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DOI: 10.1055/s-0036-1595717
Grundlage des Einkaufs 4.0: Interoperabilität von Supply Chain und Medizin durch valide Stammdaten
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
05. März 2019 (online)
- Unterstützung von eCommerce
- Schlechte Stammdatenqualität
- Institut zur Verbesserung der Stammdatenqualität
- Prüfprocedere von Stammdaten wie beim TÜV
- Integration der Qualitätsprüfung in ein schlüssiges Gesamtkonzept
„Im Einkauf liegt der Gewinn“ lautet eine alte Kaufmannsweisheit. Dies trifft im deutschen Gesundheitswesen – wenn überhaupt –nur sehr differenziert zu. Insbesondere im C-Artikel-Segment ist die Gewinnsteigerung deutlich höher, wenn man einen medienbruchfreien und automatisierten Beschaffungsprozess hat. Prozess- oder generell qualitätsmindernde Einsparungen im Zuge weiter fallender Einkaufspreise sind nachrangig.
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Im aktuellen Monitoring-Report des Bundeswirtschaftsministeriums zum Thema Digitalisierung landet das Gesundheitswesen auf dem letzten Rang. Damit wird in deutschen Krankenhäusern auch der Einkauf adressiert. Dessen Potenziale sind vielfach ungenutzt: vom eProcurement bis hin zu einer beschaffungsübergreifenden Vernetzung im Sinne eines eBusiness, dessen Primärziel z.B. in einer erhöhten Patientensicherheit und einer gesicherten bzw. optimierten Erlössituation besteht.
Unterstützung von eCommerce
Vor diesem Hintergrund führte die Hochschule Niederrhein zusammen mit den Projektpartnern BVMed, dem Universitätsklinikum Heidelberg und IHE Deutschland das Förderprojekt „Standards zur Unterstützung von eCommerce im Gesundheitswesen“ durch. Hierbei wurden mit Mitteln der Förderinitiative „Mittelstand Digital“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) wesentliche Erkenntnisse zur Verbesserung der eSupply Chain gewonnen.
Im Projekt wurde der Frage nachgegangen, weshalb bereits in der elektronischen Beschaffung manueller Zusatzaufwand (wie Nachfragen, Lieferverzögerungen, Fehllieferungen etc.) die Früchte der digital gewonnenen Effizienz in Teilen wieder zunichte macht. Damit wird nicht nur die Behandlungsqualität gefährdet, sondern es werden auch zusätzliche Kosten impliziert und belastbare Analysen im Themenkomplex Best Practices verhindert. Ein Grund für die hohe Komplexität und Fehleranfälligkeit sind verschiedene, z.T. properietäre Standards, für die das Projektkonsortium ein ausführliches Kompendium angelegt hat (wiki.standard-ecg.de).
Problembereiche und konkrete Datenfehler von in Krankenhäusern verwendeten elektronischen Stammdaten.
Angaben in Prozent
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Schlechte Stammdatenqualität
Seitens der Medizinprodukteindustrie gibt es eine dezentrale Datenhaltung. Daher liegt die Qualität der Stammdaten hinsichtlich Eindeutigkeit, Vollständigkeit etc. oft deutlich hinter den Anforderungen, die eine digital unterstützte Lieferkette stellt und die auch bei der artikelintegrierenden Dokumentation bei medizinischen Systemen gefordert ist. Mit Blick auf die weitere Nutzung fehlerhafter Stammdaten in elektronischen Katalogen oder im Zuge IT-gestützter Identifikation, Kommunikation, Transaktion sowie generell klinischer Abläufe durch die Vernetzung von KIS, FIBU, MAWI etc. ist die Ausgabe und Verteilung ausschließlich valider Stammdaten das Gebot der Stunde. Gelangen fehlerhafte Stammdaten erst einmal in Umlauf, wirkt sich das Metcalfesche Gesetz entsprechend negativ aus. Diesem Gesetz nach, wächst der Nutzen eines Kommunikationssystems proportional zur Anzahl der möglichen Verbindungen zwischen den Teilnehmern.
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Institut zur Verbesserung der Stammdatenqualität
„Wer hohe Türme bauen will, muss lange beim Fundament verweilen“, lautet ein Satz, der Anton Bruckner zugeschrieben wird. Diesem Grundsatz folgend gründeten die im Forschungsprojekt verantwortlichen Wissenschaftler zusammen mit externen IT-Experten das IDDG – Institut für Datenmanagement und Datenvalidierung (www.iddg.de). Der gemeinnützige Verein verifiziert die Stammdaten der Hersteller/Lieferanten in einem iterativ aufgebauten, wissenschaftlich abgesicherten Prüfprozess auf Konsistenz und Validität – und vergibt nach erfolgreicher Prüfung abschließend ein Zertifikat.
Procedere der IDDG-Zertifizierung
Entscheidend für die Qualität der Prüfung ist ein von rund 200 Experten zusammengetragener permanent fortgeschriebener Prüfparameterpool, der auch das jüngst von Einkaufsgemeinschaften herausgegebene COVIN-Regelwerk (Content Validation Network) berücksichtigt sowie ca. 500 Prüfroutinen, denen sich jeder Stammdatensatz erfolgreich stellen muss.
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Prüfprocedere von Stammdaten wie beim TÜV
Im Rahmen der Stammdatenprüfung erhalten die Hersteller/Lieferanten ihre Daten so lange bzw. häufig zurück, bis alle Fehler behoben sind. Mit jeder Prüfung wird ein Report erstellt, der ausführlich den Status der Validierung widerspiegelt. Die Fehlerquoten liegen im ersten Durchlauf im Mittel der großen Medizinprodukteunternehmen bei rund 3 Prozent. Validität wird in der Regel nach drei Durchläufen erreicht. Abschließend macht der jeweilige Besitzer der Daten (also Hersteller oder Lieferant) den Anwendern dieselben entweder direkt oder über sogenannte Stammdatenbeschaffungsquellen (z.B. www.transferportal.de) verfügbar. Durch diese Vorgehensweise werden, vom Hersteller/Lieferanten ausgehend, alle z.B. am eProcurement (von der Anforderung bis zur Dokumentation) beteiligten ERP-Systeme synchronisiert. In der Konsequenz wird damit sichergestellt, dass die AIDC (Automatic Identification & Data Capture) Anforderungen erfüllt werden und somit z.B. das Scannen eines Artikels sicher zum gewünschten Ergebnis führt.
Akteure und ihr Zusammenwirken als Grundlage erfolgreichen digitalen Einkaufs
Zu den wichtigen Erkenntnissen in Bezug auf die Sicherstellung einer langfristig erfolgreichen Stammdatenvalidierung, die wiederum ein funktionierendes eProcurement/eBusiness sicherstellt, zählen
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Aufnahme der Prüfparameter entlang des gesamten Patientenbehandlungspfades (Beispiel: GTIN sicher ins KIS) und kontinuierliche Überprüfung dieser Parameter auf ihre Gültigkeit bzgl. Einkauf, Logistik und Medizin
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Die Datenverantwortung muss beim Hersteller/Lieferanten liegen. Der Aufbau eines Datenpools (also die Daten vieler Lieferanten) als Geschäftsmodell konterkariert den Anspruch auf Unabhängigkeit und Neutralität aufgrund der damit einhergehenden Interessenskonflikte – das heißt, ein direkter oder indirekter Lieferant eines Leistungserbringers oder ein Dienstleister im Bereich Business Intelligence scheidet als Garant valider Stammdaten aus.
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Durch die Vergabe eines Zertifikats und dessen Weitergabe an die vom Verwender genutzten Stammdatenbezugsquellen wird sichergestellt, dass immer die gleichen Stammdaten, unabhängig von den Stammdatenbezugsquellen (TransferPortal, GDSN, etc.), zum Einsatz gebracht werden.
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Ein entscheidendes Ergebnis aus der Forschung zu diesem Thema ist, dass eine Verbreitung von Stammdaten über mehrere Schnittstellen immer die Gefahr birgt, dass zu einem Artikel verschiedene Datensätze verbreitet werden. Damit ist ein funktionierendes eProcurement/eBusiness nicht zu gewährleisten.
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Integration der Qualitätsprüfung in ein schlüssiges Gesamtkonzept
Auf Grundlage der angeführten Überlegungen wurde durch den IDDG e. V. ein verallgemeinertes Konzept für ein besser funktionierendes eProcurement, welches auch eine patientenbasierte Dokumentation der eingesetzten Produkte sicherstellt, im Gesundheitswesen entwickelt. Damit einher geht die Aufgabe der bislang häufig praktizierten Praxis einer Identifikation der Produkte auf der Ebene der kleinsten bestellbaren Einheit. Um im Rahmen der eSupply Chain auch die medizinischen Erfordernisse für eine patientenbasierte Dokumentation zu bedienen, müssen Stammdaten für Auto-ID-(Barcode)- Verarbeitung auf der kleinsten applizierbaren Artikeleinheit in den ERP-Systemen verfügbar sein. „IDDG e.V.“, so Alfons Rathmer, Geschäftsführer des Instituts, „dessen Mitglieder aus Wissenschaft und Wirtschaft weder direkt noch indirekt aus dem Kreise der Hersteller/Lieferanten oder Krankenhäuser kommen, beabsichtigt den bisher eingeschlagenen Weg mit seiner der Neutralität verpflichteten Philosophie im Sinne aller Prozessbeteiligten – d. h. Hersteller/Lieferanten, Krankenhäuser, Einkaufsgemeinschaften – fortzuführen.“ Rathmer ist sich sicher, dass mit der somit abgesicherten Isolierung von Partikularinteressen der digitale Einkauf in Richtung 4.0 zeitnah vorangebracht werden kann.
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