Laryngorhinootologie 2017; 96(10): 670-671
DOI: 10.1055/s-0043-117014
Referiert und Diskutiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kombinierte Antibiotikatherapie wirksamer bei Paukenröhrchen und Otorrhoe

Tobias Dombrowski
Further Information

Publication History

Publication Date:
10 October 2017 (online)

Spektor Z et al. Efficacy and Safety of Ciprofloxacin Plus Fluocinolone in Otitis Media With Tympanostomy Tubes in Pediatric Patients: A Randomized Clinical Trial. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2017;143:341–349

Bei einer Otitis media und Paukenröhrchen bei Kindern kommt es für gewöhnlich zur Otorrhoe, was die täglichen Aktivitäten der Kinder einschränkt. In zwei identischen multizentrischen Studien wurde die Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination von Ciprofloxacin mit Fluocinolon mit der der Einzelkomponenten verglichen.

Die beiden identischen multizentrischen, randomisierten und doppelblinden Studien wurden nach dem CONSORT Statement gestaltet, mit dem Ziel, die lokale topische Gabe von Ciprofloxacin und Fluocinolon bei Kindern mit Otitis media und Paukenröhrchen (AOMT) zu testen.

Die Gesamtstudienpopulation bestand aus 662 Kindern, 331 Kinder pro Studie, die randomisiert entweder Ciprofloxacin mit Fluocinolon (n = 223) oder nur Ciprofloxacin (n = 221) oder nur Fluocinolon (n = 218) verabreicht bekamen. Die Kinder waren zwischen 6 Monate und 12 Jahre alt und litten an mittelgradiger bis schwerer eitriger Otorrhoe über 3 Wochen oder weniger. Die Antibiotikagabe erfolgte über 7 Tage. Untersuchungen erfolgten zu Therapiebeginn, während der Behandlung an den Tagen 3 bis 5, an den Tagen 8 bis 10, zum Ende der Therapie sowie danach, um den Heilungsverlauf zu beurteilen.

BEWERTUNGSSYSTEM

★★★★★ Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet.

★★★★ Gute experimentelle Arbeit, gute klinische Studie oder gute Übersichtsarbeit.

★★★ Mittelmäßige Publikation mit etwas geringerem Innovationscharakter oder nur für Spezialisten geeignet.

★★ Mäßige Publikation von geringerem klinischen und experimentellen Interesse und leichten methodischen Mängeln.

★ Nur für die Literatursammlung, wesentliche inhaltliche oder formale Mängel.

Die Studienteilnehmer in den drei Medikamentengruppen und auch in den beiden Studien insgesamt waren miteinander hinsichtlich demografischer und klinischer Daten vergleichbar. Primärer Studienendpunkt war die Zeit bis zum Ende des Ausfluss (TCO), der dann bis zum Ende der Studie anhalten musste. Dies wurde einerseits durch die Erziehungsberechtigten dokumentiert und durch die Prüfärzte mit einer Ohrspiegelung verifiziert.

In beiden Studien zusammen betrug die TCO 4,23 Tage bei den Patienten, die Ciprofloxacin und Fluocinolon erhielten, im Vergleich zu 6,95 Tage in der Ciprofloxacin-Gruppe. Obwohl die mittlere TCO für die Fluocinolon-Gruppe nicht bestimmbar war, da die Zahl der ausgeschlossenen Fälle die der Fälle mit Ende des Ausfluss überstieg, bestand ein statistischer Vorteil der Kombination gegenüber der alleinigen Fluocinolon-Gabe.

Am Ende der Therapie waren in der Ciprofloxacin/ Fluocinolon- Gruppe signifikant mehr Kinder geheilt als in den jeweiligen Vergleichsgruppen mit den Einzelsubstanzen. Zur letzten Visite waren 80,6 % in der Ciprofloxacin/ Fluocinolon- Gruppe geheilt. In der Ciprofloxacin-Gruppe waren es 67,4 % und in der Fluocinolon- Gruppe 47,6 %. Die Unterschiede waren signifikant.

Die mikrobiologische Untersuchung des Exsudats auf Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Moraxella catarrhalis, Staphylococcus aureus und Pseudomonas aeruginosa ergab für die Ciprofloxacin/ Fluocinolon- Gruppe eine signifikant höhere dauerhafte mikrobiologische Heilung als in den Vergleichsgruppen.

Die Nebenwirkungsrate war insgesamt gering. Im audiometrischen Test fanden sich keine Unterschiede bei den Gruppen.

FAZIT

Die Auswertung zeigt, so die Autoren, dass die Kombination Ciprofloxacin mit Fluocinolon zur Behandlung der AOMT wirksamer ist, als die Therapie mit den Einzelsubstanzen. Zudem ist die Therapie sicher und wird von den Kindern gut vertragen.

Richard Kessing, Zeiskam

Studien-Kommentar

★★★ Die Studie von Spektor et al. ist nicht nur eine weitere von mittlerweile vielen Studien bzgl. „Otorrhoe bei einliegenden (Standard-) Paukenröhrchen“, denn sie fügt der Thematik aufgrund ihres doppel-blinden, randomisierten und kontrollierten Studiendesigns mit hoher Patientenzahl (662 Kinder in zwei Studien zu je 331 Kindern) weitere Evidenz hinzu. Das multizentrische Studiendesign mit teilnehmenden Zentren auf mehreren Kontinenten (Nordamerika, Afrika, Europa) reduziert zudem die Wahrscheinlichkeit einer durch lokale Resistenzlagen beeinflussten Ergebnisqualität. Gleichzeitig ergeben sich hieraus jedoch auch Nachteile, welche sich z. B. in der letztendlich subjektiven Definition des primären Endpunktes „Sistieren der Otorrhoe“ auswirken und möglicherweise für den Unterschied von 1,19 Tagen (~30 % des kleineren Wertes) zwischen den zwei zusammengefassten Studien im Ciprofloxacin/Fluocinolon-Therapiearm mit verantwortlich sind. Die Autoren versuchen dem durch den sekundären Endpunkt der mikrobiologisch anhaltenden Keimfreiheit entgegenzuwirken.

Grundsätzlich unklar bleibt, warum die Studie zweigeteilt wurde. Zu bemerken ist zusätzlich die Beteiligung der die entsprechende otologische Formulierung aus Ciprofloxacin und Fluocinolon vertreibenden Firma Salvat Biotech, welche von der Konzeption über das Sponsoring und die Datenanalyse bis hin zum Manuskript an der Studie beteiligt war. So erhielt z. B. auch der Erstautor Honorare der Firma.

Klinisch wichtig ist die Erkenntnis, dass die Kombination aus Ciprofloxacin/Fluocinolon in der Behandlung von Otorrhoe bei Paukenröhrchen der alleinigen Gabe der Einzelsubstanzen überlegen zu sein scheint. Den Autoren gelingt es jedoch nicht, diese Erkenntnis unter Berücksichtigung der aktuellen Literatur in eine strukturierte Praxisempfehlung umzusetzen. So wurde eine der wichtigsten Publikationen zum Thema (van Dongen et al., N Engl J Med 2014; 370: 723–733) nicht einmal diskutiert. Dort wurde gezeigt, dass die topische Gabe einer Kombination aus Antibiotikum und Glukokortikoid der systemischen, oralen antibiotischen Therapie und dem abwartenden Offenhalten deutlich überlegen ist. Zudem verzichteten van Dongen et al. bei gutem Therapieerfolg auf die, als Sekundärintervention zu wertende, regelmäßige Gehörgangsabsaugung und bevorzugten eine Reinigung des äußeren Ohres mit einem Tuch vor Applikation der Ohrentropfen, während Spektor et al. bei jeder Studienvisite vorhandenes Sekret bis auf die Öffnung des Röhrchens absaugten.

Zur wertenden Zusammenfassung bietet das Ende 2016 erschienene Cochrane Review von Venenkamp et al. eine gute Übersicht zur Studienlage und ist als Lektüre zum Thema empfehlenswert. Danach sollte eine Otorrhoe bei einliegenden Paukenröhrchen primär lokal therapiert werden, da in verfügbaren Studien die Lokaltherapie der systemischen hinsichtlich des Therapieerfolgs nach ein und zwei Wochen sowie Symptomdauer überlegen ist. Mit der hier diskutierten Studie zeigt sich nun weitere Evidenz für die topische Anwendung einer Kombination aus Ciprofloxacin/Glukokortikoid an Stelle eines reinen Antibiotikums. Auf die Absaugung von Sekret aus dem Gehörgang kann zur Erhaltung der Compliance des Kindes zumindest in Hinblick auf den Therapieerfolg wahrscheinlich regelhaft verzichtet werden. Eine systemische antimikrobielle Therapie ist nach entsprechender mikrobiologischer Analyse lediglich den therapieresistenten Fällen vorbehalten und sollte grundsätzlich auch die Diskussion der Entfernung bzw. des Wechsels des Paukenröhrchens perspektivisch mit einbeziehen. Wissenschaftlich unklar bleibt das Vorgehen bei Therapieversagern dennoch (hier 15 % im besten Therapiearm), ebenso wie bei Otorrhoe nach Einlage von T-Tubes, welche in den meisten Studien ein Ausschlusskriterium sind.


#