Rofo 2023; 195(07): 620-622
DOI: 10.1055/a-2018-3464
The Interesting Case

Chronisch-intermittierende diffuse alveoläre Hämorrhagien mit unklarer Genese

Chronic-intermittent diffuse alveolar hemorrhage of unknown origin
Florian Haag
1   Department of Radiology and Nuclear Medicine, Heidelberg University Medical Faculty Mannheim, Mannheim, Germany (Ringgold ID: RIN99045)
2   Department of Radiology and Nuclear Medicine, University Hospital Magdeburg, Magdeburg, Germany (Ringgold ID: RIN39067)
,
Maciej Pech
2   Department of Radiology and Nuclear Medicine, University Hospital Magdeburg, Magdeburg, Germany (Ringgold ID: RIN39067)
,
Alexey Surov
2   Department of Radiology and Nuclear Medicine, University Hospital Magdeburg, Magdeburg, Germany (Ringgold ID: RIN39067)
3   Department of Radiology, Neuroradiology and Nuclear Medicine, Johannes Wesling University Hospital, Ruhr University Bochum, Minden, Germany
› Author Affiliations
Diese Arbeit wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Netzwerks Hochschulmedizin (Projekt RACOON, 01KX2021) gefördert.
 

Einleitung

Die diffuse alveoläre Hämorrhagie (DAH) beschreibt eine Subgruppe der pulmonalen Blutungen. Sie kann bei verschiedenen Grunderkrankungen auftreten und potenziell lebensbedrohlich sein [Reisman S et al. AJR Am J Roentgenol 2021; 216: 1500–1509]. Nach ihrer Genese kann sie in 4 Subgruppen eingeteilt werden: immunassoziiert, assoziiert mit kongestivem Herzversagen, sonstige Ursachen (beispielsweise Infektionen, Trauma oder medikamentös-toxisch) und idiopathisch. Bei den meisten Fällen ist jedoch die Pathogenese unbekannt [Park JA. Int J Mol Sci 2021; 22]. Klinisch präsentieren sich die Patienten mit Atemnot, Hämoptysen und Anämie [Qi Y. et al. Transl Pediatr 2021; 10: 2921–2928]. Zur Diagnostik der DAH gehört eine Bronchoskopie. Diese dient dem Nachweis einer Hämorrhagie in der bronchoalveolären Lavage (BAL), sowie dem Ausschluss von makroskopisch sichtbaren Blutungen [Ioachimescu OC et al. Cleve Clin J Med 2008; 75: 258, 260, 264–5]. Ebenso kann die Projektionsradiografie des Thorax diagnostisch eingesetzt werden. Diese weist typischerweise bipulmonale Konsolidierungen mit zentraler Betonung auf [Reisman S et al. AJR Am J Roentgenol 2021; 216: 1500–1509]. Die Computertomografie (CT) zeigt in der akuten Phase zentral betonte Milchglastrübungen, die in Konsolidierungen übergehen können und Ausdruck einer subtotalen Füllung der Alveolen mit Blut sind. Ebenfalls kann das „dark-bronchus-sign“ vorliegen, welches eine scheinbare Hervorhebung segmentaler und subsegmentaler Bronchien beschreibt. Dabei wirken die luftgefüllten Bronchien durch das umgebende dichteangehobene Lungenparenchym dunkler als in der gesunden Lunge. Innerhalb von 2–3 Tagen kann das „crazy-paving“-Muster auftreten, das durch eine landkartenartige Verteilung von Milchglasarealen mit Überlagerung durch verdickte Intra-, sowie Interlobärsepten gekennzeichnet ist [Marten K et al. AJR Am J Roentgenol 2005; 184]. Betroffene Patienten zeigen hohe Mortalitätsraten und benötigen eine zielgerichtete Therapie. Diese besteht aus supportiven Maßnahmen, der Behandlung der Grunderkrankung (meist durch Immunsuppressiva) und lokaler Hämostase [Park JA. Int J Mol Sci 2021; 22].


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Fallbeschreibung

Wir berichten über einen 18-jährigen Patienten, der mit Belastungsdyspnoe zur stationären Behandlung aufgenommen wurde. Anamnestisch ist eine chronisch-intermittierende DAH idiopathischer Genese bekannt, die bei Bedarf mit Prednisolonstößen therapiert wurde. Die Erstvorstellung des Patienten erfolgte im Alter von 7 Jahren bei Belastungsdyspnoe und Eisenmangelanämie. Damals fielen in der Projektionsradiografie perihiläre, retikuläre Zeichnungsvermehrungen auf ([Abb. 1]A). CT-morphologisch wurden diffuse Milchglastrübungen bipulmonal beschrieben ([Abb. 1]B). Die Diagnose der alveolären Hämorrhagie konnte damals mithilfe einer BAL gesichert werden.

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Abb. 1 Initiale Bildgebungen A) Projektionsradiografie des Thorax in a.p. vom Aufnahmetag des Patienten. Hier fällt eine perihiläre, retikuläre Zeichnungsvermehrung beidseits auf. B) CT-Thorax im Lungenfenster mit diffusen Milchglasarealen in beiden Lungenflügeln.

Zum Zeitpunkt der Aufnahme wurden Hämoptysen verneint. Eine initial angefertigte Projektionsradiografie des Thorax war unauffällig. Bei einer Bronchoskopie am Folgetag konnte makroskopisch eine DAH beschrieben werden. 9 Tage nach Aufnahme erfolgte bei neu aufgetretenen Hämoptysen eine CT. Diese stellte ein deutliches Bild einer DAH mit zentral betonten Milchglasarealen, die subtotal die einzelnen Alveolen ausfüllen, und den Einblutungen entsprechen, ([Abb. 2]) dar. Ebenso lag das „dark-bronchus-sign“ ([Abb. 2] Pfeil) vor. Im Verlauf des Aufenthaltes erhielt der Patient 2 Erythrozytenkonzentrate bei ausgeprägter Anämie. Zusätzlich erfolgte eine Prednisolontherapie, unter der sich die Symptome rasch besserten.

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Abb. 2 CT-Thorax aus dem initial beschriebenen stationären Aufenthalt im Lungenfenster nach Auftreten der Hämoptysen. In axialer (A) und koronarer (B) Darstellung zeigen sich zentral betonte Milchglasareale in beiden Lungenflügeln. Ebenso erkennbar ist das „dark-bronchus-sign“ (Pfeil).

Ca. 4 Monate später stellte sich der Patient wegen nächtlich aufgetretenen Hämoptysen und Dyspnoe erneut in unserer zentralen Notaufnahme vor. Ambulant war in der Zwischenzeit eine immunsuppressive Dauertherapie mit Mycophenolat-Mofetil eingeleitet worden. Das initiale Röntgen zeigte im Vergleich zu den bekannten Voruntersuchungen deutlich progrediente Konsolidierungen in beiden Lungenflügeln mit zentraler Betonung ([Abb. 3]C). Die zeitnah durchgeführte CT bestätigte den Progress der bekannten alveolären Einblutungen ([Abb. 3]A+B). Aufgrund einer hypoxämischen, respiratorischen Insuffizienz wurden eine High-Flow-Sauerstofftherapie und eine Prednisolonstoßtherapie eingeleitet. Eine symptomatische Eisenmangelanämie wurde mit Eiseninfusionen behandelt. Hierunter besserte sich der Zustand des Patienten. Entsprechend des klinischen Zustandes waren unter der o.g. Therapie die Konsolidierungen im Röntgen regredient ([Abb. 3]D). Die zwischenzeitlich angesetzte immunsuppressive Dauertherapie wurde von Mycophenolat-Mofetil auf Hydroxychloroquin umgestellt und der Patient wurde beschwerdefrei in die Häuslichkeit entlassen.

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Abb. 3 Bildaufnahmen aus dem zweiten stationären Aufenthalt A und B) CT Thorax in axialer und koronarer Darstellung mit ausgeprägten zentral betonten Milchglasarealen, bei ausgeprägten Hämoptysen C) Projektionsradiografie des Thorax bei stationärer Aufnahme und ausgeprägten Hämoptysen. Passend dazu liegen bipulmonale Konsolidierungen vor. D) Projektionsradiografie des Thorax nach Eskalation der immunsuppressiven Therapie und Besserung der Symptomatik. Die vorbeschriebenen Konsolidierungen zeigen sich regredient.

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Diskussion

Der oben beschriebene Fall dokumentiert den Krankheitsverlauf einer DAH mit idiopathischer Genese. Auffällig ist, dass der Patient in seinem jungen Alter trotz immunsuppressiver Therapie an wiederkehrender Belastungsdyspnoe und Hämoptysen leidet. Symptomatisch konnte dem Patienten bisher gut mit supportiven Maßnahmen geholfen werden. CT-morphologisch zeigt sich dieser Fall, typisch für eine DAH, mit bipulmonalen zentral betonten Milchglasarealen. Diese gehen besonders in der zuletzt beschriebenen Bildgebung ([Abb. 3]A–C) in Konsolidierungen über. Dabei füllen diese die Alveolen nicht komplett aus. Bemerkenswert an dem beschriebenen Fall ist, dass sich trotz des langfristigen Krankheitsverlaufs keine ausgeprägten Zeichen einer Lungenfibrose zeigen. Möglicherweise lässt sich dieser Umstand auf die immunsuppressive Therapie des Patienten zurückführen. Autoimmunologische Erkrankungen mit Schädigung der alveolären Basalmembran konnten als Ursache für die Symptomatik ebenso wie eine infektiöse oder toxische Genese ausgeschlossen werden. Zusätzlich wurden malige und kardiovaskuläre Erkrankungen sowie Störungen der Blutgerinnung ausgeschlossen. Damit liegt bei diesem, wie bei den meisten bekannten Fällen der DAH [Park JA. Int J Mol Sci 2021; 22], eine idiopathische Genese zugrunde.


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Schlussfolgerung

Der beschriebene Fall soll auf die DAH als seltene Ursache rezidivierender Belastungsdyspnoe und Hämoptysen aufmerksam machen. Dabei kann sie sich entsprechend ihrer Genese klinisch unterschiedlich präsentieren und potenziell lebensbedrohlich sein. CT-morphologisch stellen sich die Einblutungen als bipulmonale, zentrilobuläre Milchglasareale mit subtotaler Ausfüllung der Alveolen dar. Ebenfalls kann das „dark-bronchus-sign“ auf segmentaler und subsegmentaler Ebene im entsprechenden klinischen Kontext hinweisend für eine DAH sein. Werden diese charakteristischen Muster im entsprechenden klinischen Kontext in der CT erkannt, sollte an eine DAH als Differenzialdiagnose gedacht werden.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Korrespondenzadresse

Dr. Florian Haag
Department of Radiology and Nuclear Medicine, Heidelberg University Medical Faculty Mannheim
Theodor-Kutzer-Ufer 1–3
68167 Mannheim
Germany   

Publication History

Received: 28 September 2022

Accepted after revision: 22 January 2023

Article published online:
02 March 2023

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Initiale Bildgebungen A) Projektionsradiografie des Thorax in a.p. vom Aufnahmetag des Patienten. Hier fällt eine perihiläre, retikuläre Zeichnungsvermehrung beidseits auf. B) CT-Thorax im Lungenfenster mit diffusen Milchglasarealen in beiden Lungenflügeln.
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Abb. 2 CT-Thorax aus dem initial beschriebenen stationären Aufenthalt im Lungenfenster nach Auftreten der Hämoptysen. In axialer (A) und koronarer (B) Darstellung zeigen sich zentral betonte Milchglasareale in beiden Lungenflügeln. Ebenso erkennbar ist das „dark-bronchus-sign“ (Pfeil).
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Abb. 3 Bildaufnahmen aus dem zweiten stationären Aufenthalt A und B) CT Thorax in axialer und koronarer Darstellung mit ausgeprägten zentral betonten Milchglasarealen, bei ausgeprägten Hämoptysen C) Projektionsradiografie des Thorax bei stationärer Aufnahme und ausgeprägten Hämoptysen. Passend dazu liegen bipulmonale Konsolidierungen vor. D) Projektionsradiografie des Thorax nach Eskalation der immunsuppressiven Therapie und Besserung der Symptomatik. Die vorbeschriebenen Konsolidierungen zeigen sich regredient.