Sportphysio 2023; 11(04): 179-185
DOI: 10.1055/a-2095-9179
Focus
Vertiefung

Akute Effekte geschwindigkeitsbasierten Krafttrainings auf die Sprung- und Sprintleistung

Ludwig Rappelt
,
Steffen Held
,
Jan-Philip Deutsch
,
Lars Donath

Einleitung

In vielen Sportarten ist für erfolgreiche sportliche Leistungen und Entwicklung eine adäquat entwickelte Sprint- [32] und Sprungleistung [4] von größter Bedeutung. Zur Steigerung dieser Surrogatparameter der sportartspezifischen Leistungsfähigkeit werden häufig sprintbasierte [32] oder plyometrische Trainingsansätze [23] verfolgt. Das plyometrische Training umfasst dabei Übungen mit einem schnellen Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ): also eine hochintensive exzentrische Muskelaktion, unmittelbar gefolgt von einer schnellen und kraftvollen konzentrischen Muskelaktion [4], [23], [32]. Kombiniert man ein klassisches Krafttraining mit Zusatzlasten und ein plyometrisches Training innerhalb des gleichen Trainingszyklus, so können Leistungsverbesserungen im Bereich der Kraft (z. B. Sprunghöhe) erzielt werden, die über die Effekte eines isolierten plyometrischen oder klassischen Krafttrainings hinausgehen [1]. Die Leistungsfähigkeit bei plyometrischen Übungen, z. B. die Sprunghöhe beim Counter Movement Jump (CMJ), ist allerdings 24 Stunden nach einem klassischen Krafttraining bis zum Muskelversagen reduziert [30], [38]. Da Sprint- und plyometrisches Training dann am effektivsten wirken, wenn Athleten in einem gut erholten Zustand sind, wird deshalb empfohlen, vor diesen Einheiten eine Erholungsphase von 48–72 Stunden ohne intensives Training einzuhalten [7]. In diesem Zusammenhang könnte deshalb ein Krafttraining ohne Muskelversagen [17] in Trainingsphasen mit einem kombinierten Ansatz von Widerstands- und plyometrischem Training von Vorteil sein.

Ein vielversprechender Ansatz eines solchen nicht bis zum Muskelversagen durchgeführten Krafttrainings stellt das geschwindigkeitsbasierte Krafttraining (VBT = Velocity Based Training) dar [14]. Während des VBT wird die Trainingsintensität durchgehend durch die mittlere konzentrische Geschwindigkeit (MCV) der einzelnen Wiederholungen kontrolliert [14]. Eine allmähliche Abnahme der MCV über die Wiederholungen innerhalb einer Trainingseinheit – also der Verlust der Bewegungsgeschwindigkeit durch einen Anstieg der Anstrengung und des Ermüdungsniveaus – bietet somit ein machbares, einfaches und vielversprechendes Instrument zur Objektivierung von Ermüdungsstufen [33]. Mithilfe der Aufzeichnung der Bewegungsgeschwindigkeit lässt sich auch für mehrere Personen ein vergleichbarer Trainingsstimulus erzeugen [29] – und das, ohne eine übermäßige Erschöpfung zu induzieren [28]. Im Gegensatz zum klassischen Krafttraining, bei dem die einzelnen Trainingssätze bis zum akuten Muskelversagen trainiert werden (Wiederholungsmaximum), kann mithilfe des VBT eine Grenze definiert werden: Fällt die MVC unter ein bestimmtes Niveau (beispielsweise 20 % der maximalen konzentrischen Kontraktionsgeschwindigkeit), wird der Trainingssatz beendet, ohne die verbleibenden Wiederholungen bis zum Muskelversagen durchzuführen [29].

Wie eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse zeigte, führt dieses Erzeugen eines akuten Muskelversagens während des klassischen Krafttrainings zu einem stärkeren akuten Rückgang der Sprungleistung (z. B. CMJ) und einer höheren Laktatproduktion als Krafttraining, das nicht bis zum Muskelversagen durchgeführt wird [38]. Zudem wird ein Krafttraining zum akuten Muskelversagen als anstrengender empfunden [38]. 24 Stunden nach einem geschwindigkeitsbasierten Training hingegen, bei dem der jeweilige Trainingssatz immer dann abgebrochen wurde, wenn die jeweilige MCV um 10 % abgefallen war (VL10-VBT), berichteten Athleten auf der Grundlage eines validierten Fragebogens (Short Recovery and Stress Scale) [27] keine nachteiligen Auswirkungen auf den Stress- und Erholungsstatus [17]. Deshalb könnte es durchaus sein, dass auch die maximale plyometrische Leistung bereits 24 Stunden nach VL10-VBT wiedererlangt werden kann.

In früheren Studien wurde allerdings die Leistung von Drop Jumps oder Sprints nicht untersucht [30], [38]. Zudem waren bei der Mehrheit der früheren Studien, die die akuten Effekte des VBT gegen die des klassischen Krafttrainings zum Muskelversagen untersucht haben, das Volumen und die Intensität der beiden Trainingsprotokolle nicht abgestimmt [30], [38]. Daher könnte eine verbesserte Erholung nach VBT auch durch ein geringeres Trainingsvolumen bedingt sein [17], [30], [38].

In der vorliegenden Studie wurde daher untersucht, inwiefern VL10-VBT und ein klassisches Krafttraining durchgeführt bis zum Muskelversagen (TRF) in einem volumen- und intensitätsadjustierten Setting zu unterschiedlichen akuten Veränderungen der Sprung- und Sprintleistung führen. In einem randomisierten Crossover-Design wurden dafür die Sprint- und Sprungleistung unmittelbar davor, danach sowie 24 h nach einem VBT und einem volumen- und intensitätsangepassten TRF miteinander verglichen.



Publication History

Article published online:
31 August 2023

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