitunter etwas umstrittene Empfehlung.
Unabhängig von der Tatsache, dass es faktisch nicht möglich ist, allen Tierbesitzern alles 100 %ig recht zu machen, d. h. eine Zufriedenheitsquote von 100 % bei 100 % aller Kundenkontakte zu erreichen, ist es wichtig, die Erwartungshaltung von Tierbesitzern mit zu berücksichtigen. Dies kann grundsätzlich auf zweierlei Weise erfolgen:
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stringente Zielgruppenausrichtung,
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„Kundenergründung“.
Zielgruppenfindung und -orientierung
Bei der (passiven) Zielgruppenausrichtung wird durch verschiedene Maßnahmen im Vorfeld dafür gesorgt, dass möglichst nur die gewünschte, zuvor in Hinsicht auf ihre Erwartungen und Wünsche hin analysierte Zielgruppe angesprochen wird.
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„Kundenergründung“
Die „Kundenergründung“ ist ein (aktives) verkaufskybernetisches Tool, mithilfe dessen bereits während des initialen Kundenkontaktes Kundenwünsche und Erwartungen nicht nur individuell ergründet, sondern flexibel beantwortet werden können. Sie bietet in jeder Gesprächssituation automatisch immer mehrere richtige Aktions- und Reaktionsmöglichkeiten, die in Richtung der Ziele führen – hier, das Beste für den Tierpatienten zu erreichen. Die Kundenergründung ist gleichzeitig sehr gut dazu geeignet, einen Zielgruppenabgleich vorzunehmen, z. B. kann man innerhalb weniger Minuten testen, ob ein Kunde überhaupt ein (Kauf-)Interesse an dem jeweiligen Praxis-/Klinik-Portfolio hat, und ob er im Gespräch entsprechende Signale sendet.
Vor- und Nachteile
Bei der vielfach empfohlenen Zielgruppenausrichtung besteht ein möglicher Nachteil darin, dass nicht zur Zielgruppe gehörende Kunden, die vielleicht nicht so genau hingeschaut haben, einen negativen Eindruck aus dem Kontakt mitnehmen können. Man stelle sich vor, der Besitzer eines Fahrrades hat ein Problem mit seinem Rad und benötigt Hilfe. Er liest „Technischer Kundendienst für Zweiräder“ und wird in der Werkstatt darüber belehrt, dass in dieser Werkstatt ausschließlich Motorräder und Roller repariert werden. Hilfe wird ihm nicht angeboten. Oder aber er hat ein einfaches Fahrrad, in einem von ihm Hilfe suchend aufgesuchten Fachgeschäft für Fahrräder gehobener Qualität wird ihm eine kostenintensivere Reparaturoption aufgrund einer subjektiven „Kundeneinschätzung“ des Kundendienstmitarbeiters gar nicht erst angeboten. Bei einer später durchgeführten Internet-Recherche (er benötigt ja immer noch eine Lösung) entdeckt er genau diese ihm vorenthaltene Möglichkeit (und gleich auch noch einen passenden Anbieter). Zugegeben, zwei etwas überzeichnete Beispiele, die aber dennoch den Kern treffen.
Die aktiv-kybernetische Kundenergründung hat viele Vorteile. Informationen zu den Erwartungen, Wünschen, aber auch Bedenken und Einwänden des Kunden werden im Gespräch aufgedeckt, und auf diese kann rechtzeitig flexibel in alle Richtungen reagiert werden.
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Tierbesitzererwartungen rechtzeitig identifizieren
Der Schlüssel zur Ergründung der Erwartungen, Wünsche oder Einwände von Tierbesitzern ist der vorurteilsfreie, freundliche Dialog, d. h. das Gespräch. Die Anamneseerhebung ist hierfür ein idealer, sehr professioneller Einstieg, ebenso das idealerweise an die tierärztliche Untersuchung anschließende Beratungs- und Aufklärungsgespräch. Alle Ausführungen und Fragen des Tierhalters (auch aus Sicht des Tierarztes „irrige“ Annahmen, oder die Diagnose durch „Dr. Google“) sollten grundsätzlich zunächst neutral und komplett vorurteilsfrei verarbeitet werden. Gezieltes Anknüpfen an die Aussagen und Berichte des Tierbesitzers erbringt viele interessante Informationen, v. a. wenn zu Beginn und am Ende eine sogenannte „Kontrollfrage“ erfolgt („Was meinen Sie dazu, was halten Sie davon, wie denken Sie darüber?“). Aus kybernetischer Sicht sollten Empfehlungen zudem immer mit einem allgemeinen Statement beginnen („Heute behandelt man …“), gefolgt von einer eindeutigen, gern begründeten Empfehlung („… für Ihr Tier empfehle ich …, weil…., das bewirkt…hat den Vorteil….“). Auch ist es möglich, flexibel auf bestimmte Aussagen zu reagieren, z. B. wenn ein Tierbesitzer bestimmte Medikamente (Kortison, Antibiotikum) ganz offensichtlich ablehnt. An dieser Stelle kann man sofort auf Alternativen eingehen.
Es ist besser, rechtzeitig zu erfahren, was der Tierbesitzer ablehnt, als etwas vorzuschlagen, das bei ihm im Nachhinein eine ablehnende Haltung auslöst. Echte Einwände (s. u.) des Tierbesitzers sollten immer ernst genommen werden. Es ist gut, nachzufragen, warum bestimmte Maßnahmen abgelehnt werden, oder eine bestimmte Therapie präferiert wird, oder aber wie er generell über die tierärztliche Empfehlung denkt (Ich empfehle …, das hat den Vorteil …, was halten Sie davon?). Für die vom Tierbesitzer mitgebrachten Unterlagen sollte man sich ebenfalls Zeit nehmen (z. B. Ausdrucke aus dem Internet). Diese liefern eine hervorragende Gesprächsgrundlage und sollten nicht als Infragestellung der tierärztlichen Kompetenz interpretiert werden.
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Positive und negative Signale erkennen und differenzieren
Wichtig ist, beim Erstkontakt und bei der Tierbesitzer-Ergründung auf positive bzw. negative Signale zu achten. Es ist ein allgemeiner Irrtum, dass die Frage „Was kostet das?“ bedeutet, dass der Tierbesitzer besonders kostensensitiv ist – ganz im Gegenteil, diese Frage ist nachweislich ein eindeutiges Kaufsignal. Es ist allerdings ein himmelweiter Unterschied, ob gefragt wird „Was kostet das?“ (Kaufsignal) oder aber „Was kostet das bei Ihnen?“ (Preisvergleich). Im ersteren Fall können die Kosten einfach benannt werden, im letzteren Fall nur, wenn feststeht, dass man den günstigsten Preis anbieten kann, ansonsten muss die dahinterstehende Leistung en détail erläutert werden, damit der Preis in den Hintergrund tritt, will man sich gegenüber günstigeren Mitbewerbern durchsetzen.
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Was Tierbesitzer sagen – und was sie wirklich meinen
Einwände sind in Wirklichkeit nicht selten lediglich Vorwände. Wer einen Vorwand als Einwand anbringt, hat meist etwas zu verbergen. Auf jeden Fall möchte er seinem Gegenüber nicht die Wahrheit offenbaren, aus was für Gründen auch immer. Das kann natürlich Probleme verursachen. Nicht immer gelingt eine sichere Unterscheidung. Im günstigsten Fall lehnt der Tierbesitzer eine Behandlung ab, weil er bestimmte oder auch diffuse Ängste hat (z. B. vor einer Narkose). Oder aber er „will es sich noch überlegen“, weil er bereits für sich entschieden hat, dass die Empfehlung für ihn nicht infrage kommt. Oder aber er sagt den bereits vereinbarten Termin ab mit der Entschuldigung, es sei ihm etwas dazwischen gekommen, danach hört die Praxis jedoch nichts mehr von ihm, obwohl er wieder anrufen wollte. Später erfährt man, dass das Tier andernorts operiert wurde. In Wirklichkeit wollte der Tierhalter also vielleicht noch eine zweite Meinung einholen oder den Sachverhalt für sich erst einmal im Internet recherchieren, oder aber irgendetwas anderes hat ihn bewogen, die Operation in einer anderen Praxis oder Klinik durchführen zu lassen. Für die Einwandbehandlung gibt es durchaus spezifische Strategien, auf die hier jedoch aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden kann.
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Grundregeln
Jede Praxis und jede Klinik sollte allerdings Grundregeln für den Umgang mit Tierbesitzern und Patienten und auch für bestimmte Abläufe (Prozessmanagement) festlegen, allein schon, um die Qualität der tierärztlichen Dienstleistungen zu sichern. Bereits vorhandene Systeme, etwa GVP (Gute Veterinärmedizinische Praxis, eine QS-Systementwicklung des bpt), sind hierfür eine hervorragende Hilfestellung. So enthält das GVP-Handbuch beispielsweise ein Ablaufdiagramm für die Auftragsannahme und -abwicklung, das u. a. beinhaltet, dass alle Maßnahmen vorab mit dem Tierbesitzer besprochen, diesem die Kosten soweit möglich bekannt gegeben werden, und der Tierbesitzer die geplanten Maßnahmen und deren Kosten auf einem Formblatt per Unterschrift in Auftrag gibt. Auch die Entscheidung gegen bestimmte Empfehlungen (etwa eine Röntgenuntersuchung oder andere aus tierärztlicher Sicht notwendige Diagnostik oder andere notwendige Maßnahmen) kann und sollte man sich abzeichnen lassen. Eine solche strukturierte Vorgehensweise schützt den Tierarzt soweit als möglich vor unangenehmen Überraschungen und dokumentiert gleichzeitig die professionelle Beratungsqualität und die stattgefundene Aufklärung sowie deren Resultat.
Es wird natürlich immer wieder Patientenbesitzer geben, die verlangen, dass der Tierarzt oder sein Team von den üblichen, routinemäßigen Abläufen (die ggf. in einem QS-Handbuch verzeichnet sind) abweichen („Sonderwünsche, Sonderbehandlung“) oder die verlangen, dass der Tierarzt nach ihren Vorstellungen lediglich als „Erfüllungsgehilfe“ tätig wird, ohne Rücksicht auf die im Verkehr erforderliche Sorgfalt oder der vorhandenen veterinärmedizinischen Evidenz (z. B. arzneimittelrechtlich nicht begründbare Off-label-Behandlungen, von gesicherten Empfehlungen abweichende Therapieschemata etc.), d. h. wider besseres tierärztliches Wissen oder sogar mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen für den Tierarzt. Solche Ansinnen sollten konsequent abgelehnt werden, mit einschlägiger Begründung. Ist der Tierbesitzer uneinsichtig, dann sollte die Behandlung beendet werden (Rechtsanwälte und Steuerberater nennen dies „das Mandat kündigen“, und setzen diese Kündigung bei Unstimmigkeiten mit Mandanten regelmäßig ein). Tierärzten fällt eine solche „Mandatskündigung“ oft ausgesprochen schwer, weil Tierärzte primär das Wohl des kranken Tieres im Auge haben. Leider bringen sich Tierärzte damit unter Umständen selbst in Schwierigkeiten.
Schutz des Praxisteams, Sicherheitsaspekte
Es sollte im Team auch grundsätzlich festgelegt werden, welches Verhalten von Tierbesitzern nicht akzeptabel ist. Unfaire Attacken in jeglicher Form, deutlich aggressives Verhalten, Beleidigungen und Beschimpfungen sowie die Verbreitung von offenkundig falschen Behauptungen über Social Media oder Bewertungsportale sollten nicht toleriert werden, ebenso wie eine schlechte Zahlungsmoral. Hier ist der Tierarzt/die Tierärztin als Teamchef/-in aufgerufen, sich selbst und sein/ihr Team vor dem damit verbundenen Stress zu schützen, indem er solche Tierbesitzer freundlich aber bestimmt aus dem Klientel entfernt. Dies gilt auch für „unbelehrbare“ Tierbesitzer, die selbst nach wiederholter umfänglicher Beratung auf Dauer für das Team Nerv tötende und teils unerfüllbare Ansprüche stellen. Nicht tolerabel sind im Übrigen nach Meinung der Autoren zudem eindeutig diskriminierende, die menschliche oder tierärztliche Kompetenz anderer Kolleginnen und Kollegen infrage stellende Äußerungen von Tierbesitzern, bzw. Tierbesitzer, die solche artikulieren.
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Fazit
Nicht jeder „schwierige“ Patientenbesitzer erfordert ein „Etikett“ (Notiz in der Kartei). Es sollte der Versuch unternommen werden, die Erwartungen, Wünsche und Bedenken von Tierbesitzern im Gespräch zu identifizieren. Dies erfordert Zeit, Geduld und Erfahrung und kann gelegentlich eine Herausforderung darstellen. Eine professionelle Problemidentifikation kann – bei anfänglichen Schwierigkeiten – eine besonders hohe Besitzercompliance und Loyalität produzieren. Bei nicht nur vermeintlich, sondern aus handfesten Gründen tatsächlich schwierigen, fordernden, unhöflichen, unzuverlässigen Tierbesitzern oder bei Tierhaltern, die ganz offenkundig nicht zur Zielgruppe der Praxis/Klinik gehören, sollte abgewogen werden, ob man diese ggf. aus dem Klientel entfernen muss, da diese häufig einen erheblichen Stressfaktor für das gesamte Team darstellen.
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