physioscience 2023; 19(04): 160-169
DOI: 10.1055/a-1963-6671
Originalarbeit

Adressatengerechte Mobilitäts- und Teilhabeförderung im Pflegeheim

Eine Mixed-Methods-Studie zu Wünschen und Bedürfnissen von Pflegeheimbewohner*innenAddressee-oriented Mobility and Participation Promotion in Nursing HomesA Mixed-methods Study on the Wishes and Needs of Nursing Home Residents
Ellen Drubig
Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
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Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
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Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft, Medizinische Fakultät, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), Deutschland
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Zusammenfassung

Hintergrund Bewohner*innen von Pflegeheimen erleben häufig Einschränkungen ihrer Mobilität und Teilhabe durch körperliche und/oder kognitive Veränderungen sowie durch Kontextfaktoren des Settings Pflegeheim. Da Mobilität und Teilhabe Gradmesser für Lebensqualität und Selbstbestimmung sind, sollte dem Mobilitätserhalt von Pflegeheimbewohner*innen eine hohe Aufmerksamkeit zukommen. Spezielle Bewegungsprogramme können auch bei älteren Menschen den Gesundheitszustand und die Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen und das Sturzrisiko senken. Um Mobilität durch Aktivierungs- und Bewegungsangebote effektiv zu fördern, müssen diese auf individuelle Voraussetzungen und Bedürfnisse der Bewohner*innen abzielen. Deren Wünsche und Bedürfnisse hinsichtlich ihrer Mobilität sind bisher aber kaum bekannt.

Ziel Untersuchung der subjektiven Perspektiven von Pflegeheimbewohner*innen hinsichtlich Mobilität und Teilhabe. Zudem wurde analysiert, inwieweit die individuelle Einschätzung ihrer Mobilität mit der Fremdeinschätzung von Pflegenden und ihrem tatsächlichen Mobilitätsstatus übereinstimmt.

Methode Es wurden 10 Interviews mit Pflegeheimbewohner*innen durchgeführt und anhand der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Das Mobilitätsassessment für den Vergleich der Selbst- und Fremdeinschätzung des Mobilitätsstatus der Bewohner*innen erfolgte mit dem Erfassungsbogen „Mobilität“ (EBoMo).

Ergebnisse Die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner*innen zu Mobilität und Teilhabe sind individuell sehr unterschiedlich, werden aber gegenüber Pflegeheimmitarbeitenden selten geäußert. Die Mehrzahl der Befragten wünscht sich eine Person mit gleichen Interessen für Gespräche. Zudem wurde deutlich, dass die Tagesgestaltung vom Ausmaß der körperlichen Mobilität abhängt. Der aktuelle Mobilitätsstatus wurde unterschiedlich eingeschätzt. Es dominierte eine Unterschätzung der Bewegungsfähigkeiten sowohl durch die befragten Bewohner*innen als auch durch die Pflegenden im Vergleich zur gemessenen Mobilität.

Schlussfolgerung Um Pflegeheimbewohner*innen ein größeres Maß an Teilhabe zu ermöglichen und sie körperlich und geistig zu fördern, benötigt es ein Bewusstsein für deren Bedürfnisse und Sichtweisen. Der regelmäßigen Erfassung vorhandener Fähigkeiten und Wünsche von Bewohner*innen sollte daher ein höherer Stellenwert als bisher zukommen, um eine adressatengerechte Bewegungs- und Teilhabeförderung im Alltag zu ermöglichen.

Abstract

Background Nursing home residents often experience limitations of their participation due to physical and/or cognitive changes and contextual factors of the nursing home. Since mobility and participation are indicators of quality of life and self-determination high attention should be paid to maintaining mobility of nursing home residents. Exercise programs can have positive effects on health and physical performance of older people and reduce the risk of falling. An effective promotion of mobility requires that activity offers and exercise programs are targeted at the individual conditions and needs of those affected. Residentsʼ wishes and needs regarding mobility are hardly known so far.

Aim The perspective of nursing home residents on mobility and participation was examined. In addition, the extent of accordance between self-assessment of mobility and proxy-assessment through nurses and the actual mobility status was analysed.

Method 10 interviews with nursing home residents were conducted. Data were analysed by structuring content analysis according to Kuckartz. The mobility assessment of residentsʼ mobility status was carried out using the EBoMo-Questionnaire.

Results Residentsʼ wishes and needs regarding mobility and participation are very individual, but are rarely expressed to nursing home staff. The majority of respondents would like to have an interlocutor with same interests. It became clear that the daily routine depends on the extent of physical mobility. Most of the respondents, in turn, didnʼt correctly assess their mobility. An underestimation of mobility dominated both by residents themselves and by nurses.

Conclusion It requires an awareness of the needs and perspectives of the residents in order to promote their participation and to provide them with adequate physical and mental support. Therefore, the regular assessment of the residentsʼ abilities and wishes should be given a higher priority in order to an appropriate promotion of mobility and participation in everyday life.



Publication History

Received: 27 September 2022

Accepted: 23 March 2023

Article published online:
26 May 2023

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