Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(02): 113-114
DOI: 10.1055/a-1772-7303
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Kommentar zu Dapagliflozin: Reduzierte Diabetes-Inzidenz bei chronischer Nierenerkrankung?

Contributor(s):
Peter Schwarz

Die vorliegende Studie folgt einem interessanten pharmakopräventiven Ansatz. Patienten mit Prädiabetes oder einem Diabetesrisiko werden mit einem Diabetesmedikament behandelt, und man versucht auf diese Art und Weise die Konversion zum Diabetes zu verhindern. In der vorliegenden Analyse wurden Daten verschiedener Studien gepoolt. Alle der eingeschlossenen Patienten hatten einen HbA1c unter 6,5% und alle hatten kardiovaskuläre oder nierenspezifische Vorerkrankungen. Die Patienten wurden anschließend mit Dapagliflozin oder Placebo behandelt. Über den Studienzeitraum wurde analysiert, ob Dapagliflozin als Therapeutikum die Konversion zum Diabetes reduziert. Um es kurz zu machen, in der Gruppe der Patienten, die Dapagliflozin erhielten, war die Konversion zum Diabetes geringer und obwohl die absolute Risikoreduktion nur etwa 2% betrug, war die relative Risikoreduktion 33%.

Als Konzept würde das grundsätzlich Sinn machen, ein Medikament zu geben, welches dem Patienten hilft, kontinuierlich Glucose über den Urin verlieren und durch den „Energieverlust“ auch abzunehmen. Es ist plausibel, dass dieses Medikament die Prävention (oder Verzögerung) eines Diabetes bewirken kann. Eigentlich sind wir etwas zurückhaltend mit der Anwendung von Medikamenten zur Prävention des Diabetes, weil Studien aus der Vergangenheit mit Acarbose, Metformin, Insulin und Rosiglitazon gezeigt haben, dass die Medikamentengabe nicht eine wirkliche Prävention darstellt, sondern letztendlich eigentlich „nur“ eine sehr frühe Therapie eines erhöhten Blutzuckerspiegels eines zukünftigen Diabetes und damit Maskieren des Blutzuckerspiegels. Trotz alledem kam man nicht umhin zu sagen, dass das wirkt und dass diese Patienten vermutlich langfristig Vorteile im Hinblick auf die Entwicklung von diabetesspezifischen Komplikationen haben. Schaut man sich die Daten der Studie jetzt im Detail an, ist sehr schön zu sehen, dass die Personen innerhalb der ersten zwei Monate unter Dapagliflozin-Therapie ein deutliches Absinken des HbA1c erlebten. Ich bitte zu beachten, dass hier alle teilnehmenden Patienten im Schnitt HbA1c-Werte von unter 6 hatten und trotzdem kam es in dem hochnormalen Bereich (5,2–6%) zu einem Absenken des HbA1c von etwa 0,2%. Allerdings schon nach vier Monaten glichen sich die Kurven zwischen Dapagliflozin- und Placebo-Gabe an und die Patienten hatten eigentlich identische HbA1c-Werte. Nach 16 bis 24 Monaten teilten sich die Kurven dann auf und Dapagliflozin war im Hinblick auf den HbA1c-Verlauf der Placebo-Gabe deutlich überlegen. Im Schnitt hatten die Patienten zwischen 0,2 und 0,4% niedrigere HbA1c-Werte. Betrachtet man nun getrennt die Patienten, die im Vorfeld einen Prädiabetes hatten (HbA1c 5,7% bis 6,4%), im Vergleich zu denen ohne Prädiabetes (HbA1c < 5,7%) sieht man, dass die Überlegenheit von Dapagliflozin bei den Diabetes-Gesunden sehr viel schneller zu beobachten war als bei den Prädiabetikern. Überraschenderweise nimmt der Effekt zum Ende hin sehr deutlich ab. Das ist tatsächlich interessant. Nochmal, wir betrachten Menschen, die grundsätzlich diabetesgesund sind und höchstenfalls Prädiabetes hatten. Die Physiologie der Medikamentenwirkung spielt dabei vermutlich die entscheidende Rolle – es kam eben nicht zu einer Lebensstilumstellung. Wenn Gesunde Dapagliflozin nehmen, darüber Energie verlieren, kann es sein, dass der Effekt, dass hinzugegessen wird, deutlicher ausgeprägt ist als bei Patienten, die regelmäßig ihren Blutzucker kontrollieren. Von klinischer Seite würde ich diesen Effekt in der Studie verantwortlich machen. Ich denke, dass die Patienten den Energieverlust durch gesteigerte Energieaufnahme kompensiert haben und damit aus diabetespräventiver Sicht der Effekt sistierte. Letztendlich reiht sich die Studie damit in die anderen pharmakopräventiven Studien ein – es macht nur wenig Sinn, ein Medikament zur Prävention des Diabetes zu geben, sondern man muss das Übel an der „Wurzel“ anfassen. Das ist in dem Fall über mehr Alltagsaktivität und eine verbesserte Ernährung, die Akkumulation von viszeralem Fett und Leberfett zu reduzieren bis hin zu unterbinden. Dadurch verbessert sich die Insulinsensitivität und das ist der eigentliche diabetespräventive Effekt. Es gibt nur eine pharmakopräventive Studie, die einen nachhaltigen Effekt gezeigt hat – das war die Anwendung von Pioglitazon. Hier hatten die Patienten auch nach Weglassen des Medikaments drei Jahre später einen klaren Vorteil gegenüber den Teilnehmern, die kein Medikament genommen hatten. Grundsätzlich kann ich mir allerdings sehr gut vorstellen, dass ein SGLT-2-Hemmer in Kombination mit einer Lebensstilintervention den Effekt pushen und verstärken kann. Ohne eine solche Intervention ist der Effekt leider minimal.



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Article published online:
04 April 2022

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